"Endlich reagieren die Märkte rational" Dax springt über die Latte
11.11.2013, 19:18 Uhr
An der Börse beginnt die "fünfte Jahreszeit" mit leichten Kursgewinnen in großer Höhe: Der Dax steigt im Verlauf bis auf 9124,24 Punkte.
(Foto: REUTERS)
Der deutsche Aktienmarkt klettert zu Wochenbeginn in neue Höhen. Erstmals in seiner knapp 25-jährigen Geschichte schließt der Dax jenseits der Marke bei 9100 Punkten. Ganz anders sieht es bei den Windenergie-Aktien aus. Nordex-Papiere schließen tief im Minus.
Schwacher Start, starker Abschluss: Nach den EZB-getriebenen Kursausschlägen der vergangenen Tage geht die Rekordjagd am deutschen Aktienmarkt kaum gedrosselt weiter. Der Dax verabschiedet sich mit einem Plus von 0,33 Prozent auf 9107,86 Punkte aus einem recht ruhigen Handelstag und markiert damit zugleich einen neuen Rekord: Zum ersten Mal in seiner 25-jährigen Geschichte schließt der Index über der Marke von 9100 Zählern. Der MDax, der bereits in der Vorwoche ebenfalls eine neue Bestmarke erreicht hatte, stieg zum Wochenbeginn um 0,78 Prozent auf 16.194,60 Punkte. Der TecDax rückte um 0,59 Prozent auf 1140,71 Punkte vor.
Europaweit zogen die Kurse weiter an: Der Eurostoxx50 legte um 0,6 Prozent zu. Die Umsätze waren dünn, sie litten unter den Feiertagen in Frankreich und den USA. Dort hat zwar der Aktienmarkt geöffnet, der Anleihenmarkt bleibt am "Veteranentag" aber geschlossen. In New York lag der Dow Jones Industrial zum Handelsschluss in Europa mit 0,14 Prozent im Plus.
Die Stimmung profitierte laut Händlern nach wie vor von der Leitzinssenkung in der Eurozone und vom starken US-Arbeitsmarktbericht. "Händler sind liquiditätssüchtig, aber die große Mehrzahl der Aktienanleger will Gewinnwachstum durch ein Anziehen der Wirtschaftsaktivität", sagte Guy Foster von Brewin Dolphin. Mit der Leitzinssenkung und den starken US-Daten hat der Markt nun beides bekommen.
"Endlich reagieren die Märkte rational auf Wirtschaftsdaten", schrieben die Analysten von Credit Agricole CIB in einem Kommentar. Zwar erhöhten die US-Zahlen die Wahrscheinlichkeit einer baldigen Straffung der dortigen Geldpolitik, sie würden aber auch als Zeichen einer wirtschaftlichen Erholung gewürdigt.
Trotz der wochenlangen Schließung von Bundesbehörden im Zusammenhang mit dem Etatstreit schufen die US-Unternehmen im Oktober 204.000 neue Stellen - fast doppelt so viel wie erwartet. In China wuchsen die Exporte im vergangenen Monat zum Vorjahresmonat um 5,6 Prozent. Analysten hatten lediglich mit einem Plus von 3,2 Prozent gerechnet.
Kursrutsch bei Windkraft-Aktien
Allerdings gab es in Europa auch große Verlierer: Stark unter Druck standen zu Wochenbeginn vor allem die Aktien aus dem Windenergiesektor. Hier reagierten Anleger auf die ersten Beschlüsse aus den laufenden Koalitionsverhandlungen zwischen Unionsparteien und SPD zum Umgang mit Förderinstrumenten im Windanlagenbau.
Den bisher vorliegenden Angaben zufolge kommen auf die Windkraftbranche deutliche Förderkürzungen zu. "Offenbar versucht die Große Koalition sich unter Gesichtswahrung ein bisschen von der Energiewende zu verabschieden", sagte Aktienstratege Robert Halver von der Baader Bank.
Die Aktien von Nordex brachen um 16,4 Prozent ein und notierten am Abend bei 11,49 Euro. Auch der Kurs von PNE Wind stand unter Druck und gab um 13,8 Prozent nach. Aktien international aufgestellter Branchenunternehmen verloren ebenfalls: Der dänische Konzern Vestas beispielsweise büßte auf Xetra 4,3 Prozent ein.
