Das Recht des Stärkeren GDL setzt auf Egoismus
08.03.2011, 15:18 UhrDie Gewerkschaft der Lokomotivführer lässt die Muskeln spielen und bereitet weitere Streiks im Bahnverkehr vor. Doch der Hauptgegner ist nicht die Deutsche Bahn. Die Lokführer wollen vor allem der Konkurrenzgewerkschaft schaden und für sich mehr herausholen.
In nächster Zeit werden deutschlandweit zahlreiche Menschen viel Zeit auf vollen Bahnsteigen verbringen und auf Züge warten, die nicht kommen. Die Gewerkschaft der Lokomotivführer will den Schienenverkehr flächendeckend bestreiken. Und warum? Weil sie sich gegenüber der größeren Konkurrenzgewerkschaft EVG profilieren will.
Die GDL weigert sich, auf Grundlage des von der EVG ausgehandelten Branchentarifvertrags mit der Bahn und ihrer privaten Konkurrenz zu verhandeln. Die Lokführer wollen für sich mehr herausholen – und verlangen ein besseres Angebot. Erst dann wollen sie mit den Arbeitgebern sprechen. Also wird gestreikt. Das ist zwar legitim, aber beinharter Egoismus.
Die GDL spricht gerne von Solidarität, doch es geht der schlagkräftigen Truppe schlicht und ergreifend um Einfluss und Macht. Das Verhältnis zur größeren Gewerkschaft ist – freundlich ausgedrückt – schlecht. Oder um es in den Worten von GDL-Chef Claus Weselsky zu sagen: "Wir haben uns nicht über Jahrzehnte besser organisiert und zusammengehalten, um am Ende die Tarifergebnisse einer schwachen Gewerkschaft zu übernehmen."
Das ist zumindest ehrlich. Allerdings vertritt die EVG die Interessen fast aller Bahn-Beschäftigten – die Lokführer ausgenommen. Doch die GDL hat für konzernweite Solidarität offenbar wenig Verständnis. Wie gut, dass sich weitere Berufsgruppen bei der Bahn noch kein Beispiel nehmen und beschließen, künftig nur für ihren eigenen Vorteil zu kämpfen. Denn dann würde sich die Bahn im ständigen Arbeitskampf befinden. Jede Berufsgruppe würde der anderen Verhandlungserfolge neiden und für sich mindestens das gleiche verlangen.
Damit es nicht so weit kommt, gibt es nur eine Lösung: Die Gewerkschaften müssen gemeinsam für einen flächendeckenden Branchentarifvertrag kämpfen und dafür sorgen, dass gleiche Arbeit gleich bezahlt wird – und im Konzern alle Beschäftigten gleichermaßen von Tarifabschlüssen profitieren.
Doch mit der GDL ist das offenbar nicht zu machen. Und damit die Lokführer-Gewerkschaft den Streit ums Führerhäuschen gewinnt, werden in den nächsten Tagen, Wochen und Monaten wieder tausende Menschen ihre Zeit auf Bahnsteigen oder völlig überfüllten Zügen verbringen. Aber es gibt einen Trost: Es wird Frühling.
Quelle: ntv.de