"Wir verteidigen das hohe Niveau" Dax stabil erwartet
05.08.2013, 08:40 Uhr
Politisch auf unsicheren Beinen: Italien bleibt ein Wackelkandidat. An der Mailänder Börse rücken die Risikoaufschläge wieder ins Blickfeld.
(Foto: Reuters)
Am deutschen Aktienmarkt bereiten sich Experten auf einen halbwegs zuversichtlichen Wochenstart vor: Nach den Daten aus den USA und China verlagert sich die Aufmerksamkeit zurück nach Europa. Die vorbörslichen Gespräche kreisen insbesondere um die politischen Perspektiven in Italien.
Die Börsenbeobachter in Banken und Brokerhäusern rechnen mit Blick auf den Handelsstart in Europa mit wenig Bewegung: Stabile Kurse ohne große Ambitionen nach oben dürften zu Wochenbeginn das Bild an Europas Börsen prägen, heißt es am Morgen. Im vorbörslichen Handel bei Lang & Schwarz wird der Dax zum Auftakt bei 8408 Punkten und damit so gut wie unverändert erwartet.
Die Dax-Futures starteten Morgen "relativ impulslos" in die neue Handelswoche. Angesichts der eher dünnen Nachrichtenlage seien dies aber gute Nachrichten, hieß es aus dem Handel. "Wir verteidigen damit das hohe Niveau nach der Donnerstags-Rally", sagte ein Händler. Der Markt sehe nur nach einer kurzfristigen Konsolidierung über der 8400er-Marke aus, der Kursanstieg könne bald weitergehen. Der September-Kontrakt des Dax-Futures verliert eine gute halbe Stunde vor Börsenauftakt 4,5 Zähler auf 8417 Punkte. Das Tageshoch liegt bislang bei 8428 und das Tagestief bei 8412,5 Punkten. Umgesetzt wurden bisher rund 800 Kontrakte.
Die Vorgaben fallen durchwachsen aus: An der Wall Street hatten sich die Kurse im späten Freitagshandel ein wenig erholt, dies dürfte im frühen Handel stützen. Die Signale aus Asien sind uneinheitlich. Wichtigstes Thema auf Konjunkturseite sind zu Wochenbeginn die neuen Daten zur wirtschaftlichen Entwicklung in China: Die Dienstleister erweisen sich dort als eine Stütze der chinesischen Konjunktur. Im Juli erreichte der Einkaufsmanagerindex (PMI) der Großbank HSBC für den Service-Sektor wie im Juni 51,3 Punkte, wie HSBC mitteilte. Das ist klar über der Wachstumsschwelle von 50 Punkten.
"Die chinesischen Dienstleister haben sich auf einem niedrigen Wachstumslevel stabilisiert. Ohne einen Anstieg der Nachfrage, wird das Wachstum aber nur mäßig ausfallen, was auch den Stellenaufbau belasten wird", erklärte Qu Hongbin, Chefvolkswirt von HSBC. Positiv für die kommenden Monate sind die gestiegenen Neuaufträge, die den höchsten Stand seit März erreichten. Einen besseren Eindruck macht die Branche laut den Ergebnissen des offiziellen PMI, die am Wochenende veröffentlicht wurden. Das offizielle Konjunkturbarometer für das nicht-verarbeitende Gewerbe kletterte im Juli auf 54,1 von 53,9 im Juni.
Am Morgen rückte mit Italien die politische Lage in der drittgrößten Volkswirtschaft der Eurozone ins Blickfeld: "Italien könnte sich zu einem Risikofaktor entwickeln", gab ein Händler mit Blick auf die wackelige politische Lage nach der Verurteilung des ehemaligen Regierungschefs Silvio Berlusconi zu Bedenken. "Hier sollte man einen Blick darauf werfen, ob die Risikoprämien steigen."
"Europas Aktien haben ein wenig Aufwärtspotenzial, aber ohne rechte Überzeugung", meinte auch Chris Weston von IG Markets. Weston richtet sein Augenmerk ebenfalls auf Italien: "Die Nachricht, dass Berlusconi die Unterstützung der Regierungskoalition durch seine Partei zurückgezogen hat, könnte auf den Staatsanleihen lasten." Damit könnte auch der Euro unter Druck geraten. Den Mailänder MIB-Index indiziert der Stratege dennoch zunächst 22 Punkte fester bei 16.801 Punkten.
Daneben gibt es kaum Impulse für die Finanzmärkte. Bei den Einkaufsmanager-Indizes aus der Eurozone handele es sich mit Ausnahme von Italien um die zweiten Veröffentlichungen. Deren Potenzial die Kurse stärker zu bewegen sei begrenzt.
