"Die Stimmung hat sich gedreht" Dax schließt hoffnungsfroh
18.10.2012, 18:30 Uhr
Momentaufnahme aus Spanien: Die Bond-Auktion beginnt, Madrid wagt sich mit zehnjährigen Schuldscheinen an den Kapitalmarkt. Nervös verfolgen Händler den Verlauf.
(Foto: REUTERS)
Die Erleichterung der Anleger ist am Aktienmarkt nicht zu übersehen: Eine erfolgreiche Bond-Auktion in Spanien verhilft dem deutschen Leitindex über die Marke von 7400 Punkten. Am Nachmittag entwickeln unverhofft starke Konjunktursignale aus den USA zusätzlichen Rückenwind.
Überraschend freundliche Konjunkturdaten aus den USA und eine zufriedenstellend verlaufene Auktion spanischer Staatsanleihen haben den deutschen Aktienmarkt weiter in Richtung Jahreshoch getrieben.
Der Dax überwand die Kursschwelle bei 7400 Punkten und ging am Abend mit einem Aufschlag von 0,58 Prozent bei 7437,23 Punkten aus dem Handel. Das bisherige Jahreshoch liegt bei 7478,53 Zählern und stammt vom 21. September. Der MDax der mittelgroßen Werte schloss kurz nach Beginn des großen EU-Gipfels nahezu unverändert bei 11.556,11 Punkten. Immerhin konnte er damit die Kursgewinne des Vortages verteidigen: Zur Wochenmitte hatte der Nebenwerteindex den höchsten Stand seit seiner Einführung 1996 erreicht. Für den TecDax ging es dagegen am Donnerstag mit minus 0,05 Prozent minimal nach unten auf 826,82 Punkte.
"Die Stimmung hat sich in den letzten Tagen wirklich gedreht", kommentierte Händler Thorsten Engelmann von der Equinet Bank. Für Kauflaune sorgte an diesem Donnerstag vor allem die erfolgreiche Auktion . Das südeuropäische Land muss für Anleihen mit Laufzeiten von bis zu zehn Jahren inzwischen deutlich weniger zahlen als bisher. Zudem hatte sich in den USA das Geschäftsklima in der Region Philadelphia im Oktober überraschend deutlich aufgehellt.
"Tatsachen werden ignoriert"
Im Blick hatten die Anleger vor allem den bis Freitag andauernden Gipfel der in Brüssel. Der Optimismus sei hoch, "obwohl von den Verantwortlichen bereits vorsorglich verlautbart wurde, konkrete Beschlüsse aus Brüssel sollten nicht unbedingt erwartet werden", hieß es in einem Kommentar der Metzler Bank. "Die Anleger am deutschen Aktienmarkt wollen vom EU-Gipfel einfach gute Nachrichten hören", sagte ein Börsianer. "Tatsachen wie die noch immer bestehende Uneinigkeit zwischen Deutschland und Frankreich werden einfach ignoriert."
Deutschland dringt vor allem auf eine stärkere Verbindlichkeit der wirtschaftspolitischen Reformzusagen, die Regierung in Paris verlangt dagegen eine Entscheidung für eine Bankenunion, die den Weg für weitergehende Hilfen an Krisenstaaten ebnen soll.
Neben der Bankenunion bewegten aber auch Griechenland und Spanien die Gemüter. Börsianer warten darauf, ob das Treffen Neues zu einem möglichen Hilfsantrag Spaniens oder zu weiteren Finanzhilfen für Griechenland bringen wird. Sollte Spanien um Hilfe bitten, könnte das die Kurse stützen, sagte Aktienstratege Heinz-Gerd Sonnenschein von der Postbank. An den Märkten wird seit Wochen spekuliert, dass das hoch verschuldete Land mit einem Hilfsantrag an den europäischen Rettungsfonds ESM den Weg für die Europäische Zentralbank (EZB) freimachen wird, ihr neues Anleihekaufprogramm OMT zu starten.
In der Arena der Einzelwerte
Spitzenwert im Dax waren die Papiere von Infineon mit plus 3,3 Prozent auf 5,391 Euro. Händler sprachen vor allem von einem Nachholbedarf der Aktien. Im September waren sie nach einer Gewinnwarnung des Münchener Halbleiterherstellers eingebrochen und konnten sich seither noch nicht wieder vollständig von den Verlusten erholen.
Seit Montag haben die Infineon-Papiere bereits gut neun Prozent zugelegt, der Dax kommt im gleichen Zeitraum auf ein Plus von 2,8 Prozent. Händler verwiesen auf Erholungseffekte und die am Donnerstag vermeldete Erhöhung des Stimmrechtsanteils von Vermögensverwalter Blackrock. Ende September hatte das Unternehmen noch erklärt, es sei mit einem schwachen Weihnachtsquartal zu rechnen.
Die Daimler-Aktien stiegen um 2,4 Prozent. Der Autobauer will den Gürtel laut einem Bericht des "Manager Magazins" noch deutlich enger schnallen als bislang vermutet.
