Vor der Griechenland-Wahl Dax bleibt cool
15.06.2012, 17:47 Uhr
Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.
(Foto: Reuters)
Vor der mit Spannung erwarteten "Schicksalswahl" in Griechenland zeigen die Anleger keine Nerven. Düstere Szenarien wie Staatspleite und Austritt aus der Eurozone prallen am deutschen Aktienmarkt ab. Investoren vertrauen auf ein erfolgreiches Krisenmanagement der EZB oder EU.
Dieser "Hexensabbat" so kurz vor den mit Spannung erwarteten Neuwahlen in Griechenland ließ sich sehen: Trotz aller Unkenrufe vor der Wahl in Griechenland bauten die Anleger auf ein gutes Krisenmanagement in Europa. Das nervöse Zucken bei den Kursen ging allein auf das Konto des großen Verfalls am Terminmarkt.
Der deutsche Leitindex Dax schloss 1,5 Prozent höher bei 6229 Punkten. Kurzzeitig war er nach dem Auslaufen der auf ihn lautenden Terminkontrakte bis auf 6251 Punkte nach oben geschnellt, dann aber wieder zurückgekommen. Der MDax gewann 1,2 Prozent auf 10.046 Punkte. Der Technologiewerteindex TecDax legte dagegen nur moderate 0,6 Prozent zu auf 726 Punkte.
Marktbeobachter verwiesen als Kurstreiber auf vage Gerüchte: Auch wenn es offiziell keine Bestätigungen gab, Politik und Notenbanken sollen bereit stehen, auf einen möglichen Absturz der Märkte schnell zu reagieren. Die Europäische Zentralbank selbst wollte entsprechende Berichte nicht bestätigen. "Kein Kommentar", hieß es dazu nur knapp bei der EZB in Frankfurt.
Steht der "Große Verfall" an den Terminmärkten an, drohen Kursverwerfungen, da viele Anleger versuchen, die Kurse in eine für sie günstige Richtung zu bewegen. Die Fakten:
- Am "Hexensabbat" verfallen drei Arten von Anlagen: die Optionen auf Einzelaktien, die Optionen auf Indizes und die Terminkontrakte auf Indizes. Daher spricht man von einem "Großen Verfalltermin".
- Die Terminkontrakte auf Börsenindizes - also der Dax-Future oder der MDax-Future - verfallen nur alle drei Monate, immer am Ende eines Quartals.
- Die Optionen auf Einzelaktien und Indizes verfallen dagegen alle vier Wochen. Das nennen Börsianer dann den "Kleinen Verfall".
- Verfallstermin ist jeweils am dritten Freitag eines Monats.
- Die Preise für Aktien-Optionen werden zum Xetra-Handelsschluss festgestellt, die für die Index-Optionen und -Futures schon am Mittag ab 13.00 Uhr.
- Die Umsätze sind an Verfallstagen selbst meist relativ hoch. Beim Verfall der März-Kontrakte wurden im Dax 359 Mio. Aktien für 9,3 Mrd. Euro gehandelt. Der Dax stand seinerzeit allerdings rund 1000 Punkte höher bei 7157 Zählern.
EZB-Chef . "Das Eurosystem wird weiter Liquidität an kreditwürdige Banken bereitstellen, wenn das notwendig ist", kündigte der Italiener in Frankfurt an. Sein japanischer Kollege Masaaki Shirakawa ergänzte, die Notenbanken stünden in engem Kontakt und beobachteten die Lage genau.
Gerüchte um Notenbank-Intervention
Den Gerüchten zufolge bereiten sich die globalen Notenbanken auf ein koordiniertes Einschreiten vor, um bei Bedarf frisches Geld in den Markt zu pumpen, um so eventuelle Kursturbulenzen nach den Griechenland-Wahlen am Wochenende abzufedern. Das beruhigte einerseits die Nerven, andererseits warnten Analysten aber auch der beschränkten Wirkung eines solchen Geldregens.
Diese Maßnahme könne allenfalls eine kurzfristige sein, schrieb Steen Jakobsen, Chef-Ökonom der Saxo Bank, in einem Marktkommentar. "Wenn allein Liquidität zur Überwindung dieser Krise benötigt würde, wäre sie schon vor langer Zeit gelöst worden." Allein die Europäische Zentralbank (EZB) hat der Finanzbranche in den vergangenen Monaten Billig-Kredite im Volumen von gut einer Billion Euro zur Verfügung gestellt. Jakobsen will sich bis Montag mit Engagements zurückhalten. "Aber für Dienstagmorgen sieht alles nach Verkauf aus."
Griechenland trifft Hexensabbat
Neben geldpolitischen Hoffnungen wirkte sich auch die Erwartung "gesichtswahrender Zugeständnisse der EU für Griechenland" aus, um dort eine Regierungsbildung zu erleichtern. Einen "Grexit" preise der Markt nun zunehmend wieder aus, hieß es. Am Sonntag entscheiden die Griechen über eine neue Regierung - und damit möglicherweise über die Zukunft der Währungsunion.
Neben Griechenland richteten Anleger ihr Augenmerk auf den großen Verfall an den Terminmärkten, den sogenannten Hexensabbat. Dieser sorgt üblicherweise für steigende Umsätze und größere Kursausschläge, weil Investoren die Kurse von Papieren, auf die sie Derivate halten, in eine für sie günstige Richtung bewegen wollen. Am Mittag verfielen Futures und Optionen auf Indizes, zum Xetra-Schluss sind Optionen auf einzelne Aktien an der Reihe.
Mit rund 3,8 Milliarden Euro lag das Volumen aller gehandelten Dax-Werte am frühen Nachmittag rundzweieinhalb Mal so hoch wie zur gleichen Zeit am Vortag.
Bankenwerte gefragt
Insbesondere die Pläne der britischen Regierung und der Bank of England zur Stützung des heimischen Bankensektors führten zu erheblichen Kursaufschlägen bei Bankenaktien. Insgesamt 100 mrd. Pfund sollen dazu verwendet werden, eine Kreditklemme zu verhindern bzw. um die Wirtschaft zu unterstützen. "Die Maßnahmen sollten helfen, den Druck auf den Bankensektor zu lindern", sagt Capital Economics. Nicht nur die heimischen banken BArclays und HSBS pofitierten.
Der europäische Bankenindex insgesamt 1,3 Prozent. Commerzbank und Deutsche Bank sahnten mit einem Plus von 5,7 bzw. 2,4 Prozent im Dax ab.
Die zuletzt sehr stark gefallenen Stahltitel von ThyssenKrupp setzten im freundlichen Markt zur Erholung an und gewannen an der Dax-Spitze 3,5 Prozent hinzu.
Papiere von Fresenius Medical Care (FMC) gaben dagegen am Indexende um 1,6 Prozent nach. Ein Börsianer machte einen Medienbericht über Ermittlungen der US-Gesundheitsbehörde FDA dafür verantwortlich.
Quelle: ntv.de, DJ/dpa/rts