Katalonien bittet um Hilfe Dax rettet sich über die Linie
28.08.2012, 18:00 Uhr
Insgesamt ein schwächer Tag - mit einem versöhnlichen Tendenz am Ende.
(Foto: REUTERS)
Der zweite Handelstag der Woche endet am deutschen Aktienmarkt mit überschaubaren Kursverlusten. Der Leitindex Dax schließt um Haaresbreite über der psychologisch bedeutsamen Marke von 7000 Punkten. Doch die Stimmung ist angeschlagen: Der US-Konsum lahm, die Umsätze an der Börse bleiben außergewöhnlich niedrig.
Neue Sorgen um Spanien und Gewinnmitnahmen nach einem positiven Wochenstart haben dem deutschen Aktienmarkt am Dienstag zugesetzt. Höhere Verluste wurden Marktbeobachtern zufolge von der anhaltenden Spekulation auf deutliche Zentralbank-Interventionen verhindert.
Der Dax hielt sich während des gesamten Handelstages in der Nähe der psychologisch bedeutsamen Kursschwelle bei 7000 Punkten. Zum Handelsschluss konnte sich der deutsche Leitindex mit einem Minus von 0,64 Prozent nur knapp darüber bei 7002,68 Punkte in den Abend retten. Die mittelgroßen Standardwerte im MDax gaben um 0,54 Prozent auf 11.001,83 Punkte nach. Für den Technologie-Index TecDax ging es um 0,15 Prozent auf 791,19 Punkte nach unten.
Ein Auslöserr für die neue Unruhe machten Beobachter in Spanien aus: Die Region hat bei der spanischen Zentralregierung um Finanzhilfe gebeten. Die wirtschaftliche stärkste Region des Landes will mehr als fünf Milliarden Euro aus dem staatlichen Hilfsfonds abrufen. Die Regierung in Madrid ließ zunächst offen, inwieweit dieser Schritt die finanzielle Lage des Euro-Landes insgesamt beeinträchtigt
"Durch das Hilfsgesuch Kataloniens wird ein Antrag Spaniens auf Gelder aus dem europäischen Rettungsfonds wahrscheinlicher", sagte Aktienstratege Jörg Rahn von Marcard Stein & Co. "Immerhin muss der Staat jetzt Gelder aufbringen, die nicht eingeplant waren. Außerdem schürt der Antrag aus Katalonien die Erwartung, dass da womöglich noch andere Regionen folgen werden." EU-Ratspräsident Herman van Rompuy sicherte den ebenfalls in Schieflage geratenen spanischen Banken schnelle Hilfe zu.
Der Eurostoxx50 verlor 0,8 Prozent auf 2442 Zähler. An den US-Börsen tendierten die Kurse nur wenig verändert. Schlechte Nachrichten kamen am Nachmittag aus dem Inneren der US-Wirtschaft: Im August hat sich die Konsumstimmung spürbar verschlechtert. Das US-Verbrauchervertrauen trübte sich von korrigiert 65,4 (zunächst 65,9) Punkten im Vormonat auf 60,6 Zähler ein, wie das private Forschungsinstitut Conference Board mitteilte. Das ist der niedrigste Stand seit Oktober 2011. Die Markterwartungen wurden klar verfehlt: Bankvolkswirte hatten für den wichtigen Konjunkturindex mit einem leichten Anstieg auf 66,0 Punkte gerechnet.
Anders sieht es in Deutschland aus: Trotz zunehmender Sorgen um die wirtschaftliche Zukunft sind die Deutschen weiterhin in Kauflaune. Wie das Marktforschungsunternehmen GfK am Dienstag in Nürnberg mitteilte, verharrt der auch für September unverändert auf dem Niveau des Vormonats.
Im Mittelpunkt des deutschen Marktgeschehens standen am Dienstag die im MDax gelisteten Aktien von Douglas. Der Finanzinvestor Advent kommt einer näher. Advent International verhandelt mit zwei Douglas-Großaktionären, die dem Investor zu einer Beteiligung von gut 50 Prozent verhelfen könnten. Die Gespräche seien weit fortgeschritten, kurzfristig sei aber kein Abschluss mit dem Drogerie-Unternehmer Erwin Müller und dem Oetker-Konzern zu erwarten. Die "Financial Times Deutschland" berichtete, Advent sei bereit, 38 bis 40 Euro je Douglas-Aktie zu zahlen. Es sei durchaus realistisch, dass der Investor über den Kauf der Anteile von den Großaktionären Erwin Müller und Oetker zumindest die Mehrheit an der Douglas Holding erreichen könnte, erklärte DZ-Bank-Analyst Holger Schwesig. Die Douglas-Aktie gewann zeitweise bis zu 12,9 Prozent und schloss mit einem Aufschlag von 5,5 Prozent bei 35,60 Euro.
