Marktberichte

Inside Wall Street Bush schützt Tabak-Industrie

Die Börsenkolumne aus New York von Lars Halter

In der Tabakbranche zu arbeiten kann nicht wirklich Spaß machen. Kippen sind out und in manchen Städten – zum Beispiel New York – fast überall verboten, die Kunden siechen dahin, wer noch lebt, klagt auf Schadenersatz. Freunde hat die Industrie wenige, einen dafür an oberster Stelle: im Weißen Haus.

Obwohl der Texaner George W. Bush selbst nicht (mehr) raucht, ist er wohl der treueste Verbündete einer Industrie, für die sonst kaum jemand mehr eintreten möchte. Zur Zeit kämpft Bush wie selten zuvor für die Tabakkonzerne. Die haben viele Jahre lang einen großen Teil seiner Wahlkämpfe gesponsert und viele Millionen in Lobby-Arbeit investiert, jetzt sollen sie belohnt werden – ironischerweise auf Kosten der Kinder.

Von den Millionen Kids aus unterprivilegierten Verhältnissen, die bislang ohne Krankenversicherung aufwuchsen, will der Kongress nämlich einen Großteil in ein neues staatliches Programm aufnehmen. Der rundum gute Vorschlag wird von Republikanern und Demokraten gleichermaßen begrüßt, was nicht zuletzt an der Erfolgsquote eines Vorläufermodells liegt.

Dieses, in den USA als State Children's Health Insurance Program oder SCHIP bekannt, hat bisher die Versicherung für Kinder bezahlt, deren Familien ein Einkommen zwischen 100 und 200 Prozent der Armutsgrenze haben. Familien unter der Armutsgrenze sind vom bestehenden Programm abgedeckt, so dass SCHIP so weit unten wie möglich anpackte.

Gegen Ende der für SCHIP angedachten Testphase geht es in Washington nun darum, das Nachfolgeprogramm zu finanzieren, wofür 35 Milliarden Dollar veranschlagt sind. Das sind satte 30 Milliarden mehr als Präsident Bush ausgeben will. Seiner Meinung nach reichen 5 Milliarden aus, was das unparteiische Center on Budget and Policy Priorities erzürnt. Da hat man berechnet, dass unter dem Bush-Plan 800 000 Kinder aus dem Versicherungsprogramm fallen würden, während der Plan des Kongress den Versicherungsschutz von derzeit 6,6 auf fast 10 Millionen Kinder ausdehnen würde.

Dass 35 Milliarden Dollar in schweren Zeiten schwerer aufzutreiben sind als 5 Milliarden Dollar, ist den Politikern im Kongress durchaus klar – doch ausnahmsweise liefern sie mit der Ausgabestrategie auch einen Finanzierungsplan mit. Sie wollen die Steuern auf Tabakprodukte deutlich anheben. Ein Plan, der mit der Gesundheitspolitik in zahlreichen Kommunen einhergeht, den Tabakkonsum im Land einschränken und langfristig im Gesundheitswesen Kosten senken könnte.

Doch wo die Worte „Steuern anheben“ stehen, schaut Bush genauer hin, denn das ist nicht seine Politik. Der Präsident, der in jedem Jahr seiner Amtszeit die staatlichen Ausgaben erhöht und dabei doch jedes Mal die Steuern gesenkt hat, schreckt auch angesichts hoher Defizite und eines dringenden Sanierungsbedarfs im Gesundheitswesen davor zurück, seine Freunde in Corporate America um Opfer zu bitten. Einen Ausbau der staatlichen Krankenversicherung für Kinder lehnt er nun rigoros ab, um die Bilanzen der Tabakkonzerne zu schützen.

Vielleicht hält er das für sinnvoll, weil Kinder – im Gegensatz zu Tabak-CEOs – nicht wählen können. Doch selbst ein großer Teil seiner Parteifreunde sieht die Sache anders und sammelt Stimmen, um ein angekündigtes Veto des Präsidenten gegen das neue Versicherungsprogramm zu überstimmen.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen