Linde, Wacker, Swiss und USA Dax verschnupft erwartet
04.05.2012, 08:40 Uhr
Der deutsche Aktienmarkt am Donnerstag: Nach Draghis Erläuterungen zum Zinsentscheid trübt sich die Stimmung deutlich sichtbar ein.
(Foto: REUTERS)
Am deutschen Aktienmarkt bereiten sich die Beobachter auf einen leicht unterkühlten Einstieg in den letzten Handelstag der Woche vor. Beherrschendes Thema am Parkett ist der anstehende Arbeitsmarktbericht aus den USA. Zahlen von Linde, Wacker Chemie und Swiss Re sorgen für Bewegung.
Der Dax wird Banken und Brokern zufolge am Freitag zum Handelsstart seine Kursverluste fortsetzen. Der Leitindex hatte am Donnerstag bereits 0,2 Prozent auf 6694 Zähler eingebüßt.
Konjunkturdaten aus den USA dürften den Ton an den Börsen angeben. Gespannt warteten Börsianer auf die am Nachmittag anstehenden US-Arbeitsmarktdaten für April. Die Daten werden gegen 14.30 Uhr (MESZ) erwartet. Im Vorfeld befragte Analysten rechnen mit etwa 170.000 neu geschaffenen Jobs nach einem Zuwachs von 120.000 im Vormonat. Nur bei einer Zunahme der Beschäftigung unter 100.000 werde es am Markt einen Ausverkauf geben, meinte Otis Casey von Markit Credit Research. "Die Flüsterschätzungen an der Wall Street lassen erwarten, dass die Ergebnisse enttäuschen", sagte Stan Schamu von IG Markets. Den ADP-Arbeitsmarktbericht vom Mittwoch bezeichneten Beobachter als einen "Warnschuss", da er die Schätzungen der Volkswirte deutlich unterboten habe.
Nach dem Zahlen-Feuerwerk vom Vortag mit zehn Quartalsergebnissen allein aus dem Dax öffnete mit dem Industriegasspezialisten Linde ein weiteres Schwergewicht seine Bücher. Analysten zeigten sich zufrieden: Linde bleibt 2012 auf Erfolgskurs. Die robuste Gasenachfrage und weitere Einsparerfolge haben dem Gase- und Anlagenbaukonzern zu einem guten Jahresauftakt verholfen. Umsatz und Gewinn legten erneut kräftig zu. Die Erlöse kletterten dank der guten Geschäfte mit Industriegasen in den Schwellenländern und Amerika um 5,4 Prozent auf 3,5 Mrd. Euro. Nach Steuern und Anteilen anderer Gesellschafter verdiente Linde noch 287 Mio. Euro und damit gut 1 Prozent mehr als im Vorjahr. Mit diesen erfüllte der Konzern die Analystenerwartungen, zum Teil wurden sie sogar übertroffen. Die Jahres- und Mittelfristprognosen bestätigte Linde.
Am Markt kamen die Linde-Ergebnisse gut an: Als "einen Tick besser" bis "in line" bezeichneten Händler die Zahlen. Gut seien der weiter bestätigte Ausblick und das Ebitda, Vorsteuerergebnis und Ergebnis je Aktie lägen leicht unter Erwarten. "Die Abweichungen liegen aber im Rauschbereich, an den per Saldo guten Daten ändert das nichts", sagte ein Händler. Umsatz und Gewinn hätten kräftig zugelegt, das Sparprogramm werde erfolgreich umgesetzt.
Daneben hebt er vor allem die Bestätigung der mittelfristigen Prognosen hervor: "Das ist wichtig und gut für Kalkulationssicherheit von Langfrist-Investoren". Die Aktie dürfte dies stützen.
Die Aktien des Energieversorgers Eon und des Baustoffkonzerns Heidelbergcement werden am Tag nach ihren großen Hauptversammlungen mit dem üblichen Dividendenabschlag gehandelt.