Eine Studie der US-Investmentbank Merrill Lynch verhalf den Aktien von Wincor Nixdorf zu einem Kurssprung von knapp 11,3 Prozent. Damit waren sie Spitzenwert im MDax. Analyst Claus Roller hob vor allem das Gewinnpotenzial im Segment Mobile Zahlungssysteme hervor. Dabei geht es vor allem um ein neues Bezahlsystem von Wincor für Mobiltelefone, das auf der Android-Software von Google basiere und Wincor den Weg in neue Geschäftsfelder ebnen könnte.
Am MDax-Ende hingegen büßten die Anteilsscheine von HHLA 5,1 Prozent ein. Nachdem am Vortag das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig die geplante Elbvertiefung vorläufig gestoppt und damit einem Eilantrag von Natur- und Umweltschutzvereinigungen stattgegeben hatte, folgten negative Analystenkommentare über das Papier des Hamburger Hafenbetreibers.
Im SDax brachen die Aktien von Delticom um 11,64 Prozent ein. Der Internet-Reifenhändler hatte am Vorabend sehr schwache Zahlen für das dritte Quartal gemeldet und zum zweiten Mal in diesem Jahr seine Prognosen gesenkt.
Paris und London im Plus
Der Eurostoxx50 stieg um 0,17 Prozent auf 2574,19 Punkte. Für den CAC 40 in Paris und den FTSE 100 in London ging es ebenfalls nach oben. In New York lag der Dow Jones Industrial zum Handelsschluss in Europa minimal im Plus.
In der Liga der europäischer Einzelwerte sorgten einige Quartalsberichte für Enttäuschung. In Paris fielen die Aktien von Remy Cointreau um bis zu 8,4 Prozent, nachdem der Spirituosen-Hersteller im zweiten Quartal ein rückläufiges Umsatzwachstum vermeldet hatte.
Ebenfalls in Rutschten gerieten Akzo Nobel: Tiefrote Quartalszahlen beim weltgrößten Farbenhersteller drückten die Aktien vier Prozent ins Minus. Der BASF-Konkurrent hat wegen hoher Abschreibungen auf sein schwächelndes Geschäft mit Wandfarben ("Dulux") in Europa einen Milliardenverlust verbucht. BASF schlossen ein Prozent fester.
Zunächst deutlich im Plus lagen die Aktien des angeschlagenen Handy-Riesen Nokia. Der Fehlbetrag pro Aktie fiel im dritten Quartal nicht ganz so hoch aus wie von den Analysten erwartet. Die Papiere stiegen um bis zu 10,2 Prozent auf 2,42 Euro, den höchsten Stand seit mehr als sechs Wochen. Aus dem Handel gingen sie allerdings nur ein Prozent höher.
Auf keinen grünen Zweig kamen die Aktien der ältesten Bank der Welt, der italienischen Banca Monte dei Paschi di Siena. Moody's stufte die Kreditwürdigkeit des drittgrößten Geldhauses des Landes auf Ramschniveau herab. Nach Einschätzung der Ratingagentur benötigt das ehrwürdige Finanzinstitut mehr staatliche Hilfe als die bereits beantragten 1,5 Milliarden Euro. Die Aktie fiel um 6,4 Prozent auf 0,23 Euro.
Starke Vorgaben am Morgen
Das im dritten Quartal geschrumpfte Wirtschaftswachstum in ließ die Anleger weitgehend kalt. Die Wirtschaftleistung hatte sich zum siebten Mal in Folge abgeschwächt. Mit einem Zuwachs von 7,4 Prozent verfehlte die Wirtschaft das von der Regierung gesetzte Ziel. Analysten werten die Zahlen allerdings als Zeichen für eine Stabilisierung. Zudem waren andere Wirtschaftsdaten - wie die Industrieproduktion und der Einzelhandelsumsatz - besser ausgefallen als erwartet.
Die mit Spannung erwartete Auktion der spanischen Staatsanleihen verlief am Vormittag zufriedenstellend. Die Nachfrage bewerten Markteilnehmer als gut. Bemerkenswert sei vor allem die Auktion der zehnjährigen Papiere gewesen, hieß es. "Die Nachfrage war mit einem Bid/Cover-Ratio von 1,88 sehr gut", sagt ein Marktteilnehmer. Die Rendite fiel gegenüber der letzten Auktion auf 5,5 nach 5,7 Prozent. "Einige Marktteilnehmer haben die Chance genutzt, Short-Positionen zu schließen", so ein Händler.
Am deutschen Anleihemarkt stieg die Umlaufrendite börsennotierter Bundeswertpapiere von 1,28 Prozent am Vortag auf 1,34 Prozent. Der Rentenindex Rex fiel um 0,13 Prozent auf 133,49 Punkte. Der Bund Future aber legte um 0,15 Prozent auf 139,80 Punkte zu.
Der Kurs des Euro sank minimal: Die Europäische Zentralbank (EZB) setzte den Referenzkurs auf 1,3118 (Mittwoch: 1,3120) Dollar fest. Der Dollar kostete damit 0,7623 (0,7622) Euro.
Quelle: ntv.de, DJ/dpa/rts