Keine Kandidatur für EZB-Vorsitz Weber bleibt sich treu
09.02.2011, 15:55 UhrAxel Weber wird wohl nicht Präsident der Europäischen Zentralbank. Der Verzicht auf die Kandidatur käme zwar überraschend, wäre aber konsequent. Denn Diplomatie ist Webers Sache nicht.
Bislang galt Axel Weber als aussichtsreicher Kandidat für den Chefposten bei der Europäischen Zentralbank. Doch es verdichten sich die Anzeichen, dass der Präsident der Bundesbank auf eine Kandidatur verzichtet. Das ist nachvollziehbar, denn Weber und die EZB scheinen derzeit nicht zueinander zu passen.
Als der jetzige EZB-Chef Jean-Claude Trichet 2003 die Nachfolge von Wim Duisenberg antrat, war die Europäische Zentralbank eine andere Institution als heute. Angesichts von Finanz- und Schuldenkrisen machte der Franzose aus der Not eine Tugend und warf gezwungenermaßen Prinzipien über Bord, die für einen an Geldstabilität orientierten Banker wie Weber unabdingbar sind.
Zahlreiche Tabubrüche
So war die EZB im Jahre 2007 ganz vorne dabei, die Geldmärkte zu fluten, als diese nach dem Platzen der US-Immobilienblase auszutrocknen drohten. Nach dem Zusammenbruch von Lehman Brothers senkte die Notenbank den Leitzins auf ein Rekordtief. Doch den größten Tabubruch beging die EZB im Frühjahr vergangenen Jahres: Angesichts der Schuldenkrise der Euro-Peripherie kauft sie Anleihen hoch verschuldeter Mitgliedsländer – und bewahrt sie damit vor dem Bankrott.
In den Augen mancher Hardliner hat die EZB damit etwas Entscheidendes verloren: ihre Glaubwürdigkeit. Weber, als Präsident der Bundesbank Mitglied im EZB-Rat, gehört zu den lautstarken Wortführern der Verfechter der unbedingten Preisstabilität. Damit geht er Trichet zwar gehörig auf die Nerven, doch das hält Weber nicht davon ab, die zunehmend brüsken Zurechtweisungen des EZB-Chefs zu ignorieren. Statt die Zähne zusammenzubeißen, bleibt er sich treu und kritisiert munter alle Maßnahmen, die die EZB einleitet, um die Schuldenkrise zu bekämpfen.
Seine Chancen auf die Nachfolge des Franzosen hat er damit sicher nicht erhöht. Im Gegenteil. Nicht nur in südeuropäischen Ländern gibt es deutlichen Widerstand, auch Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy hält wenig von der Aussicht, Weber an der Spitze der EZB zu sehen. Schließlich steht Weber nicht nur für Währungsstabilität, sondern auch für eine unabhängige Zentralbank.
EZB unter politischem Druck
Doch derzeit schreitet die Politisierung der EZB voran, denn die gewaltigen Probleme der Währungszone sind ungelöst. Der Inflationsdruck nimmt zu, die Schuldenkrise der Europeripherie geht weiter. Der Stabilitäts- und Wachstumspakt funktioniert nicht, zu unterschiedlich sind die Volkswirtschaften der Eurozone. Abhilfe soll eine Wirtschaftsregierung schaffen. Doch wie diese aussehen soll, ist innerhalb der Eurozone heftig umstritten.
Die Europäische Zentralbank kann sich dem Gezerre nicht entziehen, schließlich spielt sie eine zentrale Rolle. Dass der undiplomatische, in der Hochzins-Tradition der Bundesbank stehende Weber vor diesem Hintergrund keine Lust auf den EZB-Chefposten hat, wäre nur konsequent.
Quelle: ntv.de