VW unter 400 Dax über 5.000
03.11.2008, 17:50 UhrDie Gefahr von heftigen Kursturbulenzen am deutschen Aktienmarkt wegen der Aktien von VW scheint vorerst gebannt. "Nachdem die Gewichtung der VW-Aktien im Dax auf zehn Prozent heruntergesetzt wurde und die Papiere bei weiteren Schwankungen sogar aus dem Dax fliegen könnten, ist erst mal Ruhe eingekehrt", sagte ein Händler. Der Dax schloss wieder über der Marke von 5000 Punkten, er legte 0,8 Prozent auf 5026,84 Zähler zu. VW-Aktien fielen um 21,3 Prozent auf 393 Euro.
Nachdem VW gebändigt waren, konnte andere Schwergewichte wieder nach vorne: Da die index-orientierten Fonds bei VW ausstiegen und bei anderen Werten, die in der Gewichtung gestiegen sind, nachlegen mussten, stiegen E.ON um sieben Prozent, BASF um 5,6 Prozent und Siemens um 2,6 Prozent.
Gefragt waren Continental-Aktien mit einem Plus von rund vier Prozent. "Da gibt es wenig handelbare Stücke. Und keiner will die Fehler von VW, dem Short-Squeeze des Jahrhunderts, noch einmal machen", erläuterte ein Händler. Zudem stütze die Hoffnung, dass die Übernahme durch Schaeffler bald auch von der EU genehmigt wird, sagte ein anderer Börsianer.
Auch bei Infineon mussten Leerverkäufer nachladen. "Der Kurssturz von Qimonda hat viele Shorties eingeladen, auf einen Totalausfall zu setzen", sagte ein Händler. Dies habe auch Infineon gedrückt, da die Qimonda-Beteiligung als quasi wertlos betrachtet wurde. Dies sei mittlerweile als Übertreibung erkannt worden und führe zum Eindecken von Positionen. "Das kann noch ein Weile anhalten", so der Händler weiter. Infineon sprangen um fast zehn Prozent auf 2,65 Euro.
Für Gesprächsstoff sorgte die Commerzbank. Sie gab einem Verlust im dritten Quartal bekannt und teilte mit, das Rettungspaket der Bundesregierung in Anspruch zu nehmen. 8,2 Mrd. Euro bekommt das Institut in Form einer stillen Einlage. Obwohl diese Nachrichten von vielen Analysten kritisch beurteilt wurden, zog die Commerzbank-Aktie deutlich an. Die Aktie gewann zeitweise mehr als zwölf Prozent und ging mit einem Plus von fünf Prozent bei 8,85 Euro aus dem Handel. "Da findet inzwischen ein Umdenken statt", sagte ein Börsianer. Dass sich die Institute helfen lassen, "wird durchaus positiv gesehen". Zudem dürfte eine von vielen Marktteilnehmern befürchtete Kapitalerhöhung der Commerzbank damit vom Tisch sein, sagten andere Börsianer.
Die Aktien von Linde schlossen nach der Zahlenvorlage sechs Prozent im Plus. Im dritten Quartal steckte der Konzern die wirtschaftliche Eintrübung gut weg. Der Umsatz stieg von 3,07 Mrd. Euro im Vorjahreszeitraum auf 3,14 Mrd. Euro, das Ergebnis nach Steuern von 150 Mio. auf 191 Mio. Euro. "Wir spüren derzeit noch nichts von einer Wirtschaftskrise, wir halten Kurs", sagte Linde-Chef Wolfgang Reitzle. "Großteils wie erwartet", heißt es in einer ersten Einschätzung am Markt. "Vor allem der erneute Hinweis auf keine Probleme aus Finanzkrise und Refinanzierung beflügelt", sagt ein Händler. Zudem wurden die mittelfristigen Ziele zwar als "ambitioniert", aber "möglich" bezeichnet.
Im MDax schnellten Premiere-Aktien um 42 Prozent nach oben und führten damit die Gewinnerliste im MDax an. Einem Händler zufolge waren Schnäppchenjäger unterwegs. Auch von charttechnischer Seite gebe es Kaufsignale, ergänzte ein anderer. Ein weiterer Börsianer verwies auf Aussagen der Deutschen Fußball-Liga zur Vermarktung der Bundesliga. "Die Statements von Freitag könnten noch nachwirken, wonach das höchste Ergebnis nicht immer das Beste sei." Der Markt setze weiter auf die Exklusivrechte für Premiere.
Der gescheiterte Anlauf zur Ablösung der hessischen CDU-Regierung gab den Aktien von Fraport Auftrieb. Die Papiere des Flughafenbetreibers gehörten mit einem Plus von mehr als zehn Prozent zu den Favoriten im Nebenwerte-Index MDax. SPD und Grüne hatten in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, den geplanten Ausbaus des Frankfurter Flughafens aufzuschieben. Nach Aussagen aus SPD-Kreisen wollen vier SPD-Abgeordnete ihrer Landesvorsitzenden Andrea Ypsilanti die Gefolgschaft verweigern. Bei ihrer für Dienstag geplanten Wahl zur Ministerpräsidentin einer von der Linkspartei tolerierten rot-grünen Minderheitsregierung wollten sie nicht für sie stimmen.
Auch die Papiere von K+S legten nach dem Rückschlag für Ypsilanti weiter zu und notierten 3,1 Prozent fester bei 31,63 Euro. Der Düngemittel-Hersteller steht wegen Salzeinleitungen in die Werra bei SPD und Grünen besonders stark in der Kritik. Die beiden Parteien hatten vereinbart, die Werra bis 2020 wieder zu einem "naturnahen Gewässer" zu machen.
Im TecDax sprang die Aktie von Solarworld um 7,5 Prozent ins Plus. Das Unternehmen hat Quartalsergebnisse vorgelegt, die Analysten als ausgezeichnet lobten.
IDS Scheer verteuerten sich um 11,42 Prozent auf 5,46 Euro. IDS-Chef August-Wilhelm Scheer schloss in der "WirtschaftsWoche" erstmals einen Verkauf des Unternehmens nicht aus. "Es geht um mein Lebenswerk", bekannte er in einem Interview mit dem Magazin. Der Verkauf des in der Krise steckenden Unternehmens wäre "keine unrealistische Entwicklung". Die Gewinnmarge von IDS Scheer schrumpfte von rund 14 Prozent im Jahr 2003 auf sechs Prozent im ersten Halbjahr dieses Jahres und das angepeilte Margenziel für 2008 wurde von acht bis neun auf drei bis vier Prozent gesenkt. Händlern zufolge gibt dies den Übernahmespekulationen neuen Schwung.
Drägerwerk verloren am TecDAX-Ende gegen den Trend 1,8 Prozent auf 30,27 Euro. Händler verwiesen auf eine Kurszielsenkung durch Dresdner Kleinwort (DKIB) von 42,5 auf 34,0 Euro. Dies habe Gewinnmitnahmen ausgelöst, sagte ein Händler.
Quelle: ntv.de