Marktberichte

Inside Wall Street Ende der Zinssenkungen?

Zu Alan Greenspans Zeiten gab es den "Brieftaschen-Indikator". Da schaute die Wall Street am Morgen jeder Notenbanksitzung ganz genau hin, wenn der Chairman das Gebäude der Federal Reserve in Washington, D.C. betrat, hoffte auf Hinweise auf eine mögliche Zinsentscheidung. Diese Zeiten sind längst vorbei.

Heutzutage warten die US-Börsen einfach ab. Und das hat sich in den letzten Monaten sicher bewährt. Denn unter Ben Bernanke ist nicht mehr möglich, was man unter Greenspan hoffte: aus einfachen Gesten und eben sogar der Brieftasche des Chairmans die Zukunft lesen zu können: War das braune und stets leicht abgewetzte Ding am Morgen prall gefüllt, schloss der Markt auf eine volle Agenda - und eine Veränderung des Zinssatzes.

Seit Bernanke die Fed führt, ist der Indikator in das staubige Verließ der Wall-Street-Anekdoten verschwunden, und das hat zwei Gründe: Seit immer mehr Daten auf USB-Sticks statt auf Papier verarbeitet werden, lässt sich am Inhalt der Tasche beim besten Willen nichts erkennen. Und: Subtile Frühindikatoren auf die Zinspolitik haben sich unter Bernanke schon oft als verheerend herausgestellt. Ob das die Gewichtung der Risiken war oder eine unbedachte Aussage beim Abendessen in Finanzkreisen, Bernanke hat den Markt hin und wieder in die Irre geführt - ungewollt, wohlgemerkt.

Die Börse hat daraus gelernt; man ist in Bezug auf Prognosen vorsichtig geworden. Entsprechend ruhig haben sich die US-Indizes in den letzten anderthalb Wochen verhalten. Anleger wollen erst wissen was kommt, sie wollen das Statement lesen - und dann handeln. Spekulationen gibt es dennoch: Die meisten Experten gehen davon aus, dass der Offenmarktausschuss am Mittwoch den Leitzins um 25 Basispunkte auf 2,0 Prozent senken und gleichzeitig ein Ende der Zinssenkungen in Aussicht stellen.

Da die Wall Street trotz aller Schwierigkeiten im Markt ihren Spieltrieb natürlich nicht ganz aufgegeben hat, haben sich in den letzten Tagen aus zwei Schlagworte entwickelt, die das zu Erwartende beschreiben. Auf dem Parkett kursierten "One and Done" und "Two and Through" - das erste Motto sagt etwa "noch eine Senkung, und das war's"; und das zweite meint, der Zinssatz gehe "runter auf 2 Prozent, und das war's". Im Grunde ist man sich also einig.

Sicher ist, dass nach dieser Zinssenkung - wenn sie kommt - auch wirklich einmal Schluss sein muss. Dass der Leitsatz seit Monaten immer weiter runter geht, hat dem Markt zuletzt mehr geschadet als genutzt. Zum einen haben die niedrigeren Zinsen die Finanzmärkte nicht wie erhofft aufgetaut, sondern sind in den Banken versickert. Und zum anderen haben die massiven Liquiditätsspritzen der letzten Monate die Inflation auf ein beängstigendes Niveau getrieben und noch dazu den Dollar auf Allzeit-Tiefstände gerammt.

Ob die Fed in ihrem Statement darauf eingehen wird, ist natürlich offen. Der Markt jedenfalls wartet ab.

Quelle: ntv.de

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