Eiskalte Konjunktursorgen Dax trotzt der Gefahr
14.10.2008, 18:04 UhrDie von zahlreichen Regierungen geschnürten Rettungspakete haben am deutschen Aktienmarkt erneut für Kursgewinne gesorgt. Der Dax ging 2,7 Prozent höher bei 5199 Punkten aus dem Handel, nachdem er am Montag um elf Prozent zulegt hatte. Der MDax legte 1,5 Prozent zu auf 6052 Zähler. Der TecDax blieb mit 0,23 Prozent bei 685 Punkten gerade noch im Plus. Alle drei Indizes hatten zeitweise deutlich kräftigere Aufschläge verzeichnet.
Fallende Kurse an der Wall Street ließen am Nachmittag aber auch in Europa die Kursgewinne schmelzen. "Die Maßnahmen haben die Stimmung aufgehellt - aber deswegen ist noch lange nicht alles wunderbar", sagte ein Händler. Vor allem die Angst vor einer Rezession trübte die Stimmung. An der Wall Street zeichnete sich keine klare Tendenz ab. Nach einem Start mit deutlichen Aufschlägen notierte der Dow-Jones-Index zu Börsenschluss in Europa 0,5 Prozent im Plus. Der Nasdaq-Composite verbuchte einen Abschlag von 1,5 Prozent.
"Das ist immer noch das große Aufatmen", hatte ein Händler die morgenlichen Kursgewinne am deutschen Aktienmarkt kommentiert. "Aber ich glaube nicht, dass es von hier aus nur noch nach oben gehen kann." Ein anderer fügte hinzu: "Das Fundament ist sehr fragil." Das Vertrauen in die Finanzwirtschaft könne nur langsam wieder aufgebaut werden.
Dunkle Konjunkturwolken
Die deutsche Wirtschaft steht nach Einschätzung der führenden Forschungsinstitute am Rande einer Rezession. In ihrem aktuellen Herbstgutachten senkten die Experten ihre Prognose für das Wirtschaftswachstum im nächsten Jahr drastisch von 1,4 auf 0,2 Prozent. Falls die Finanzkrise voll auf die produzierende Wirtschaft durchschlagen sollte, halten die Institute einen noch stärkeren Rückgang für möglich.
Börsenanleger und Analysten beurteilen die wirtschaftlichen Aussichten Deutschlands wegen der zugespitzten Finanzkrise deutlich pessimistischer. Das ZEW-Index für die Konjunkturerwartungen brach im Oktober von minus 41,1 auf minus 63,0 Punkte ein, teilte das Mannheimer Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) mit. Zuvor hatten Volkswirte in einer Befragung mit einem Rückgang auf minus 51,1 Zähler gerechnet. Die meisten der 256 Experten wurden allerdings noch vor Bekanntwerden des Rettungspaketes der Bundesregierung von rund einer halben Billion Euro befragt.
Die Industrieproduktion in der Eurozone ist dagegen im August auf Monatssicht erwartungsgemäß wieder gestiegen. Wie Eurostat mitteilte, nahm die industrielle Erzeugung ohne das Baugewerbe im August um 1,1 Prozent gegenüber dem Vormonat zu. Gegenüber dem Vorjahr bedeutet das dennoch einen Rückgang um 0,7 Prozent.
Starke Finanzwerte
Vor allem die Finanzwerte blieben weitgehend konstant im Aufwind. "Trotz aller denkbaren Probleme bei der Umsetzung der Rettungsmaßnahmen im Detail geben die letzten Tage Anlass zur Hoffnung, dass das Schlimmste vorüber ist", stellte LBBW-Analyst Alexander Groschke in einem Kurzkommentar fest, den er mit "Silberstreif am Horizont" überschrieb. Im Dax zählten die Aktien der Finanzbranche zu den größten Gewinnern. Die Titel der Deutschen Bank setzen sich mit einem Kursplus von 10,7 Prozent an die Dax-Spitze. Hypo Real Estate legte 8,5 Prozent zu. Commerzbank gewann am Ende nur 3,5 Prozent. Zeitweise waren die drei Bank-Aktien deutlich zweistellig nach oben geschossen.
Allianz-Titel gingen mit einem Plus von 5,3 Prozent aus dem Handel. Auch die Autowerte setzten ihre Erholung fort. Daimler stiegen um 7,6 Prozent. Die BMW-Aktie verteuerte sich um rund drei Prozent.
Die Aktien von Volkswagen hatten ihr bemerkenswert schwer erklärbares Eigenleben zeitweise fortgesetzt. Wie so oft in den vergangenen Tagen entwickelte sich die Aktie gegenläufig zum Gesamtmarkt und rutschte um 0,3 Prozent ab auf 352 Euro ab. "Es gibt keinerlei neue Nachrichten zu VW", gestand ein Händler. "Die aktuellen Verluste sind offenbar eine technische Reaktion auf die Rally der vergangenen Wochen. Viel interessanter wäre ja die Frage, warum die Aktie so gestiegen ist." Die Antwort werde noch lange auf sich warten lassen.