Bei den deutschen Einzelwerten dürfte sich ein Teil der Aufmerksamkeit auf die Aktien der Deutschen Lufthansa richten: Die Titel der größten deutschen Fluggesellschaften waren vor dem Wochenende als der größte Dax-Verlierer aus dem Handel gegangen. Nach Vorlage der Quartalszahlen büßten sie rund 5 Prozent ein. Die Lufthansa setzte in den Monaten April bis Juni wegen geringerer Flüge etwas weniger um als im Vorjahr. Der operative Gewinn fiel um gut ein Viertel, das Nettoergebnis sank sogar um 43 Prozent. In der zweiten Reihe gewannen Fuchs Petrolub dagegen 4,6 Prozent. Der Gewinn war von Januar bis Juni um 5,8 Prozent gestiegen.
Wenig bis keinen unmittelbaren Kurseinfluss misst ein Händler der Klage von Vodafone gegen Telecom Italia bei: "Klagen wegen Missbrauch der Marktstellung sind grundsätzlich schwer zu belegen und man weiß ja wie lange sich Gerichtsverfahren gerade in Italien hinziehen." Angesichts der großen Abhängigkeit der Telecom Italia vom Heimatmarkt seien die Vorwürfe der Briten "sehr plausibel", meinte dagegen ein anderer Händler. Angesichts des starken Wettbewerbs im Mobilfunkgeschäft dürften die Italiener ihr Monopol bei der Festnetztelefonie "mit allen Mitteln verteidigen". Die italienische Vodafone-Tochter wirft dem Ex-Monopolisten vor, seine dominante Marktposition im Festnetzgeschäft missbraucht zu haben.
Leicht positiv für den EADS-Kurs könnte sich nach Einschätzung eines Händlers die Forderung des EADS-Aktionärs TCI erweisen, EADS solle sich von der Beteiligung am französischen Wettbewerber Dassault Aviation trennen. "Der große Umbau bei EADS ruft jetzt natürlich die Aktionisten unter den Aktionären auf den Plan", sagte der Händler. EADS solle den Verkaufserlös aus der Beteiligung für Aktienrückkäufe oder Sonderdividenden nutzen, fordert TCI. Der Hedgefonds hält nach eigenen Angaben mehr als 1 Prozent an EADS.
"Die Spekulation um einen Verkauf des EADS-Anteils treibt die Dassault-Aktie schon seit Monaten an, trotz operativer Schwierigkeiten bei Dassault", sagt ein anderer Händler. Seit Ende März steige die Bewertung der Aktie, während das Gewinnmomentum stagniere. Am Markt setze man offensichtlich zunehmend auf eine "große Lösung" für Dassault, bei der sich EADS zurückzieht. Die Dassault-Aktie handele mit einem Aufschlag von 25 Prozent zu den Wettbewerbern.
Das nachbörsliche Geschäft in Frankfurt verlief Beobachtern zufolge "ruhig". Einer der herausragenden Bewegungen kam aus dem Versorgerbereich: RWE legten um 0,4 Prozent zu. Der Energiekonzern verkauft seinen Anteil an dem US-amerikanischen LNG-Unternehmen Excelerate Energy.
Frische Unternehmensergebnisse stehen zu Wochenbeginn unter anderem von der Landesbank Berlin, der britischen Großbank HSBC und von dem Mailänder Reifenkonzern Pirelli an. Im Solarsektor erwarten Analysten zudem eine entscheidende Weichenstellung bei Solarworld: Anleihengläubiger stimmen im Vorfeld der anstehenden Hauptversammlung über das Rettungskonzept des Unternehmens ab.
Der September-Kontrakt des Bund-Futures verliert im frühen Handel 6 Ticks auf 142,76 Prozent. Das Tageshoch liegt bislang bei 142,80 und das Tagestief bei 142,60 Prozent. Umgesetzt wurden bisher rund 18.000 Kontrakte. Der BOBL-Futures verliert 4 Ticks auf 125,86 Prozent.
Trotz der Erholung im Bund nach dem schwächeren US-Arbeitsmarktbericht am Freitag spricht die Helaba von einem technisch weiterhin angeschlagenen Bild. Die Analysten erwarten die Handelsspanne zwischen 141,28 und 143,30. Zu Wochenbeginn steht die Bekanntgabe der Einkaufsmanagerindizes für den Service-Sektor aus Europa und den USA im Fokus.
Quelle: ntv.de, mmo/DJ