Inside Wall Street Das Ende der "Auto-Mile"
23.05.2009, 19:15 UhrIn der aktuellen Wirtschaftskrise gehen in den USA nicht nur Geld und Jobs verloren. Mit der einen oder anderen Pleite ändert sich nicht weniger als die Kultur des Landes - und die Landschaft.
In der aktuellen Wirtschaftskrise gehen in den USA nicht nur Geld und Jobs verloren. Mit der einen oder anderen Pleite ändert sich nicht weniger als die Kultur des Landes - und die Landschaft. Zum Beispiel im Fall der Autobranche, in der nicht nur bekannte Marken verschwinden, sondern auch tausende von Händlern, die bisher die Vororte beherrscht hatten.
Dass Chrysler in seiner Restrukturierung fast 800 Autohäuser schließen will, war Mitte der Woche nur der Anfang. In den nächsten Tagen wird sich General Motors - noch nicht offiziell im Konkurs, aber mindestens so verzweifelt - von 2600 Händlern trennen.
Betroffen sind etwa 400 Saturn- und 200 Saab-Autohäuser, denn diese Marken wird es bei dem einstigen Branchenriesen aus Detroit nicht länger geben. Hummer- und Pontiac-Händler haben Glück: Die verkaufen meist auch andere GM-Marken, darunter Buick und GMC, und dürften sich zum großen Teil halten können. Ebenso die Händler im ländlichen Raum, die zwar nicht immer große Gewinne einfahren, aber in der Regel ganze Landkreise versorgen. Da fällt der Rückzug schwer.
Ganz anders in den "suburbs", den Vororten amerikanischer Metropolen. Die haben oft eine sogenannte "auto mile", einen mehrere Kilometer langen Streifen entlang der Hauptstraße, an der ein Autohaus am nächsten steht. Diese völlig übertriebene Dichte ist ganz klar ein Relikt aus besseren Zeiten, als "die großen Drei" den US-Automarkt komplett beherrschten. Heutzutage sind zu viele Händler Ballast für GM.
Einfach abwerfen lässt sich der Ballast aber nicht. Als GM zuletzt die Marke Oldsmobile stoppte, musste man rund eine Mrd. Dollar aufwenden, um die Dealer zu entschädigen und den Bestand zurückzukaufen. Diesmal dürfte die Sache noch viel teurer werden.
Was schlecht für GM und die Händler ist, muss aber nicht schlecht für das Land sein. Wer einmal eine "auto mile" gesehen hat, wer überhaupt einmal in den amerikanischen Vorstädten unterwegs war, der weiß, wie furchtbar und trist die Lage dort war. Fernab der Wohngebiete shoppten die Amis mit Hochdruck in schier unendlichen Mega-Malls und Mini-Malls, zwischen die Autohändler, Werkstätten und Ölwechsel-Läden gepfercht waren. Hier und da gab es vielleicht ein Kino und ein Fastfood-Restaurant, damit hatte es sich aber mit der Vorstadtkultur.
Amerika könnte einen Wandel gut gebrauchen. Was mit den geschassten Autohäusern passiert, ist zwar völlig offen. Marken aus Europa und Asien dürften sich möglicherweise einige Standorte sichern. Doch manche werden wohl für immer verwaisen und Platz für Neues schaffen. Nicht zwingend für neue Läden, denn dem Einzelhandel außerhalb der Autobranche geht es nicht unbedingt besser. Vielleicht widersteht der ein oder andere Stadtplaner dem Drang, jede offene Stelle gleich wieder zu nutzen. Vielleicht entstehen mitten in den US-Stripmalls eines Tages Freiräume, möglicherweise Parks.
Die Lebensqualität in den Städten würde das verbessern. Den Kommerz allerdings nicht, denn die endlosen Malls haben der Branche natürlich lange zum Erfolg verholfen. Immerhin: Wer keine Alternative hat, shoppt in der Freizeit rastlos - unabhängig wie viel Geld zur Verfügung steht.
Quelle: ntv.de