Als "ausgezeichnet" bezeichneten Händler die Geschäftszahlen von Swiss Re. Die Aktie sollte davon deutlich profitieren und damit auch den Wettbewerbertitel Munich Re stützen, hieß es. "Vor allem der Nettogewinn ist ja fast doppelt so hoch wie erwartet ausgefallen", sagte ein Händler. Auch die Schaden-Kosten-Quote zeige sich sehr gut. Der Sprung zurück in die Gewinnzone sei damit eindrucksvoll gelungen. Allerdings gab es auch skeptische Stimmen: "Die Zahlen sind fast zu gut, so dass man sich fragt, ob es nicht irgendwelche Sondereffekte gab", meinte ein Händler. Zudem müsse man wegen der Abhängigkeit der Rückversicherer von Katastrophen vorsichtig sein: "Ein gutes Quartal kann man nicht aufs ganze Jahr hochrechnen".
Die Aktien von K+S wurden am Morgen etwas fester erwartet. "Hier sollten die ausgezeichneten Zahlen von CF Industries treiben", sagte ein Händler mit Verweis auf den US-amerikanischen Vergleichswert. Der Düngemittel-Hersteller aus der Nähe von Chicago konnte von steigenden Preisen und dem generellen Agrarboom in den USA profitieren. "Die Hoffnung auf gute US-Absätze sollte K+S stützen", so ein anderer Händler. Immerhin sei CF nach der Übernahme von Terra vor zwei Jahren zum größten US-Hersteller von Nitrodünger aufgestiegen und damit repräsentativ für die Entwicklung der Branche. Bremsend für K+S könnte nur der am Freitag erwartete Kursdruck auf die rohstoffnahen Aktien in Europa wirken. Bei sehr niedrigen Umsätzen fielen die Aktien im Frankfurter Spezialistenhandel um 0,2 Prozent zurück.
"Einen Tick besser als erwartet", hieß es im Handel zu den Geschäftszahlen von Wacker Chemie. Das Vorsteuerergebnis (Ebitda) liege im Rahmen, Ebit und Umsatz hingegen über den Erwartungen. Die Prognose habe das Unternehmen bestätigt. "Da Wacker in den letzten Wochen auf keine Herunterstufung mehr negativ reagiert hatte, spricht alles für eine Fortsetzung der Bodenbildung", so ein Marktbeobachter. Die Aktie sollte weiter deutlich steigen. Die Bodenbildung über 57 Euro seit Dezember letzten Jahres bezeichnete ein technischer Analyst als "eindrucksvoll und stabil". Bei Lang & Schwarz wurde der Titel vorbörslich 0,6 Prozent fester getaxt.
Die Aufmerksamkeit der Anleger im europäischen Bankensektor konzentrierte sich vor der entscheidenden Stichwahl in Frankreich auf die französische Großbank BNP Paribas. Die Ergebnisse der Bank deckten sich weitgehend mit den Erwartungen, dies dürfte jedoch von den französischen Wahlen in den Hintergrund gedrängt werden, sagte ein Händler. "Die Societe Generale hat gestern auch ordentliche Zahlen veröffentlicht und trotzdem hat die Aktie ins Minus gedreht. Die Aussicht auf Hollande als , der für die Banken nachteilige Maßnahmen ergreift, lastet auf den französischen Bankenaktien", sagte der Händler.
Der französische Baustoffkonzern Saint-Gobain legte solide Geschäftszahlen vor. Verantwortlich dafür war das starke Nordamerika-Geschäft, so hieß es, das die Schwäche in anderen Bereichen ausgeglichen habe. Auch Wettbewerber Lafarge übertraf mit seinen Quartalszahlen die Erwartungen. "Der Umsatz liegt um drei Prozent über unserer Schätzung und der operative Gewinn um 4 Prozent", sagte ein Händler. Sehr gut habe das Unternehmen auf dem wichtigsten Markt Naher Osten/Afrika und auch in Asien abgeschnitten. Auch in Westeuropa seien die Geschäfte überraschenderweise besser gelaufen als erwartet. Einziger kleiner Wermutstropfen sei der Verlust in Nordamerika, der das insgesamt gute Zahlenwerk aber nicht wirklich eintrübe. Wie auch bei Saint-Gobain prognostizieren die Händler steigende Kurse.
Nach Handelsschluss in Europa hatten die großen Börsenbarometer an der Wall Street ihre Verluste ausgeweitet. Der Dow-Jones-Index schloss 0,5 Prozent im Minus, der S&P-500 fiel um 0,8 Prozent und der Nasdaq-Composite büßte 1,2 Prozent ein. Die Börse in Tokio blieb am Freitag wegen eines Feiertages geschlossen, der Index in Shanghai gewann 0,1 Prozent.
Quelle: ntv.de, DJ/rts