Tief enttäuscht ins Wochenende Dax schließt im Minus
04.06.2010, 18:15 UhrKonjunkturdaten aus den USA deuten auf eine bestenfalls gebremste Erholung der amerikanischen Wirtschaft hin. Warnungen aus Ungarn sorgen am deutschen Aktienmarkt für zusätzliche Unruhe. Der Dax beendet den letzten Handelstag der Woche unterhalb der Marke von 6000 Punkten.

"Ungarn selbst ist viel zu klein um den Akteuren irgendeinen Schaden zuzufügen."
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Der enttäuschende Bericht vom US-Arbeitsmarkt und die Sorge um eine Ausweitung der Schuldenkrise auf Osteuropa haben die Anleger am deutschen Aktienmarkt verunsichert. Mit Bekanntgabe der US-Jobdaten brach der Dax scharf ein. Am Ende des Tages ging der Leitindex 1,9 Prozent tiefer bei 5938 Zähler Punkten aus dem Handel. Auf Wochensicht gab der Dax damit lediglich 0,1 Prozent nach. Der MDax schloss 2,29 Prozent im Minus bei 7943 Punkten. Der TecDax verlor 1,38 Prozent auf 746 Zähler.
"Das war ein richtiger Schock für den Markt", kommentierte ein Händler die Arbeitslosendaten für Mai aus den USA. Schon zuvor war der Markt angegriffen gewesen, nachdem Ungarn ein überraschend großes Haushaltsloch eingestanden hatte. Der EuroStoxx50 für die Euro-Zone büßte 3,2 Prozent auf 2549 Punkte ein. Auch der Euro geriet erneut unter Druck und fiel auf bis zu 1,9494 Dollar.
Die Lage am US-Arbeitsmarkt hellte sich im Mai zwar weiter auf, doch der Anstieg der Beschäftigtenzahl um 431.000 blieb deutlich hinter den Erwartungen des Marktes zurück. "Das zeigt, dass es in der Wirtschaft begrenzte Möglichkeiten zur Fortsetzung des Jobwachstums gibt", sagte Marktstratege Joseph Battipaglia vom US-Brokerhaus Stifel Nicolaus. "Das lässt Zweifel an der Nachhaltigkeit der Erholung aufkommen."
Postbank-Volkswirt Thilo Heidrich wies darauf hin, dass im privaten Sektor anders als im staatlichen Bereich nur wenige neue Stellen entstanden waren. Zudem sei das Ergebnis von kurzfristigen Einstellungen zur jüngsten Volkszählung positiv beeinflusst worden. Dieser Effekt falle künftig weg, damit seien Rückschläge in den nächsten Monaten vorprogrammiert. Der private Konsum spielt für das Wachstum in den USA eine größere Rolle als etwa im exportorientierten Deutschland.
Zur Verunsicherung trugen zudem die Nachrichten aus Ungarn bei, die bei einigen Investoren Ängste vor einem "zweiten Griechenland" aufkommen ließen. Dort war die aktuelle Schuldenkrise ebenfalls nach einem Regierungswechsel und dem Eingeständnis einer schwierigen Haushaltslage offenbar geworden.
"Alles in allem sind die Neuigkeiten aus Ungarn ziemlich besorgniserregend, und selbst wenn es sich nur um Schwarzmalerei handelt, befürchten wir, dass weitere schlechte Nachrichten bevorstehen", erklärten die Experten der Danske Bank. "Der Vergleich mit Griechenland ist wohl überzogen, aber man kann kaum sagen, dass die ungarischen Finanzen in gutem Zustand sind."
Fast geschlossen nach unten
Unter Druck gerieten auf beiden Seiten des Atlantiks Finanzwerte, der europäische Stoxx-Branchenindex fiel um 3,8 Prozent. Sein US-Pendant KBW Banks verlor drei Prozent. "Jeglicher schlechter Nachrichtenfluss aus den mittel- und osteuropäischen Märkten trifft für gewöhnlich die großen Spieler in dieser Region wegen der Angst vor Ansteckungseffekten", sagte ein Analyst. "Ungarn selbst ist viel zu klein um den Akteuren irgendeinen Schaden zuzufügen."
Im EuroStoxx50 für die Euro-Zone gehörten die Aktien der Großbanken UniCredit, Intesa Sanpaolo und Banco Santander mit Kursverlusten von fünf bis sechs Prozent zu den größten Verlierern. In Paris büßten die Papiere der Societe Generale 7,6 Prozent ein. Händler verwiesen auf Spekulationen über Probleme im Derivategeschäft, zu denen das Geldinstitut keine Stellungnahme abgeben wollte. Zu den größten Dax-Verlierern zählten die Aktien von Deutsche Bank und Commerzbank mit Abschlägen von bis zu 2,9 Prozent. An der Börse in Budapest stürzten die Aktien der OTP Bank um elf Prozent ab. Im MDax fielen die Aktien der Aareal Bank mit minus 7,3 Prozent auf 13,46 Euro ans Index-Ende.
Bei Handelsschluss lagen 28 der 30 Dax-Werte im Minus. Verkauft wurden insbesondere die im Leitindex schwer gewichteten Industriewerte, die von einer schwächer laufenden Wirtschaftserholung besonders betroffen sein würden. Die Papiere von Siemens, Volkswagen und BMW verloren jeweils rund drei Prozent.
Die Aktien von Salzgitter lagen 2,7 Prozent tiefer. Die Zeit des Stahlkonzerns in der ersten deutschen Börsenliga könnte schon bald vorbei sein. Es wurde erwartet, dass die Index-Experten der Deutschen Börse nach Handelsschluss die Papiere durch die Titel des Baustoffkonzerns HeidelbergCement ersetzen. Deren Aktien lagen 1,8 Prozent im Minus.
Gegen den Trend verteuerten sich BP-Aktien um 0,3 Prozent. Der Konzern erzielte erste Erfolgen bei der Abdichtung des leckgeschlagenen Bohrlochs im Golf von Mexiko.
Die Entscheidung der deutschen Länderkammer, die geplante Kürzung der Solarförderung in den Vermittlungsausschuss einzubringen, löste im TecDax unter den Solarwerten kurzzeitig Bewegung aus. Die Aktien von Q-Cells setzten sich zeitweise mit einem Plus von 3,6 Prozent auf 5,17 Euro an die Spitze der Tech-Titel. Am Abend notierten Q-Cells allerdings nur noch0,3 Prozent im Plus. Solarworld gaben 1,8 Prozent ab. SMA Solar verbilligten sich um 0,2 Prozent. Nach dem Einspruch des Bundesrats können die Kürzungen nicht wie geplant zum Juli in Kraft treten. In Kreisen der Bundesregierung hieß es aber, die Kürzungen könnten auch rückwirkend greifen.
Das Handelsvolumen im Dax stieg von 102 Mio. Aktien am Donnerstag auf 131,2 Mio. zum Wochenschluss. Der Umsatz erhöhte sich auf 3,66 (2,7) Mrd. Euro. Die US-Börsen lagen zum Handelsschluss in Europa deutlich im Minus. Der Dow-Jones-Index verlor 2,3 Prozent, der S&P500 2,2 Prozent. Der Nasdaq-Composite rutschte um zwei Prozent ab.
Quelle: ntv.de, mmo/DJ/dpa/rts