Marktberichte

Unerwartet starke Signale Dax schließt im Plus

Steiler Sprung am Vormittag: Der Markt wollte das Plus.

Steiler Sprung am Vormittag: Der Markt wollte das Plus.

(Foto: REUTERS)

Der deutsche Aktienmarkt geht mit klaren Kursgewinnen in den Feierabend: Freundliche Konjunktursignale auf Großbritannien und Italien geben Anlegern Anlass für neue Zuversicht. Die Aktien von ThyssenKrupp gewinnen knapp vier Prozent. Deutsche Bank rutschen am Dax-Ende 1,2 Prozent ab.

Nach mehreren Verlusttagen in Folge verzeichnet der deutsche Aktienmarkt wieder deutliche Gewinne: Der Dax hat am Dienstag fester geschlossen. Der deutsche Leitindex legte 0,79 Prozent zu auf 6438,33 Punkte. Der Umsatz lag dabei mit rund 2,8 Mrd. Euro deutlich über dem Vortageswert. Der MDax beendete den Handel mit einem Aufschlag von 1,36 Prozent bei 10.565 Zählern. Der TecDax gewann 0,96 Prozent auf 760 Stellen. Der SDax rückte um 0,38 Prozent auf 4852 Punkte vor.

Angesichts globaler Konjunktursorgen und der europäischen Schuldenkrise hätten sich viele Anleger zunächst nicht aus der Deckung gewagt, sagte Marktanalyst Gregor Kuhn von IG Markets mit Blick auf den schwachen Handelsstart. Nach überraschend positiv ausgefallenen Industrieproduktionsdaten aus Europa, mit Ausnahme Frankreichs, hätten die Investoren allerdings wieder Mut gefasst und seien in den Markt zurückgekehrt. Analysten begründeten die positive Trendwende auch mit markttechnischen Faktoren.

Spekulationen rund um die Verhandlungen des Bundesverfassungsgerichts über den ESM-Rettungsschirm und den EU-Fiskalpakt hielten die Anleger an den europäischen Aktienmärkten auf Trab. Die aufkommende Unsicherheit an den US-Börsen ließ die Gewinne kurz vor Handelsschluss in Europa etwas zusammenschrumpfen. "Es kommt selten vor, dass eine Gruppe von gediegenen deutschen Juristen für spürbare Marktbewegungen sorgt, aber heute ist das einer von den Tagen", fasste Chris Beauchamp, Marktanalyst bei IG Index in London, zusammen.

Der Eurostoxx schloss 0,8 Prozent fester bei 2244 Zählern, der Stoxx50 legte 0,7 Prozent auf 2430 Punkte zu. In Wien beendete der Leitindex ATX den Handel mit einem Plus von einem Prozent bei 1966 Punkten. An der Wall Street notierte der Dow Jones zum Handelsschluss in Europa 0,1 Prozent höher bei 12.745 Stellen. Der S&P-500 sank um 0,2 Prozent auf 1349 Punkte, die Nasdaq verbuchte ein Minus von 0,4 Prozent auf 2918 Zählern.

Im Schatten von Alcoa

Die US-Bilanzsaison begann am Vorabend wie üblich mit der Vorlage der Quartalsergebnisse durch Alcoa. Der Alu-Riese zeigte sich trotz eines Nettoverlustes optimistisch und rechnet mit reger Nachfrage von großen Abnehmern aus der Luftfahrt- und Autobranche. Die Aktien des US-Konzerns gaben in New York dennoch um 3,5 Prozent nach.

Deutsche Bank
Deutsche Bank 31,25

Am deutschen Aktienmarkt legten die Anteilsscheine des Stahlkonzerns ThyssenKrupp mit vier Prozent auf 13,94 Euro am deutlichsten zu. Die Wirtschaftsvereinigung Stahl erklärte zwar, dass die Produktionsprognose gefährdet sei und nach der Sommerpause gesenkt werden könne. "Jeder weiß, dass es im Stahlsektor nicht gut läuft, aber Thyssen hat ja noch andere Geschäftsfelder, zum Beispiel bei Aufzügen", sagte ein Händler. Langfristig werde es für Thyssen sicher wieder aufwärts gehen, deshalb biete der aktuelle Aktienkurs eine interessante Einstiegsmöglichkeit.

Auf der Dax-Verliererseite standen die Titel von Linde, die 0,9 Prozent niedriger bei 114,20 Euro schlossen. Das Unternehmen hatte am Vorabend zur Finanzierung der Übernahme von Lincare eine Kapitalerhöhung angekündigt. Zeitweise brachen die Linde-Aktien um 4,7 Prozent ein.

Libor-Skandal erschüttert Europa

Das Dax-Schlusslicht bildeten die Anteilsscheine der Deutschen Bank, die 1,2 Prozent auf 26,80 Euro abgaben. Händler konnten das Kursminus nicht begründen. Dem Institut wird neben einer Reihe anderer Geldhäuser vorgeworfen, den jahrelang manipuliert zu haben.

Infineon
Infineon 31,85

Infineon-Aktien verteuerten sich um 2,5 Prozent auf 5,27 Euro. Die Kursverluste der Papiere seien zuletzt übertrieben gewesen, begründete ein Händler die Erholung. Aus der Technologiebranche gab es aus den USA positive wie negative Nachrichten. So will der weltgrößte Chip-Hersteller Intel beim niederländischen Chipausrüster ASML einsteigen. ASML-Aktien gewannen in Amsterdam 8,6 Prozent auf 43,15 Euro. Der US-Chiphersteller AMD verschreckte die Anleger dagegen mit einer Umsatzwarnung. In New York brachen die Titel um 10,1 Prozent ein.