Bergab ging es dagegen mit den Papieren von Rhön-Klinikum, die 4,9 Prozent auf 19,14 Euro verloren. Insidern zufolge fordert Fresenius bei der geplanten Übernahme des Klinikbetreibers den Rücktritt des Aufsichtsrates. Bei Teilen des Rhön-Aufsichtsrates, der noch bis Frühjahr 2014 gewählt ist, gebe es jedoch Widerstand gegen diese Pläne, hieß es aus dem Umfeld der beteiligten Unternehmen.
Im Dax gehörten die Lufthansa-Aktien mit minus 0,8 Prozent zu den Verlierern. Die Flugbegleiter-Gewerkschaft Ufo erklärte, sie bereite bei der Fluggesellschaft vor. Die Lufthansa fürchtet hohe Einbußen in Millionen-Höhe. "Wenn es eine große Unsicherheit darüber gibt, wie lang der Streik anhält, dann wird es schwierig für die Lufthansa", sagte Aktienstratege Rahn.
Auf der sehr kurzen Dax-Gewinnerliste standen nach Kaufempfehlungen der Deutschen Bank die Aktien von Henkel und Beiersdorf, die um 1,2 und 0,5 Prozent zulegten. Trotz der jeweils mehr als 30-prozentigen Kursrally seit Jahresbeginn hätten die beiden "deutschen Schönheiten" noch viel Luft nach oben, schrieb Analyst Harold Thompson in einem Kommentar. Grund seien die Aussichten auf eine deutliche Steigerung der Gewinnmargen. Sowohl bei Beiersdorf als auch bei Henkel seien Spannen von 16 Prozent drin, bei letzteren sogar noch etwas mehr, schrieb Thompson, der bislang den Kunden ein Halten der Aktien empfohlen hatte.
Die Papiere des Windkraftanlagenherstellers Nordex zogen im Schatten der Aktien des dänischen Wettbewerbers Vestas um 4,04 Prozent an und waren damit Tagesgewinner im TecDax. Vestas-Papiere profitierten von Spekulationen über eine strategische Partnerschaft mit Mitsubishi Heavy Industries und gewannen mehr als 17 Prozent.
Außergewöhnlich niedrige Umsätze
Wie verunsichert die Anleger am deutschen Aktienmarkt sind, ließ sich Händlern zufolge auch an den extrem geringen Umsätze der vergangenen Wochen ablesen. So schrumpfte der Umsatz mit Dax-Aktien im Durchschnitt der vergangenen 30 Tage auf nur noch 2,7 Mrd. Euro von 4,7 Mrd. Euro vor Jahresfrist. Wegen eines Feiertages in Großbritannien waren am Montag die Umsätze auf den niedrigsten Stand des Jahres auf nur noch 87 Mio. Aktien für 1,42 Mrd. Euro gesunken - selbst an Pfingstmontag war mit 89 Mio. Aktien für 1,47 Mrd. Euro mehr umgesetzt worden. Am Dienstag lag der Umsatz zum Handelsschluss bei 1,7 Mrd. Euro.
Vor dem immer näher rückenden Treffen von Notenbankern und Politikern in Jackson Hole in Wyoming am Freitag steige die Nervosität, hieß es aus dem Handel. "Zweimal kamen heute knapp unter 7000 Punkten wieder Käufer an den Markt, diese Unterstützung scheint nun zu bröckeln", sagte ein Händler.
"Der Markt ist aus rein technischer Sicht reif für eine Konsolidierung", erklärte ein Händler mit Blick auf die Kursgewinne von mehr als neun Prozent in den vergangenen fünf Wochen. "Die Entwicklung der vergangenen Wochen steht auf tönernen Füßen", fügte er hinzu. Schließlich sei das Plus lediglich auf die Hoffnung zurückzuführen, die Europäische Zentralbank (EZB) könnte noch im Herbst mit massive Stützungsmaßnahmen den Euro-Krisenländern zur Hilfe eilen. Die meisten Marktteilnehmer dürften auf klare Signale zur Lösung der Schuldenkrise in der Eurozone und Hinweise auf die weitere Zinspolitik der US-Notenbank (Fed) warten, hieß es.
Auch die wichtigsten europäischen Börsen präsentierten sich am Dienstag im Minus. Der CAC-40-Index in Paris sank um 0,83 Prozent und der Londoner FTSE 100 ging um 0,24 Prozent zurück. In New York zeigte sich der Dow Jones kurz nach dem europäischen Handelsschluss etwas leichter.
Am Rentenmarkt stieg die Umlaufrendite börsennotierter Bundeswertpapiere auf 1,09 (Montag: 1,08) Prozent. Der Rentenindex Rex fiel um 0,29 Prozent auf 134,82 Punkte. Der Bund Future gewann 0,11 Prozent auf 143,93 Punkte. Der Kurs des Euro stieg: Die Europäische Zentralbank setzte den Referenzkurs auf 1,2548 (1,2530) US-Dollar. Der Dollar kostete damit 0,7969 (0,7981) Euro.
Quelle: ntv.de, mmo/DJ/dpa/rts