Inside Wall Street Detroit braucht Visionen
06.11.2008, 20:45 UhrEin Jahrzehnt lang waren Ohio und Michigan fest in republikanischer Hand – es waren keine guten Jahre, und deshalb kam die politische Wende nicht überraschend. Unter George W. Bush ist die Automobil-Industrie in der Gegend zugrunde gegangen, jetzt kam die Abrechnung: Barack Obama gewann deutlich in beiden Staaten.
Die Wähler scheinen begriffen zu haben, dass den Republikanern Visionen fehlten. Die Partei war bis zuletzt resistent gegenüber Fortschritt und Entwicklung. Doch die wirtschaftlichen Trends haben gezeigt, dass nur neue Ideen und ein scharfer Richtungswechsel der Gegend helfen können, die wie keine zweite in Amerika unter steigender Arbeitslosigkeit leidet.
Die Auto-Bosse dürften sich wohl bis in die Wahlnacht hinein weiter auf die Seite von George W. Bush und seinem potenziellen Nachfolger John McCain gestellt haben. Denn unter der Regentschaft der Republikaner hatten sie es leicht. Washington hat die Branche stets vor neuen Auflagen beschützt, die in anderen Ländern längst Gang und Gäbe waren: Um verschärfte Richtlinien für effizientere Fahrzeuge mit weniger Benzinverbrauch musste sich Detroit etwa nicht kümmern und auch höhere Steuern auf verschwenderische SUV und Trucks wollte die Regierung nicht zulassen.
Damit mussten sich die Unternehmen nicht um die Auto-Nachfrage sorgen so lange der Sprit billig war. Dann aber kletterten Öl- und Benzinpreise und plötzlich wollte keiner mehr die Riesenkisten mit den hohen Gewinnmargen kaufen. Im Klein- und Mittelsegment konnten General Motors, Ford und Chrysler aber mit den europäischen und asiatischen Konkurrenten nicht mithalten – jetzt drohen Pleiten überall.
Zigtausende Arbeiter haben bereits ihre Jobs verloren, die Aktien der Branche notieren auf historischen Tiefständen. GM und Ford haben gerade einen Sonderkredit über 25 Mrd. Dollar von der Regierung bekommen, um ihre Fabriken zu modernisieren; am Donnerstag trafen sich die Manager der „Großen Drei“ mit den Demokraten, um über weitere 25 Mrd. Dollar zu verandeln.
Hoffentlich fließt dieses Geld nicht. Vor allem GM verbrennt zur Zeit derart viel Geld, dass sich mit diesem, immerhin vom Steuerzahler gedeckten, elfstelligen Betrag ein Konkurs höchstens aufschieben lassen könnte. Statt weiter Kohle in die Konzerne zu pumpen, täte man gut daran, einmal die beiden einzigen realistischen Szenarien für die Auto-Industrie zu beleuchten:
Zum einen könnten GM und Ford pleite gehen. Damit wäre für ausländische Konzerne – vor allem Renault/Nissan, aber auch Toyota und Honda sowie interessierte Europäer – der Weg frei, aus der Konkursmasse die besten Stücke herauszusuchen, die Produktion einiger ausgesuchter Modelle fortzusetzen und einen großen Teil der Arbeitsplätze zu erhalten. Vor einem Konkurs dürfte eine Übernahme von GM oder Ford kaum interessant sein, weil sich kein ausländischer Investor auf die hohen Versicherungs- und Rentenkosten der Konzerne einlassen will.
Ein anderer Weg zur Erhaltung von GM und Ford wäre, dass die Regierung massiv Geld zuschießt, dafür aber einen Großteil der Unternehmen übernimmt und Hauptaktionär wird. Dann könnten die bisherigen Manager entlassen und durch Visionäre ersetzt werden, die Wege aus der Krise etwa in der raschen Entwicklung und Lizenzierung neuer Technologien suchen würde.
Die bisherigen Manager sind dazu nicht in der Lage, wie jüngste Kommentare aus Detroit zeigen. So hat GM gerade angekündigt, am Freitag über massive Umstellungen im Konzern zu sprechen; zu den aktuellen Sparmaßnahmen soll ein vorläufiger Verzicht auf weitere, neue Entwicklungen gehören. Damit zeigt man sich ebenso verbohrt wie die Republikaner, die im Wahlkampf in Michigan noch darauf bestanden haben, dass man Jobs in der Autoindustrie retten könne, wenn man nur daran glaube.
In dieser Woche haben die meisten Republikaner ihre Jobs verloren, das Land – und vor allem die Auto-Industrie – ist jetzt für einen großen Wandel bereit und braucht Visionen.
Quelle: ntv.de