Unsicherheit in der Euro-Zone Dax schließt tief im Minus
04.02.2010, 17:45 UhrSpekulationen um die Finanzkraft Portugals und Griechenlands drücken den Dax im Verein am Donnerstag auf den tiefsten Stand seit Ende November. Schwache Daten vom US-Arbeitsmarkt tun ein Übriges: Neben den Banken geht es vor allem für exportorientierte Index-Mitglieder nach unten.

Absturz am Nachmittag: Während unten noch das freundliche Begrüßungsbanner für Helikos hängt, kommen auf der Anzeigentafel die Kurse ins Rutschen.
(Foto: REUTERS)
Sorgen über Schuldenprobleme in der Eurozone und enttäuschende US-Konjunkturdaten haben am deutschen Aktienmarkt am Donnerstag für deutliche Verluste gesorgt. Schwache US-Arbeitsmarktdaten trübten die Stimmung zusätzlich. Da konnte auch der Milliardengewinn der Deutschen Bank keinen Sinneswandel hervorrufen. "Die wichtigste Frage ist doch: Bekommen Griechenland und Portugal ihre Haushaltsdefizite in den Griff", sagte ein Börsianer. "Und falls nicht, was bedeutet das für die Euro-Zone?"
Der Dax sackte um 2,45 Prozent auf 5533 Zähler ab und schloss damit auf dem tiefsten Stand seit vergangenem November. Gleichzeitig schoss der Volatilitätsindex VDax, der die Nervosität der Anleger widerspiegelt, elf Prozent in die Höhe. Für den MDax ging es um 2,83 Prozent auf 7458 Punkte nach unten. Der TecDax fiel um 3,06 Prozent auf 797 Zähler.
"Die Märkte waren heute europaweit recht wackelig, was viel mit der Unsicherheit über die beiden Eurozonen-Mitglieder Spanien und Portugal sowie dem Euro selbst zu tun hat", sagte Trung-Tin Nguyen, Aktienhändler der TTN AG. Die Aussagen von EZB-Präsident Jean Claude Trichet zu Griechenland und der europäischen Gemeinschaftswährung hätten ebenfalls nicht zur Beruhigung beigetragen. Darüber hinaus ließen die wöchentlichen US-Arbeitsmarktdaten nichts Gutes für den Monatsbericht am Freitag erwarten.
In den USA stieg die Zahl der Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe überraschend. Die Entscheidung der Europäischen Zentralbank, den Leitzins unverändert zu lassen, brachten indes keine Überraschungen.
"Der Verkaufsdruck kommt hauptsächlich über die Terminmärkte", hatte ein Händler die Lage am Nachmittag beschrieben. So habe der Dax-Futures am Nachmittag nacheinander mehrere Stop-Marken durchbrochen, was zu automatischen Verkäufen geführt habe. Die Umsätze haben seit Mittag rapide angezogen, in einigen liquiden Aktien wie Siemens und BASF seien Blockverkäufe um jeden Preis zu beobachten. "Nachrichtlich gibt es eigentlich nichts, was das begründet", meinte der Händler mit Blick auf die beiden Einzeltitel.
Auf die Geschäftszahlen der Deutschen Bank reagierten Börsianer skeptisch: Die Aktie konnte zwar zeitweise zulegen, schloss im Sog des fallenden Gesamtmarktes aber 4,2 Prozent im Minus bei 43,88 Euro. "Ich sehe die Zahlen mit gemischten Gefühlen", sagte Analyst Konrad Becker vom Bankhaus Merck Finck. "Positiv ist natürlich der höher als erwartete Nettogewinn. Enttäuschend sind aber die Erträge im Investmentbanking. Das wirft die Frage auf, wie diese Paradedisziplin für die Deutsche Bank in den nächsten Quartalen läuft."
Noch härter traf es die griechischen Bankenwerte. Aus Furcht vor steigenden Refinanzierungskosten als Folge der Haushaltskrise des Landes trennten sich Anleger in großem Stil von diesen Papieren. National Bank und Eurobank rutschten jeweils um mehr als sieben Prozent ab.
Auch die Papiere der spanischen Großbank Santander gerieten trotz eines überraschend hohen Milliardengewinns unter Druck. Sie fielen um bis zu 9,7 Prozent auf ein Sechseinhalb-Monats-Tief von 9,22 Euro. Grund für die Verkäufe seien die trüben Konjunkturaussichten Spaniens. "Es gibt Bedenken, dass Santander nicht genug tut, um sein heimisches Immobilien-Engagement zu reduzieren", sagte ein Händler.
