"Die Angst ist zurück" Dax rettet 6300 Punkte
10.07.2008, 17:50 UhrNeue Hiobsbotschaften aus den USA haben dem deutschen Aktienmarkt am Donnerstag kräftig zugesetzt. Die Börsianer trieb die akute Angst vor einer Pleite der US-Immobilienfinanzierer Freddie Mac und Fannie Mae um. Nur mit letzter Kraft rettete sich der Dax über die Marke von 6300 Punkten.
Der Dax beendete den elektronischen Handel mit einem Minus von 1,3 Prozent auf 6305 Zähler. Der MDax verlor 0,8 Prozent auf 8588,88 Punkte. Der TecDax brach um 2,4 Prozent auf 721,32 Punkte ein.
"Die Angst ist zurück", fasste ein Händler das Marktgeschehen und den rapiden Dreh der Aktienmärkte ins Minus zusammen. "Hier kommt gerade ein Gerücht nach dem anderen", sagte ein Händler, "aber das sind alles nur Versuche, der Angst konkrete Namen zu geben". Nach den Aussagen des ehemaligen Präsidenten der Federal Reserve Bank von St. Louis, William Poole, sind die beiden halbstaatlichen Hypothekenfinanzierer Fannie Mae und Freddie Mac bankrott. Nach dem fairen Wert bei der Rechnungslegung sei Freddie Mac insolvent, der faire Wert von Fannie Mae könne im kommenden Quartal sogar negativ sein, erklärte Poole. Daher müsse der Kongress anerkennen, dass beide Hypothekenfinanzierer zahlungsunfähig seien.
Unterstützung bekamen die Aktienbörsen hingegen von der Absicht des BASF-Konkurrenten Dow Chemical, für 18,8 Mrd. US-Dollar in bar das Spezialchemieunternehmen Rohm & Haas zu übernehmen. "Die Übernahme zeigt, dass doch noch etwas geht", sagte ein Händler. Zwischenzeitlich half die Merger-Nachricht BASF ins Plus, bei Handelsschluss notierte die Aktie jedoch wieder 0,6 Prozent im Minus bei 41,23 Euro. Im MDax zogen hingegen Altana um 4,7 Prozent auf 11,21 Euro und Lanxess um 0,5 Prozent auf 25,81 Euro an.
Negative Analystenkommentare zu Henkel oder Beiersdorf gossen Öl ins Feuer derjenigen, die für Europa mit einer Konsumflaute rechnen. So fielen Henkel im Dax um 4,3 Prozent und führten damit die Verliererliste an. Die im MDax gelisteten Beiersdorf-Aktien verloren 3,5 Prozent. Wenig en vogue waren auch die Aktien des Autozulieferers Continental, die mit einem Minus von 3,5 ebenfalls weit oben auf der Verliererliste notierten. Händlern zufolge breitet sich Skepsis zur weiteren Geschäftsentwicklung aus.
Gefragt waren die Aktien des Dialysespezialisten Fresenius Medical Care, die mit einem Aufschlag von 5,3 Prozent an der Dax-Spitze standen. Händler verwiesen auf eine Studie der Citigroup, die ihre Kaufempfehlung bestätigt hat.
Spekulationen rund um die Dresdner Bank und die Postbank sorgten erneut für Kursbewegungen. Die Commerzbank-Aktien legten 1,1 Prozent zu. Die Aktien des Dresdner-Bank-Mutterkonzerns Allianz stiegen zeitweilig um 1,3 Prozent, mussten bis Handelsschluss jedoch einen Rücksetzer um 0,5 Prozent verkraften.
Die Papiere der Lufthansa standen mit einem Minus von 2,2 Prozent stärker als der Gesamtmarkt unter Druck. Die Tarifverhandlungen mit der Gewerkschaft Verdi sind nach Angaben der Airline gescheitert. Nun wollen die Arbeitnehmervertreter so schnell wie möglich zur Urabstimmung rufen und in einen unbefristeten Streik treten.
Spekulationen um Norddeutsche Affinerie
Im MDax löste ein Zeitungsbericht Spekulationen auf eine Übernahme der Norddeutschen Affinerie durch Salzgitter aus. Der Stahlkonzern kommentierte den Bericht nicht. Die österreichische A-Tec bestätigte, ihren NA-Anteil verkauft zu haben, nannte aber weder Preis noch Käufer. NA stiegen zeitweise um 18,6 Prozent auf ein Rekordhoch von 38,69 Euro. Bis Handelsschluss blieb noch ein Plus von sieben Prozent übrig. Salzgitter gaben 0,1 Prozent nach.
Unter den Nebenwerten gaben die Aktien von Tognum um mehr als zehn Prozent nach. Die Deutsche Bank hatte die Aktie des Motorenherstellers von "Buy" auf "Hold" abgestuft und das Kursziel von 24,00 auf 18,50 Euro gesenkt. Zur Begründung verwiesen die Analysten auf den weiter schwachen US-Dollar, der Risiken für Tognum berge.
Dicht hinter Tognum folgten die Papiere von Heidelberger Druck mit minus 8,8 Prozent. Nach einem hohen Verlust im ersten Geschäftsquartal von April bis Juni rechnet das Unternehmen auch im Gesamtjahr mit weniger Umsatz und Gewinn. UniCredit-Analyst Peter Rothenaicher senkte in einer ersten Reaktion das Kursziel von 16 auf 14 Euro, hielt an der Einschätzung "Hold" aber fest. Die Zahlen und der Ausblick seien einmal mehr eine Enttäuschung, schrieb er und kündigte eine Senkung seiner Umsatz- und Gewinnschätzungen an.
Die Titel von Südzucker sprangen hingegen zwischenzeitlich um rund fünf Prozent an, konnten dieses Plus jedoch nicht halten. Europas größter Zuckerkonzern hat im ersten Quartal 2008/09 Umsatz und Gewinn gesteigert und die Erwartungen von Experten übertroffen. Händler lobten das Zahlenwerk. Optimistisch äußerte sich auch Analyst Alexander Stiehler von der UniCredit. Der Überschuss habe seine Erwartungen und die durchschnittlichen Marktschätzungen klar übertroffen.
Im TecDax legten Conergy um 3,9 Prozent zu. Das Solarunternehmen wird von seinem Lieferanten MEMC deutlich weniger so genannter Wafer für die Produktion von Solarzellen abnehmen als bislang vereinbart. Das Umsatzvolumen über die insgesamt zehnjährige Laufzeit des Vertrags ist nach Angaben von Conergy auf maximal vier Mrd. US-Dollar statt der bisher genannten sieben bis acht Mrd. US-Dollar festgeschrieben.
Quelle: ntv.de