Europa nach dem großen Gipfel Dax-Futures leicht im Plus
02.07.2012, 08:45 Uhr
So ging der Dax ins Wochenende: Mit großen Augen und einem gestreckten Zeigefinger.
(Foto: REUTERS)
Nach dem EU-Gipfel herrscht an den Aktienmärkten gespannte Ruhe: Zum Wochenauftakt rechnen Beobachter mit weitgehend robusten Kursen und begrenzten Gewinnmitnahmen. Die Augen der Strategen richten sich jetzt auf den anstehenden Zinsentscheid der Europäischen Zentralbank.
Nach dem starken Kursanstieg vor dem Wochenende rechnen Marktteilnehmer zu Beginn der neuen Woche mit einer Beruhigung an den europäischen Aktienmärkten. Nach seinem jüngsten Kursplus dürfte der Dax zum Wochenstart an Schwung verlieren. Banken und Broker rechnen damit, dass der Leitindex nur leicht unter seinem Freitagsschluss von 6416 Zählern liegen wird.
Bei Lang & Schwarz wurde der deutsche Leitindex vorbörslich mit einem Eröffnungsstand bei 6411 Punkten indiziert, was einem Abschlag von 0,1 Prozent entspricht. Die Beschlüsse des EU-Gipfels zur Bekämpfung der Schuldenkrise hatten den Dax zuletzt 4,3 Prozent höher schließen lassen.
Die Dax-Futures gaben zur Handelseröffnung leicht nach. Der September-Kontrakt sank eine Dreiviertelstunde vor dem Börsenstart um 10 Zähler auf 6424,5 Punkte. Das Tagestief liegt bei 6422,5 Punkten, das bisherige Tageshoch bei 6455 Punkten. Damit liegen die Futures noch über dem Schlusskurs vom Freitag. Marktteilnehmer sprachen von einer Konsolidierung nach den starken Gewinnen am Freitag. Die technischen Analysten der LBBW sehen Widerstände bei 6450 und 6484 Punkten, Unterstützungen liegen demnach bei 6364 und 6320 Stellen.
Der Eurostoxx50 wurde vorbörslich stabil bei 2268 Punkten gesehen, ein Plus von 0,1 Prozent.
Die Wall Street hatte am Freitag deutliche Gewinne verbucht: Der Dow-Jones-Index schloss 2,2 Prozent fester, der S&P-500 kletterte um 2,5 Prozent und der Nasdaq-Composite gewann drei Prozent. Die Börsen in Asien notierten zu Wochenbeginn leicht im Plus. Der Nikkei-Index und der Shanghai-Composite legten jeweils um 0,1 Prozent zu.
"Ich denke aber nicht, dass es zu ausgeprägten Gewinnmitnahmen kommen wird", meinte ein Händler mit Blick auf den Handelsstart in Europa. Dagegen spreche die anstehende Ratssitzung der Europäischen Zentralbank (EZB) am kommenden Donnerstag. Volkswirte rechnen mit einer Zinssenkung auf unter ein Prozent und damit auf das niedrigste Niveau seit Bestehen der Zentralbank. "Wenn man sieht, dass die Kurse im Wochenverlauf nicht herunterkommen, wird das einige zum Nachkaufen bewegen", fügte der Händler hinzu.
Die Diskussion der Gipfelbeschlüsse werde sich unterdessen fortsetzen, hieß es am Morgen. Die Interpretation, dass Deutschland der Verlierer des Gipfels ist, dürfte die Berichterstattung noch einige Zeit bestimmen. Angeheizt wird die Debatte durch mehrere Verfassungsklagen gegen den europäischen Fiskalpakt und den Euro-Rettungsschirm ESM bei den obersten Richtern in Karlsruhe.
Linde steigt in "Healthcare" ein
Bei den Einzelwerten standen am Morgen ganz klar die Übernahmepläne des Dax-Konzerns Linde im Vordergrund: Linde will den US-Hersteller von Sauerstoffgeräten Lincare für rund 4,6 Mrd. US-Dollar übernehmen. Den Aktionären des Unternehmens werden 41,50 Dollar in bar geboten, teilte Linde nun mit und bestätigte damit die Gerüchte der vergangenen Tage.
"Das ist ja nun lediglich eine Vollzugsmeldung, nachdem die mögliche Übernahme in der Vorwoche bereits ausgiebig diskutiert worden ist. Lediglich der noch etwas höher als kolportierte Übernahmepreis könnte die Linde-Aktie etwas belasten", meinte ein Marktteilnehmer. Analysten haben sich bereits zustimmend geäußert. Der US-Hersteller von Sauerstoffgeräten sei aus strategischer Sicht eine gute Ergänzung, haben die Experten der Commerzbank angemerkt.