Continental-Titel drehten mit 5,48 Prozent ins Minus auf 39,50 Euro. Händler verwiesen auf Medienberichte, denen zufolge der Kredit für Schaeffler zur Übernahme des Autozulieferers "auf Eis" liege. Das schüre die Sorge, ob die Übernahme überhaupt zustande komme. Ein Dementi half dem Kurs zunächst nicht. Nach den Worten eines Sprechers treibt die Schaeffler-Gruppe die Übernahme des Autozulieferers weiter voran. Infineon rutschten nach negativen Analystenkommentaren mit minus 11,46 Prozent auf 2,78 Euro und fielen damit ans Dax-Ende.
"Gefallene Engel" in der zweiten Reihe
Conergy stiegen im TecDax mit plus 32,08 Prozent auf 5,60 Euro an die Index-Spitze, nachdem sie bereits am Vortag 34,60 Prozent zugelegt hatten. Diese und andere Solar- und Windwerte hatten im Abschwung der vergangenen Wochen zu den größten Kursverlierern gezählt. Sie seien damit "Fallen Angels", sagten Händler und hätten damit überdurchschnittliches Erholungspotenzial.
Fraport rückten mit Verkehrszahlen in den Blick. Der Flughafenbetreiber hat im September unter der abkühlenden Weltkonjunktur gelitten und weniger Fluggäste und Luftfracht abgefertigt als ein Jahr zuvor. Zudem schraubte Fraport seine Erwartungen für das Gesamtjahr am Flughafen Frankfurt herunter. Laut einem Händler sind die Zahlen zwar "in etwa wie erwartet" ausgefallen, der Ausblick enttäusche allerdings. Die Fraport-Aktie kletterte um 3,4 Prozent ins Plus.
Die Südzucker-Aktien zogen mit Zahlen zum zweiten Geschäftsquartal der Tochter CropEnergies die Aufmerksamkeit der Analysten auf sich. "Es gibt zwar keine Schätzungen für CropEnergies, aber das operative Ergebnis ist zurückgegangen. Das dürfte der Südzucker-Aktie nicht gerade helfen", hieß es. Am Mittwoch legt Südzucker selbst Zahlen vor, die weiter von den Auswirkungen der EU-Zuckermarktreform mit geprägt sein sollten. Die im MDax-notierte Südzucker-Aktie gab 4,1 Prozent ab auf 8,25 Euro.
Nach der Reduzierung der Geschäftsziele haben die Aktien des Automobilzulieferers Leoni scharf ins Minus gedreht. Sie notierten zuletzt 12,8 Prozent im Minus bei rund 13,70 Euro. Das Unternehmen sprach davon, die "Jahresziele an veränderte wirtschaftliche Rahmenbedingungen" anzupassen. Unmittelbar nach Veröffentlichung der neuen Prognosen hatten die Papiere ihre Anfangsgewinne noch auf bis zu 15 Prozent ausgebaut. Der Auto-Zulieferer hatte gleichzeitig einen Aktienrückkauf von bis zu zehn Prozent des Grundkapitals angekündigt.
Der Handyausrüster Balda sieht sich nicht in Insolvenzgefahr. "Für Balda besteht derzeit kein Insolvenzrisiko", teilte das Unternehmen aus Bad Oeynhausen mit. Der geplante Verkauf von zwölf Prozent der Anteile an TPK, dem Hersteller von berührungsempfindlichen Bildschirmen, sei mit Vorstand, Aufsichtsrat und den Banken abgesprochen. Er sei derzeit die beste Lösung für Balda. Das "Handelsblatt" hatte am Dienstag unter Berufung auf ein Schreiben des Anteilseigners Audley berichtet, Balda drohe ohne TPK die Pleite. Die Balda-Aktie schnellt 25,8 Prozent ins Plus.
Bilanzsaison im Blick
"Die weitere Entwicklung des Aktienmarktes wird stark von der bevorstehenden Bilanzsaison und den Ausblicken der Unternehmen abhängen, da das Rezessionsthema stärker in den Vordergrund rückt", erklärte Aktienstratege Thomas Grüner von der Landesbank Berlin. In den USA nimmt die Berichtssaison diese Woche Fahrt auf. Am Dienstagabend steht nach US-Börsenschluss der Zwischenbericht von Intel auf dem Terminkalender. "Bei der jetzt anlaufenden Bilanzsaison wird sich zeigen, inwieweit die Krise die Realwirtschaft schon erreicht hat", sagte ein Händler.
Quelle: ntv.de