Marktberichte

Inside Wall Street Der Bulle in der Kälte

Die Sektflaschen sind längst im Altglas-Container, der Neujahrsrausch ausgeschlafen und die guten Vorsätze vergessen - doch an der Wall Street hat man allen Grund, das Jahr 2009 noch einmal zu begrüßen. Die steilen Einbrüche seit Mitte der Woche zeigen, dass die Feierlaune der letzten Tage nicht von Dauer ist; der Trend für das Börsenjahr hat sich gerade erst gezeigt.

Da hilft es nichts, dass am Donnerstagmorgen ein leibhaftiger Bulle vor der New York Stock Exchange geparkt war. Der gut zwei Tonnen schwere "Buck Shot" trotzte der Kälte, während drinnen eine Handvoll Cowboys die Eröffnungsglocke läutete, um den Erfolg der von Ford gesponserten Rodeo-Tour zu feiern. Von Passanten umlagert, schien "Buck Shot" zu wissen, dass er nicht an die Wall Street gehört. In seinem kleinen Stahl-Gehege stand er unbewegt da, während um ihn herum die Bären ungetrübt zu Werke gingen.

Sie hatten das bessere Futter. Seit Dienstag brechen die negativen Schlagzeilen über die Wall Street herein, ganz wie man das für den Beginn des neuen Jahres befürchtet hatte. Alcoa restrukturiert und entlässt 13.000 Mitarbeiter. Intel brechen die Chip-Umsätze um fast 25 Prozent ein. Am US-Arbeitsmarkt sollen im Dezember mehr als eine halbe Million Jobs weggefallen sein. Zu guter letzt meldete auch noch Wal-Mart ein schwaches Weihnachtsgeschäft.

Ausgerechnet Wal-Mart. Die Billigkette hatte bis zuletzt davon profitiert, dass in wirtschaftlich schweren Zeiten immer mehr Verbraucher aus dem Mittel- ins Tiefpreissegment wechselten. Ein Blick auf die Bilanz des weltgrößten Einzelhändlers lässt nun aber befürchten, dass viele Shopper nicht nur einige Klassen billiger eingekauft haben - sondern gar nicht mehr.

Damit ist klar, worauf man sich in den nächsten drei Monaten einstellen kann. Auf weitere schlechte Zahlen von Einzelhändlern aus allen Sektoren. Und auf Pleiten an allen Ecken und Enden. Dabei sollte die Wall Street nicht nur auf schlechte Nachrichten von Branchenriesen wie Circuit City achten, sondern auch auf die zu erwartenden Schließungen vieler kleiner Läden, Restaurants, Bäckereien, und sonstiger Buden. Damit auch auf steigende Arbeitslosigkeit, die manche Experten auf über zehn Prozent steigen sehen.

Selbst unter den Optimisten an der Wall Street, und selbst in Washington, wo man sich sie Welt gerne schön redet, gibt es mittlerweile kaum mehr Stimmen, die die Rezession in Frage stellen oder an ein rasches Ende glauben. Barack Obama, dessen Amtseinführung in zwei Wochen das ganze Land entgegenfiebert, hat gerade noch einmal betont, wie dramatisch die Lage wirklich ist und mit welch drastischen Mitteln die Regierung eingreifen muss, um die Situation zu retten.

Dazu gehört ein weiteres Stimulus-Paket, das Steuersenkungen bringen und gleichzeitig ein landesweites Infrastruktur-Programm und massive Investitionen in Bildung und Ausbildung finanzieren soll. Ein solches Programm dürfte die US-Staatsverschuldung auf weit über 1 Billion Dollar erhöhen - aber es wird wohl funktionieren. Weil nicht nur drei Millionen Jobs entstehen sollen, sondern weil sie in den richtigen Sektoren entstehen sollen. Im Energiesektor, in der Gesundheitsbranche, in Bereichen, die für den Wohlstand des Landes wichtig sind.

Inmitten einer historischen Krise haben die Amerikaner allen Grund zu hoffen - gerade weil der neue Präsident die aktuellen Probleme nicht beschönigt. Wer ein Problem nicht erkennt, kann es nicht lösen. Insofern ist der erste Schritt getan, viele weitere müssen folgen. Langfristig ist die US-Konjunktur auf jeden Fall zu retten, auf schnelle Gewinne am Aktienmarkt ist aber nicht zu hoffen.

Quelle: ntv.de

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