Trotz starken Westwindes Dax über 6000
15.09.2008, 17:47 UhrGeschockt durch einen neuen Höhepunkt der Finanzkrise haben die deutschen Aktienmärkte eine rasante Talfahrt hingelegt. Der Dax markierte am frühen Nachmittag mit 5942,14 Zählern den tiefsten Stand seit dem 5. Oktober 2006, erholte sich aber wieder. Nach längerem Verweilen unter der 6000-Punkte-Marke ging der Leitindex am späten Nachmittag wieder hoch.
Grund für die Erholung war das Pumpen von Milliardenbeträgen in den Geldmarkt durch die Notenbanken. Zudem wurde an der Wall Street darüber spekuliert, dass die US-Notenbank Fed bei ihrem Zinsentscheid am Dienstag den Leitzins wieder senkt. Dieser liegt momentan bei 2,0 Prozent. Allerdings verloren auch die amerikanischen Börsen nicht so stark wie befürchtet.
"Die US-Börsen fallen nicht weiter und die Futures rollen ihr Minus ein", sagte ein Händler. Dies sorge auch im Dax-Future für weitere Eindeckungen bei sehr hohen Umsätzen.
Der Dax schloss um 2,7 Prozent leichter bei 6064 Punkten. Für den MDax ging es um 4,3 Prozent auf 7763 Zähler nach unten. Der TecDax verlor 3,3 Prozent auf 739 Punkte.
"Der Markt hyperventiliert. Börsianer sind bei allen Finanzwerten nun extrem vorsichtig und klopfen sie präzise auf ihre Risiken ab", hatte zuvor ein Marktstratege die Vorgängen auf dem Parkett kommentiert. In dieser schwierigen Vertrauensfrage sei es Aufgabe der Notenbanken, ausreichend Liquidität zur Verfügung zu stellen.
Aus den USA hatten sich in der Nacht zum Montag die schlechten Nachrichten um die angeschlagenen Finanzunternehmen überschlagen: Bei den Investmentbanken beantragte Lehman Brothers Gläubigerschutz und Merrill Lynch wird von der Bank of America übernommen. Der größte US-Versicherer AIG steht ebenfalls vor harten Einschnitten und bat die Fed kurzfristig um eine Finanzspritze in Höhe von 40 Mrd. Dollar.
LBBW-Analyst Martin Peter hält die sich extrem verschärfende Kreditkrise für sehr bedrohlich für das gesamte globale Finanzsystem. Ein solches Zusammentreffen von Liquiditäts- und Kapitalproblemen habe es in den vergangenen Jahrzehnten nicht gegeben. Sein Helaba-Kollege Pillep warnte vor einer Schockwelle mit Dominoeffekt. Vor diesem Hintergrund dürften die am Nachmittag erwarteten US-Konjunkturdaten in den Hintergrund treten und kaum Auswirkungen auf die Aktienkurse haben.
Alle Augen blieben natürlich auf die Banken- und Versicherungstitel gerichtet. Commerzbank brachen am Dax-Ende um 9,0 Prozent ein. Die Papiere hatten zuvor Verluste von mehr als 13 Prozent verzeichnet. Allianz verbilligten sich um 6,1 Prozent, Deutsche Bank um 6,4 Prozent. Für Postbank ging es um 7,3 Prozent nach unten. Neben den schlechten Nachrichten vom Wochenende priesen die Anleger bei dem Papier auch die Übernahmephantasie aus. Hypo Real Estate verzeichneten mit 4,4 Prozent einen für Finanzwerte moderaten Verlust.
Unter den Einzelwerten standenunter anderem die Papiere von BASF im Blickpunkt der Anleger. Der Ludwigshafener Konzern übernimmt den Schweizer Wettbewerber Ciba für 50 Schweizer Franken je Ciba-Aktie. Die Offerte bewertet das Unternehmen mit 3,8 Mrd. Euro. Die Prämie erscheint recht hoch und Ciba ist nicht unbedingt das attraktivste Ziel im Sektor", sagte ein Börsianer. Zuvor hatte es zum wiederholten Male entsprechende Übernahmespekulationen gegeben. BASF-Aktien sackten mit dem sehr schwachen Markt um 4,2 Prozent ab.
Lufthansa gaben um 1,4 Prozent nach. Das Unternehmen steigt bei der belgischen Fluggesellschaft Brussels Airlines ein. Dazu will die Kranich-Airline in einem ersten Schritt 45 Prozent an der Brussels-Airlines-Mutter SN Airholding übernehmen. Ab 2011 hat Lufthansa dann die Option, die übrigen 55 Prozent der SN Airholding zu erwerben.
Eine Gewinnwarnung belastete die Aktie von Continental wegen des laufenden Übernahmeprozesses durch Schaeffler unterdessen nur wenig. Der Autozulieferer wird seine Gewinnziele für das laufende Jahr wegen der nochmals deutlich verschlechterten Rahmenbedingungen in Nordamerika und Europa sowie die unverändert hohen Belastungen durch die gestiegenen Rohstoffkosten verfehlen. Von einem Händler hieß es indes, die Nachricht komme nicht überraschend. Im Dax konnten sich Continental-Aktien mit minus 0,6 Prozent noch mit am besten halten.
Papiere der Deutschen Post hielten sich mit minus 2,7 Prozent deutlich besser als der Gesamtmarkt. Nach einem Zeitungsbericht schließt die Post einen kompletten Rückzug aus dem verlustreichen US-Expressgeschäft nicht mehr aus.
TUI rutschten dagegen um 3,7 Prozent ab. Vorstandschef Michael Frenzel prüft einem Medienbericht zufolge eine Fusion des Fluglinien-Ablegers TUIfly mit der zweitgrößten deutschen Airline Air Berlin. TUI könnte für die Charter- und Billigflugtochter Anteile an der erweiterten Air Berlin erhalten. Air Berlin verbilligten sich um 2,2 Prozent.
Quelle: ntv.de