Obwohl die Solarbranche nach den Kürzungsrunden der vergangenen Jahre diesmal weitgehend verschont bleiben soll, stießen Anleger auch diese Titel vorsichtshalber ab. SMA Solar und Solarworld verloren 1,7 beziehungsweise 2,5 Prozent.
Der Energieversorger Eon legte dagegen 0,8 Prozent zu. "Es wird klar kommuniziert, dass weiter auf Kohle und konventionelle Energie gesetzt wird", sagte Halver. "Die SPD hat eine starke Basis in Nordrhein-Westfalen, da geht es um Tausende Arbeitsplätze."
Besonders gefragt waren zu Wochenbeginn im Dax die Aktien von Infineon. Händler sprachen von Kaufinteresse vor den neuen Geschäftszahlen am Dienstag. Sie hoffen, dass die jüngsten Aussagen aus dem Unternehmen zu einem Durchschreiten der Talsohle und einer zuversichtlichen Zukunftsperspektive untermauert werden. Positive Impulse sieht er vor allem aus den USA. Infineon wird an diesem Dienstag die Zahlen für das abgelaufene Geschäftsjahr 2012/13 vorstellen. Der Kurs zog um 2,4 Prozent an.
Vor ebenfalls am Dienstag erwarteten Quartalszahlen der Deutschen Post legten deren Aktien um knapp 2 Prozent zu. Der Boom bei Paketen und Express-Sendungen dürfte dem Bonner Logistiker auch im Sommer mehr Gewinn beschert haben.
Die Aktien des Versicherungskonzerns Allianz profitierten weiter von den bereits am Freitag vorgelegten Geschäftszahlen und gewannen 1,4 Prozent. Unter den Einzelwerten im Dax waren die Titel der Deutschen Telekom schwächster Wert mit minus 0,93 Prozent auf 11,24 Euro. In einer Studie der US-Investmentbank Goldman Sachs hieß es, dass die Bonner mittlerweile strukturell zwar besser aufgestellt seien, sich im Vergleich zu europäischen Kabelnetzbetreibern aber unverändert im Nachteil befänden. Zudem hatte der Konzern am Wochenende den Kauf des Telekommunikationsdienstleisters GTS Central Europe für mehr als eine halbe Milliarde Euro bekannt gegeben.
Schwächer zeigten sich auch Daimler und Volkswagen, wohingegen BMW nach Oktober-Absatzzahlen etwas zulegten. Daimler-Titel litten laut Börsianern unter kritischen Äußerungen von Merrill Lynch.
Die Aktien von Kabel Deutschland, die nach endgültigen Zahlen für das zweite Geschäftsquartal zeitweise schwächer tendiert hatten, schlossen am Ende 0,63 Prozent fester.
In Europa geriet zudem der Rohstoffsektor mit einem Branchenminus von knapp 1 Prozent unter Druck. JP Morgan hat die Unternehmen insgesamt auf "Untergewichten" heruntergestuft. Das Minus von 0,7 Prozent in der Medienbranche lag an BSkyB. Die Aktien des britischen Bezahlsenders verloren fast 11 Prozent, nachdem der BSkyB die Übertragungsrechte für die Champions-League an die BT Group verloren hat. BT Group zogen um 0,5 Prozent an.
Insgesamt blieben Beobachter skeptisch, in welche Richtung der Wind am Aktienmarkt drehen wird. "Nach dem jüngsten Arbeitsmarktbericht am Freitag letzter Woche kamen Sorgen auf, dass die US-Notenbank Fed die ultralockere Geldpolitik drosseln könnte. Inzwischen scheinen die Bedenken vor einem Ende der Geldschwemme ausgeräumt zu sein", sagte Christian Henke vom Broker IG. "Bis zum heutigen Tag warten die Investoren weiterhin auf eine heftige Korrektur. Bislang blieb eine solche Konsolidierung aus." Vielmehr hätten Anleger Kursrücksetzer zum Einstieg genutzt.
Am Rentenmarkt stieg die Umlaufrendite börsennotierter Bundeswertpapiere von 1,37 Prozent am Freitag auf 1,41 Prozent. Der Rentenindex Rex fiel um 0,09 Prozent auf 133,01 Punkte. Der Bund Future rückte um 0,10 Prozent auf 141,15 Punkte vor. Der Kurs des Euro fiel. Die EZB setzte den Referenzkurs am frühen Nachmittag auf 1,3394 (Freitag: 1,3431) Dollar fest. Der Dollar kostete damit 0,7466 (0,7445) Euro.
Quelle: ntv.de, mmo/DJ/dpa/rts