Die vorerst geplatzte Übernahme von Rhön-Klinikum durch den Konkurrenten Fresenius drückte die Aktien des Klinikbetreibers am Morgen auf vorbörsliche Talfahrt. Mit einem Abschlag von elf Prozent waren die Papiere im frühen Geschäft von Lang & Schwarz größter Verlierer im MDax. Am Freitag hatten sie bei 18,88 Euro geschlossen. Im Frankfurter Frühhandel gaben die Aktien um 9,4 Prozent nach. Fresenius-Aktien verbilligten sich bei Lang & Schwarz gegenüber ihrem Freitagsschluss von 81,78 Euro um 0,5 Prozent.
"Bis zuletzt hatten einige darauf spekuliert, dass der Deal doch noch klappt - aber jetzt ist die Katze aus dem Sack und die Rhön-Aktien rutschen erst einmal in den Keller", sagte ein Händler. Der Kauf von Rhön-Klinikum scheiterte, weil Fresenius mit seiner Übernahmeofferte lediglich 84,3 Prozent der Rhön-Aktien eingesammelte. Für ein Gelingen des Kaufs wären mehr als 90 Prozent nötig gewesen. Fresenius hatte 22,50 Euro je Rhön-Aktie geboten.
Die anhaltende Konsolidierung im Pharmabereich dürfte den Sektor zu Wochenbeginn stützen, hieß es. Am Freitag hatten sich die defensiven Pharmaaktien nicht ganz so stark wie der breite Markt entwickelt. "Die Übernahmen setze sich fort. Das dürfte gerade die Kurse mittlerer und kleiner Pharmaunternehmen stützen", sagte ein Händler. Der Hintergrund: Der US-Pharmakonzern Bristol-Myers Squibb will mit einer Milliardenübernahme seine Präsenz im wachsenden Markt für Diabetes-Medikamente stärken. Das Unternehmen wird Amylin Pharmaceuticals für insgesamt 7 Mrd. US-Dollar übernehmen. Gleichzeitig wird Bristol seine Diabetes-Allianz mit dem britischen Pharmakonzern AstraZeneca intensivieren.
Die Optionsprämien auf Dax-Optionen preisen für den ersten Tag der Woche eine Schwankungsbreite im Dax von 76,67 Punkten oder 1,19 Prozent um den Schlusskurs vom vergangenen Freitag ein. Das entspricht einer Dax-Bewegung auf bis zu 6493 Punkte nach oben und 6340 Punkte nach unten.
Kühle Signale aus China
Trotz guter Vorgaben aus den USA und von den asiatischen Börsen gab es . So ist die Aktivität im verarbeitenden Gewerbe Chinas auf den niedrigsten Stand seit sieben Monaten gefallen. Das zeigen zwei Befragungen der Einkaufsmanager. Damit setzt sich die wirtschaftliche Abkühlung der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt fort. Zudem wirft die Berichtssaison ihre Schatten voraus.
"Es bleibt abzuwarten, was noch an Gewinnwarnungen auf uns zukommt und wie viel davon schon in den aktuellen Kursen enthalten ist", meinte ein Händler. In der vergangenen Woche hatte bereits einige Unternehmen entsprechende Warnungen mitgeteilt, worauf die Kurse teilweise deutlich nachgegeben haben.
Auf der europäischen Konjunkturagenda haben zu Wochenbeginn die Einkaufsmanager das Wort: Am Vormittag gibt es unter anderem Daten aus Deutschland und der EU. Am Nachmittag folgt der wichtige nationale Einkaufsmanagerindex für das Verarbeitende Gewerbe der USA. Regionale Indizes in den Vorwochen deuten eine Abschwächung an. Die Volkswirte der Postbank rechnen mit einem Stand von 51,5, was "nicht von besonderer Dynamik in der US-Industrie zeugen würde".
Nur Zeit erkauft
Nach dem Kursfeuerwerk vom vergangenen Freitag dürfte zu Wochenbeginn auch an den übrigen europäischen Börsen außerhalb Deutschland wieder etwas mehr Ruhe Einzug halten. Am Rohstoffmarkt gab der Ölpreis am Morgen nach. Der Preis für das Barrel WTI sinkt um 1,4 Prozent auf 83,77 Dollar. Am Devisenmarkt kam der Euro von seinem Höhenflug zum Dollar wieder etwas zurück. Nachdem die Gemeinschaftswährung am Freitag noch nahe an die Marke von 1,27 US-Dollar geklettert war, fiel sie nun wieder auf 1,2625 Dollar zurück. Der Euro lag damit aber noch immer gut einen Cent über dem Vor-Gipfel-Niveau.
Nach dem Optimismus vom Freitag ziehe nun wieder mehr Vorsicht ein, berichteten Devisenmarktteilnehmer. "Der Gipfel ist ohne Einigung über die langfristigen Details zu Ende gegangen, hat aber einiges an Erleichterung für Spanien und Italien mit den direkten Bankenhilfen gebracht", hieß es in einem Kommentar der National Australia Bank. Die Frage sei nun, wie lange die Umsetzung der Beschlüsse brauche. Bislang hätten sich die politischen Führer nur etwas Zeit erkauft.
Quelle: ntv.de, DJ/rts