Marktberichte

Sturm aus den USA Dax im freien Fall

Ein erneuter Kursrutsch bei den Finanzwerten hat den Dax auf den tiefsten Stand seit August 2004 gedrückt: Der Index ging mit einem Minus von 3,4 Prozent bei einem Stand von 3710,01 Punkten aus dem Handel. Zwischenzeitlich hatte er die Marke von 3700 Punkten unterschritten und war bis auf 3692 Zähler gestürzt. Beim MDax ging es um 3,6 Prozent auf 4440,94 Punkte nach unten. Der TecDax verlor 4,6 Prozent auf 423,5 Punkte.

Auslöser der Talfahrt waren zunächst die Nachrichten zur Teilverstaatlichung der amerikanischen Citigroup Ende vergangener Woche. Aussagen von Commerzbank-Chef Martin Blessing, wonach das Institut auf weitere Staatshilfen angewiesen sein könnte, drückten zumindest auf dem Frankfurter Parkett die Stimmung zusätzlich.

Später trübten US-Konjunkturdaten die Stimmung. Die Bauausgaben waren im Januar auf den tiefsten Stand seit mehr als vier Jahren gesunken. Das US-Handelsministerium in Washington wies am Montag ein Minus zum Vormonat von 3,3 Prozent aus nach einem Rückgang von 2,4 Prozent im Dezember. Der ISM-Index überraschte zwar leicht positiv, doch das konnte dem Dax nicht helfen.

Gro ße Unsicherheit

"Es gibt eine ganze Serie von Gründen, jedes Risiko zu meiden", sagte UBS-Währungsstratege Geoffrey Yu. "Die Nachrichten von AIG, HSBC und die Sorgen über Osteuropa kommen derzeit dem Dollar zugute." Der taumelnde Versicherungsgigant AIG wies einen Rekord-Quartalsverlust von fast 62 Mrd. US-Dollar aus und braucht nun zum dritten Mal Staatshilfen. In Großbritannien kämpft Europas größte Bank HSBC mit rasant steigenden Kreditausfällen in den USA und plant deshalb die größte Kapitalerhöhung der britischen Wirtschaftsgeschichte. Anleger ziehen in solchen Krisenzeiten die liquideste Währung vor, wie Händler erläutern.

"Nach den Nachrichten zur Citigroup ist die Einschätzung entstanden, dass das amerikanische Finanzsystem taumelt und entweder weiter Staatshilfen braucht oder sogar komplett verstaatlicht werden muss", meinte Merck-Finck-Analyst Konrad Becker. "Das lässt natürlich nichts Gutes ahnen." Inzwischen könne auch für hiesige Banken nichts mehr ausgeschlossen werden.

"Eigentlich ist der Dax mit seinem 20-prozentigen Minus in den vergangenen drei Wochen total überverkauft", sagte ein Händler. "Dennoch ist keiner bereit, wieder einzusteigen, denn die Aussichten für die kommenden Wochen sind unklarer denn je. Zwischen 2800 und 4000 Punkten wird für diesen Zeitraum derzeit so ziemlich jedes Kursziel genannt." Ein großer Ausverkauf bei hohen Umsätzen sei jedoch nicht zu befürchten. "Die meisten Institutionellen Anleger haben ihre Aktienquote bereits deutlich heruntergefahren", betonte ein anderer Börsianer.

Finanzwerte unter Druck

Finanzwerte gerieten besonders unter Druck, sie litten unter andauernden Sorgen über weiteren Kapitalbedarf in der Branche. Dass die Finanzbranche immer mehr und immer neues Geld benötige, sei ein eindeutiger Belastungsfaktor für die Aktien von Banken und Versicherern, hieß es am Markt unter Verweis auf die Kapitalerhöhung der britischen Großbank HSBC.

So sackten die Aktien der Commerzbank um 7,3 Prozent ab, für die Titel der Deutschen Bank ging es um 5,4 Prozent abwärts. Postbank verbilligten sich um 6,7 Prozent.

