Hohe Euro-Psychologie Ist Griechenland blind?
16.03.2010, 14:03 Uhr
		                      Der Weg aus der Krise ist nur mit einem radikalen Schritt zu meistern.
(Foto: REUTERS)
Der Vorstoß der Eurogruppe in Brüssel überzeugt nicht. Denn der Plan, im Notfall die finanzielle Unterstützung der Partner anzubieten, greift im Falle Griechenlands zu kurz. Das "Bußgeld" für diese Hilfen wäre immer noch viel zu hoch. Denn es werden keine milden Gaben in Aussicht gestellt. Der niederländische Finanzminister Jan Kees de Jager stellt klar, dass die Zinsen für derartige Kredite auf jeden Fall höher sein werden als die Kosten der Euro-Länder zur Beschaffung dieses Geldes, das sie selber nicht haben. Allenfalls kommen darüber hinaus noch Garantien für griechische Staatsanleihen in Frage. Diese Maßnahmen würden zwar die Zinszahlungen Athens bei der Aufnahme neuer Kredite um schätzungsweise rund eine Milliarde Euro erleichtern. Eines der größten Probleme Griechenlands, nämlich die hohe und weiter wachsende Staatsverschuldung von rund 300 Mrd. Euro, bliebe aber ungelöst. Denn ein Schuldenerlass für Griechenland ist weiterhin nicht in Sicht. Die Euroländer – allen voran Deutschland - halten sich diesbezüglich streng an die Gesetzesgrundlage des Maastricht-Vertrags und lassen Griechenland damit am ausgestreckten Arm zwar nicht fallen, aber sichtlich zappeln.
Der Refinanzierungsbedarf von Schulden allein in diesem Jahr liegt bei über 50 Mrd. Euro. Wie soll diesem Land mit neuen Krediten gedient sein, selbst wenn die Zinsen durch Garantien der Eurogruppe etwas unter das derzeitige Niveau sinken würden? Und welche europäische Schuldenkommission, die Athen auf dem Weg zur Sanierung des Staatshaushalts möglicherweise helfen soll, will sich so einen Schuh dann noch anziehen? Das ist keine Option. Rechtlich gesehen wird hier sowieso nur die Geduld von Papier strapaziert. Die No-Bail-Out-Klausel der Euroländer betrifft ganz klar auch Kredite an die nationalen Regierungen. Eine Verletzung dieses Verbots kann jederzeit von der Kommission oder einem Mitgliedsstaat durch Anrufung des Europäischen Gerichtshofs angezeigt werden. Finanzieller Beistand ist ausdrücklich nur im Fall von Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Ereignissen vorgesehen. Eine an Staatsbankrott grenzende Verschuldung ist eine Katastrophe, aber keine, die der Natur unterzuschieben wäre. Es ist auch kein außergewöhnliches Ereignis, das sich der Kontrolle des betroffenen Mitgliedstaates entzieht. Der Schuldenprozess wird durch den Staat gesteuert. Das ist sicherlich Konsens.
Die Signale werden deutlicher
Eurogruppenchef Jean-Claude Juncker wählt seine Worte nicht umsonst besonnen. Er sagt ausdrücklich, es gehe um eine gangbare Lösung, „falls wir eine bräuchten“. Einschränkend sagt er weiter: „Ich denke nicht, dass wir eine brauchen“. Dieses Taktieren ergibt einen Sinn, wenn man bedenkt, dass hier offenkundig die Rechtsgrundlage verlassen wird, was allen Beteiligten bewusst sein dürfte. Es ergibt auch Sinn, wenn einem bewusst ist, dass neue Kredite zu hohen Prämien keine Option für Griechenland sind, weil sie die finanziellen Möglichkeiten des Staates bei weitem übersteigen. Bleibt die Frage: Warum dann dieser Vorschlag? Warum einem Bettler in die Tasche greifen? Die einzige plausible Antwort darauf lautet, die Euroländer wollen den Druck auf Griechenland sukzessive erhöhen und dabei möglicherweise einen ganz anderen Weg aufzeigen. Einen Weg, den sie nicht bestimmen können, sondern nur andeuten dürfen. Sie wollen Griechenland aus der Reserve locken, denn es muss diesen Weg alleine gehen. Es ist der Weg raus aus dem Euro-Bündnis. Nachdem alle Optionen wohl abgewogen sind, dürfte Griechenland langsam das Schild „Notausgang“ in der Dunkelheit über der Tür aufblitzen sehen.
Allen Unkenrufen zum Trotz wäre ein solcher Weg gangbar. Griechenland könnte nach Expertenmeinung eine im Maastricht-Vertrag verankerte Ausnahmegenehmigung für sich in Anspruch nehmen, zurückkehren zur Drachme und danach - als Mitglied des Euro-Bündnisses in der zweiten Reihe – die Bündnispartner um Währungsbeistand bitten. Erst ein Ausscheiden aus der gemeinsamen Währung würde rechtlich das dringend notwendige „Spiel“ geben und damit Unterstützungsmaßnahmen ermöglichen, die bei einer Euro-Mitgliedschaft untersagt sind. Die Beistandsregelung im Maastricht-Vertrag sieht – was viele nicht wissen – neben dem Währungsbeistand weitere sinnvolle Hilfen vor: Finanziert oder mitfinanziert werden dürfen laut Vertrag öffentliche Dienstleistungen wie die Krankenversorgung und ähnliche unerlässliche Leistungsangebote, die unter den Haushaltsproblemen des vom Staatsbankrott bedrohten Mitgliedsstaates besonders leiden. Dafür müsste der EU-Haushalt umgeschichtet und auf andere Ausgaben verzichtet werden. Aber die Mittel würden zielgerichtet in das notleidende Sozialsystem fließen. Damit wäre auch dem Volk gedient und sozialer Unruhe vorgebeugt. Griechenland ist nicht allein zu Haus. Es muss nur die Augen aufmachen und den Euro abgeben.
Quelle: ntv.de