Im deutschen TecDax gingen die Aktien von Evotec mit einem Plus von 18,1 Prozent auf 2,49 Euro aus dem Handel. Das Biotech-Unternehmen arbeitet bei der Erforschung neuartiger Diabetes-Medikamente künftig indirekt mit dem US-Pharmakonzern Johnson & Johnson (J&J) zusammen.

Aufschwung in Großbritannien?

5,90

Nach einem unsicheren Start schien der Markt am Vormittag auf überraschend freundliche Daten zur britischen Industrieproduktion zu reagieren: Im Inneren der britischen Wirtschaft war es im Mai anstatt eines prognostizierten Rückgangs um 0,2 Prozent bei der Industrieproduktion um einen vollen Prozentpunkt nach oben gegangen. "Der April-Wert wurde kräftig nach oben revidiert, so dass sich insgesamt ein etwas robusteres Bild im zweiten Quartal ergeben dürfte", ergänzte ein Händler. Auch Italien hat bei der Industrieproduktion im Mai besser abgeschnitten als befürchtet.

Impulse lieferten hier insbesondere der Nahrungsmittel- und der Energiesektor, wie die nationale Statistikbehörde Istat mitteilte. Der industrielle Ausstoß kletterte in saisonbereinigter Rechnung um 0,8 Prozent gegenüber dem Vormonat. Damit wurde der stärkste Anstieg seit Dezember verzeichnet. Volkswirte hatten einen Rückgang um 0,5 Prozent in Aussicht gestellt. Damit deutet sich in zwei der fünf wichtigsten Volkswirtschaft der EU eine wirtschaftliche Erholung an. Großbritannien und Italien zählen zu den wichtigsten Handelspartnern der deutschen Exportwirtschaft.

Blick nach Karlsruhe

Mit einer fundierten Begründung für die Aufwärtsbewegung taten sich die Börsianer schwer. Ein Händler in Frankfurt nannte als Auslöser die Hoffnung auf eine weitere geldpolitische Lockerung in China. Vor allem Londoner Händler verwiesen dagegen auf die . Gerüchte machten die Runde, das Gericht habe dem ESM-Rettungspakt schon seinen Segen erteilt. Ein Händler in Frankfurt nannte die Spekulationen dagegen "völlig aus der Luft gegriffen."

Die Bundesregierung bat das Verfassungsgericht, die Frage mitzuprüfen, ob der Euro-Rettungsschirm ESM und der EU-Fiskalpakt für mehr Haushaltsdisziplin gegen das Grundgesetz verstoßen. Eigentlich wollten die Richter nur über die Eilanträge der Kläger gegen die beiden Verträge beraten. Die Beantwortung der eigentlichen Frage, ob ESM und Fiskalpakt verfassungsgemäß sind, könnte bis zu einem dreiviertel Jahr dauern.

Die Skepsis sei aber nach wie vor greifbar, wandten Marktbeobachter in Deutschland ein: "Im vergangenen Jahr, als das Bundesverfasssungsgericht den Rettungsplan für Griechenland für verfassungsgemäß erklärt hat, gab es eine kurze Rally", erinnerte sich Chris Beauchamp von IG Index. Um den Euro zu retten, brauche es aber mehr als gut begründete Urteile deutscher Gerichte. Selbst wenn das oberste Gericht die Verfassungsmäßigkeit des ESM feststellen sollte, habe dieser noch lange nicht die Feuerkraft, Spanien und Italien auch wirklich zu retten.

Der Weg nach oben

Technische Analysten erkannten ganz eigene Wirkungsmechanismen: Mit dem überraschenden Kursanstieg hätten sich auch die technischen Perspektiven des Dax kräftig vebressert, hieß es. Der Dreh mache den Weg für eine mehrwöchige Aufwärtsbewegung frei, meinte Stephen Schneider, Marktanalyst der WGZ Bank. Die Dynamik dürfte den Dax über den Widerstand bei gut 6615 Punkten hieven.

"Als nächstes Ziel käme dann ein Niveau von etwa 6900 Punkten in Betracht", erklärte der Marktanalyst. Voraussetzung für das positive Szenario sei, dass der Dax am Dienstag einen höheren Schlusskurs als am Montag produziere und so ein sogenanntes "Key-Reversal"-Muster auspräge. Am Morgen war der Dax noch bis auf knapp 6350 Punkte gefallen und damit in die Nähe der 200-Tage-Linie und des ehemaligen gebrochenen Abwärtstrends. Ein Rückfall in diesen Abwärtstrend hätte das Bild stark eingetrübt, fassten die Charttechniker die Lage zusammen.

Von der Einigung der Euro-Finanzminister über die Hilfe für Spaniens Banken konnte die Börse in Madrid nicht sonderlich profitieren. Der Ibex hinkte mit einem Plus von 0,6 Prozent Dax und Eurostoxx hinterher. Von den spanischen Bankenwerten gewann Bankinter mit 2,3 Prozent am deutlichsten. Der europäische Bankenindex stieg um 0,8 Prozent.

Am Rentenmarkt stieg die durchschnittliche Rendite der börsennotierten Bundeswertpapiere auf 1,09 (Vortag: 1,08) Prozent. Der Rentenindex Rex lag unverändert bei 134,61 Punkten. Der Bund-Future kletterte um 0,05 Prozent auf 144,04 Punkte. Der Euro fiel. Die Europäische Zentralbank (EZB) setzte den Referenzkurs auf 1,2285 (Montag: 1,2293) Dollar fest. Der Dollar kostete damit 0,8140 (0,8135) Euro.

Quelle: ntv.de, mmo/DJ/dpa/rts

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