In Frankfurt büßten die Anteilsscheine der Commerzbank mit minus 5,16 Prozent auf 5,533 Euro deutlich stärker als die Deutsche Bank ein. Laut Händlern drückt die Sorge über die Zukunft Spaniens und Portugals besonders auf Titel der Finanzbranche.
Neben den Banken standen im Dax außerdem die Schwergewichte BASF und Siemens unter Verkaufsdruck. Sie litten ebenso wie beispielsweise ThyssenKrupp unter den Zweifel an einer baldigen kräftigen Erholung der Weltwirtschaft, sagten Börsianer. Die Gewinne aller drei Unternehmen sind stark von der Konjunkturentwicklung abhängig. Die Aktien verloren zwischen 3,5 und 5,5 Prozent.
Dem scharfen Abwärtstrend am Nachmittag konnten sich selbst die Aktien der Deutschen Börse nicht entziehen. Getragen von einem positiven Analystenkommentar hatten sich die Papiere des Börsenbetreibers über lange Strecken im Plus gehalten. Am Abend fielen Deutsche Börse 0,3 Prozent ins Minus - ein Abschlag, mit dem die Aktien immer noch am oberen Ende des Index standen.
Bei der Software AG nutzten Börsianer den positiven Quartalsbericht für Gewinnmitnahmen, was den Aktienkurs um 5,92 Prozent auf 78,89 Euro drückte. Die Zahlen lagen Händlern zufolge fast durchweg über den Erwartungen.
Die Anteilsscheine des hochverschuldeten Möbel- und Bauzulieferers Pfleiderer drehten nach einer zunächst negativen Reaktion auf eine angekündigte Kapitalerhöhung ins Plus und schlossen bei 6,50 Euro um 0,62 Prozent höher. Ein Händler sagte, dass viele Marktteilnehmer neue Kapitalmaßnahmen bereits erwartet hätten, da Pfleiderer dringend weitere Mittel brauche. Bereits nach Börsenschluss wurde dann der Abschluss der Kapitalerhöhung gemeldet.
Am europäischen Markt fiel der EuroStoxx50 um 3,46 Prozent auf 2707,45 Punkte und damit den tiefsten Stand seit September 2009. Die Börsen in Paris und London schlossen ebenfalls mit deutlichen Verlusten. Die Leitindizes Portugals und des Nachbarlandes Spanien brachen sogar um rund fünf Prozent ein und markierten jeweils neue Sechs-Monats-Tiefs.
An der Wall Street standen die Zeichen ebenfalls auf Verkauf: Der Dow Jones notierte bei Börsenschluss in Deutschland 1,8 Prozent tiefer. Hier lasteten vor allem überraschend hohe Erstanträge auf US-Arbeitslosenhilfe auf der Stimmung. Marktstratege Steve Goldman vom Brokerhaus Weeden & Co. wertete sie als schlechtes Omen für die am Freitag zur Veröffentlichung anstehenden US-Beschäftigtenzahlen.
Ohne nachhaltigen Einfluss auf die Aktienmärkte blieben die Zinsentscheidung der Europäischen Zentralbank sowie die anschließenden Äußerungen ihres Präsidenten Jean-Claude Trichet.
Das Misstrauen gegenüber Portugal und Griechenland zeigte sich auch an anderen Märkten: So stiegen die Kosten für die Versicherung von Schulden von Portugal gegen Ausfall, die sogenannten Credit Default Swaps (CDS), auf ein Rekordhoch. Außerdem erhöhten sich die Renditeaufschläge oder Spreads für griechische und portugiesische
Staatsanleihen im Vergleich zu entsprechenden Bundespapieren.
Am Rentenmarkt fiel die durchschnittliche Rendite börsennotierter Bundeswertpapiere auf 2,89 (Vortag: 2,90) Prozent. Der Rentenindex Rex stieg um 0,04 Prozent auf 124,06 Punkte. Der Bund Future stieg um 0,47 Prozent auf 123,79 Punkte.
Der Kurs des Euro fiel erstmals seit Juni 2009 wieder unter die Marke von 1,38 US-Dollar und notierte zuletzt bei 1,3740 Dollar. Die Europäische Zentralbank (EZB) setzte den Referenzkurs am Nachmittag auf 1,3847 (Mittwoch: 1,3984) US- Dollar fest. Der Dollar kostete damit 0,7222 (0,7151) Euro.
Quelle: ntv.de, mmo/dpa/rts