Marktberichte

Inside Wall Street Der schwarze Montag

Selbst die Dinos an der Wall Street, die erfahrensten Banker, die seit Jahrzehnten im Financial District arbeiten, reiben sich am Montag die Augen: Drei der größten Häuser stehen gleichzeitig vor dem Aus - so etwas hat man noch nicht gesehen. Die Politiker übrigens auch nicht, und die schwören, dass das nie wieder vorkommen soll.

Der schwarze Montag, an dem Lehman Brothers bankrott ist, der Investmentriese Merrill Lynch von der Bank of America gekauft wird und der Versicherungsgigant AIG bei der Fed um überlebenswichtige Milliardenkredite bettelt, hat die Wall Street kalt erwischt. Dass in den letzten Wochen bereits Bear Stearns und IndyMac sowie zuletzt Fannie Mae und Freddie Mac vom Markt verschwunden sind, macht das ganze Ausmaß der Finanzkrise deutlich: Die Wall Street wird nie mehr so sein wie bisher - einige der größten Konzerne der allmächtigen Branche sind verschwunden.

Im Obama-McCain-Wahlkampf ist der Untergang der Finanzriesen natürlich das Top-Thema. McCain gab bei einem Auftritt in Florida wie gewohnt den Kämpfer gegen alles Unrecht. "Wir werden dafür sorgen, dass das nie wieder vorkommt", tönt der Republikaner. "Wir werden die Wall Street umkrempeln." Und in einem Werbespot, der seit Montagmorgen im Fernsehen läuft, meint ein Sprecher noch: "Nur die bekannten Reformer John McCain und Sarah Palin können das System reparieren."

Das ist natürlich eine dieser Unsäglichkeiten, für die McCain in den letzten Wochen bekannt geworden ist. Barack Obamas Wahlkampfsprecher Bill Burton hat schließlich nicht Unrecht, wenn er sagt: "John McCain sitzt seit 26 Jahren in Washington und hat bisher keinen Finger krumm gemacht, um die Wall Street zu regulieren und eine solche Krise zu verhindern."

Burton geht noch einen Schritt weiter: McCains Wahlkampf werde auch noch von den gleichen Lobbyisten organisiert, die in den letzten Jahren für eine ständige Lockerung aller Kontrollen im Finanzsektor eingetreten sind.

Das stimmt, und es dürfte McCain auch Stimmen kosten. Zumal er auch nicht verhehlen kann, dass im aktuellen Wahlkampf ein guter Teil seiner Ausgaben direkt aus dem New Yorker Finanzdistrikt beglichen wird. Unter den großzügigsten Spendern war bisher Merrill Lynch, ausgerechnet die Investmentbank, von der künftig nur noch ein Name übrig bleiben wird.

In dieser Beziehung ist allerdings auch Barack Obama nicht ganz frei von Beziehungen: Unter seinen Top-Spendern war Lehman Brothers, die Bank, die seit dieser Woche im Konkursverfahren steckt. Beide haben über ihre Mitarbeiter jeweils hunderttausende von Dollar in die Wahlkampfkassen der jeweiligen Kandidaten gesteckt. Allzuviel Einfluss dürften sie sich damit aber nicht erkauft haben. Denn die jüngsten Pleiten und die umstrittenen Rettungspakete, die Washington manchen Firmen geschnürt hat, haben für einen solchen Aufruhr gesorgt, dass drastische Reformen an der Wall Street für den nächsten Präsidenten wohl unumgänglich sind.

Quelle: ntv.de

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