Inside Wall Street Auf Lincolns Spuren
27.03.2008, 21:00 UhrDer große Saal der Cooper Union in New York. Über dem reich verzierten Stehpult ist ein Tuch aus rotem Samt drapiert, daran goldene Quasten. Darüber thront ein Senator aus Illinois und aussichtsreicher Präsidentschaftskandidat: Abraham Lincoln. Seine Grundsatzrede "Recht schafft Macht" ebnet ihm den Weg ins Weiße Haus.
Fast 150 Jahre nach Lincoln stand an diesem Donnerstag wieder ein Senator aus Illinois und aussichtsreicher Präsidentschaftskandidat hinter dem Stehpult der Cooper Union: Barack Obama. Der historischen Bedeutung des Ortes ist er sich bewusst; zudem bringt er in seiner Ansprache George Washington, dessen Finanzminister Alexander Hamilton und Thomas Jefferson unter doch das war's dann auch schon an Historischem.
Barack Obamas Rede zur Wirtschaftspolitk in Amerika war als Grundsatzrede angekündigt, dürfte aber kaum in die Geschichtsbücher eingehen. Zu sehr roch der ganze Auftritt nach Wahlkampf, zu wenig inspirierend waren die Konzepte und Forderungen, die der stärkste potenzielle Präsidentschaftskandidat der Demokraten vorstellte.
Zu einer Linderung der Immobilien- und Hypothekenkrise will Obama Milliarden-Fonds einrichten, die Refinanzierungen ermöglichen und Zwangsversteigerungen verhindern sollen. Hypothekenbanken sollen zudem stärker reguliert werden. Das hört man an der Wall Street nicht gerne, aber immer öfter. Schließlich hat sich die Kreditbranche in den letzten Jahren ohne maßgebliche Regulierung in eine dramatische Krise bugsiert, in der man nun seit Monaten auf Unterstützung aus Washington angewiesen ist und doch noch immer keinen Ausweg kennt.
Dazu gab es die gewohnte Kritik an Lobbyisten und eigennützigen Wahlkampfspendern, die generellen Ankündigungen von niedrigeren Steuern für Unter- und Mittelschicht bei höheren Steuern für die Bestverdiener. Die staatlichen Krankenversicherungen sollen günstiger werden, neue Jobs müssen entstehen eine bahnbrechende Rede ist das nicht.
Weitaus interessanter war wohl auch ein Moment unmittelbar vor Obamas Rede: Vorgestellt wurde der Senator nämlich von keinem geringeren als New Yorks Bürgermeister Michael Bloomberg. Der war bis vor kurzem selbst als möglicher Präsidentschaftskandidat im Gespräch, hat sich aber mittlerweile offiziell abgemeldet. Das heißt nicht, dass für ihn nach Ablauf seiner Amtszeit in New York die Politik kein Thema mehr wäre.
Insider könnten sich Bloomberg als optimalen Vizepräsidenten für Barack Obama vorstellen. Wo dem Senator aus Illinois - berechtigt oder nicht - ausreichende Erfahrung und Führungskraft abgesprochen wird, könnte Bloomberg glänzen. Obama hat hingegen, was Bloomberg zu einer erfolgreichen Kandidatur wohl gefehlt hätte: Charme und rhetorisches Talent. Gemeinsam dürften Obama/Bloomberg unschlagbar sein.
Eine offizielle Stellungnahme in dieser Hinsicht steht aber nicht an. Bloomberg bekräftigte in der Cooper Union wiederholt, dass er aktuell keine Wahlempfehlung aussprechen wolle.
Quelle: ntv.de