Die HSBC braucht nach einem Gewinneinbruch frisches Kapital und plant daher mit mehr als zwölf Mrd. die größte Kapitalerhöhung in der Geschichte Großbritanniens. "Das Problem ist, dass HSBC zu den am besten aufgestellten Banken zählt", sagte Matt Buckland, Aktienhändler bei CMC Markets. Ein solch hoher Kapitalbedarf schockiere daher umso mehr.

Die Verluste bei der Commerzbank begründete weiterer Händler zudem mit Aussagen von Bankchef Martin Blessing, denen zufolge er weiteren Kapitalbedarf vom Staat nicht ausschließt: Zwar habe man momentan eine "angemessene Kapitalausstattung, aber niemand weiß, was in dieser Krisenzeit auf die Banken zukommen kann." Ein Börsianer kommentierte: "Zwar hat Blessing lediglich frühere Aussagen wiederholt, dennoch klingen die Bemerkungen natürlich nicht sehr zuversichtlich."

Die Schwierigkeiten von AIG lasteten auf den Versicherern. Allianz gaben 4,1 Prozent ab, Münchener Rück büßten 4,9 Prozent ein. "Für die deutschen Versicherer kann man das aber auch positiv sehen", kommentierte ein Händler. "Sie werden AIG sicher den einen oder anderen Kunden abjagen können."

Autowerte im Blick

Europas größer Autobauer Volkswagen hat die Konkurrenz mit einem Gewinnplus im vergangenen Jahr in den Schatten gestellt und hebt die Dividende an. Die Aktien gaben dennoch leicht nach. Händler verwiesen auf die fehlende Prognose. Porsche stiegen nach Zahlen ins Plus und gewannen 0,2 Prozent. "Der Umsatz ist etwas besser als erwartet ausgefallen", kommentierte ein Händler die vorläufigen Zahlen zum ersten Geschäftshalbjahr. Daher erhole sich die Aktie etwas von ihren jüngsten Tiefständen.

Infineon gewannen 5,6 Prozent. Händler konnten keine fundamentalen Gründe für die Entwicklung ausmachen. "Ich tippe auf Anpassungen, weil nach dem Rauswurf der Aktie aus dem MSCI am Freitag vielleicht zu viel verkauft worden ist", mutmaßte einer mit Blick auf den mehr als dreiprozentigen Kursverlust vor dem Wochenende. Ein anderer Börsianer sprach von "Zockerei" bei der Aktie des Halbleiter-Herstellers, die am 23. März wohl auch den Dax verlassen muss.

Einer der wenigen Gewinner am deutschen Aktienmarkt war auch Continental. Die im MDax notierten Papiere des Autozulieferers verteuerten sich um 4 Prozent, nachdem in einem Zeitungsbericht ein Szenario für eine Loslösung vom Großaktionär Schaeffler gezeichnet wurde. "Für Conti wäre die Trennung von Schaeffler das Beste", sagte ein Analyst. "Die Situation ist allerdings vertrackt". Dem Bericht zufolge könnten die Banken Schaefflers Conti-Anteile übernehmen und anschließend ihre Beteiligung durch eine Kapitalerhöhung unter 50 Prozent drücken. "Ich kann mir gut vorstellen, dass es genügend Anleger gibt, die Papiere einer eigenständigen Conti zeichnen wollen", betonte der Analyst.

Praktiker gehörten zu den Schlusslichtern im MDax. Die Baumarktkette verzeichnete im vergangenen Geschäftsjahr einen Gewinneinbruch und verfehlte auch die eigenen Ziele. Die starken Abwertungen der osteuropäischen Währungen hätten zu hohen Aufwendungen im Finanzergebnis geführt, teilte die stark in Osteuropa engagierte Praktiker Bau- und Heimwerkermärkte Holding AG mit. Die im Nebenwerteindex MDax büßte bis Handelsschluss knapp 8,0 Prozent ein.

Quelle: ntv.de

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