Schwellenländer beginnen zu schwitzen Euro überspringt die Hürde
20.08.2013, 15:30 Uhr
Der Niedrignzins ist nicht bedingungslos: Die Bundesbank erinnert die Märkte an die Realitäten.
(Foto: REUTERS)
Weltweit setzt die Unsicherheiten über die künftige Zinspolitik in den USA und Europa den Devisenmärkten zu: Besonders trifft es die Schwellenländer, aus denen Investoren nun Kapital abziehen. Der Euro legt dagegen deutlich zu - die Bundesbank weist darauf hin, dass die EZB sehr wohl auch auf die Inflation schauen muss.
Zinsfantasien haben den Euro kräftig anziehen lassen. Zugleich belastet die Verunsicherung der Anleger über die weitere Zinspolitik der US-Notenbank Fed den Dollar. Nach mehreren Anläufen meistert die Gemeinschaftswährung die Marke von 1,34. Am Nachmittag kostet sie 1,3435 Dollar - und notiert damit so hoch wie seit Mitte Februar dieses Jahres nicht mehr.
Die Europäische Zentralbank (EZB) legt einen Referenzkurs von 1,3392 Dollar fest, nach 1,3344 Dollar am Vortag. Der Greenback kostete damit 0,7467 Euro. Zu anderen wichtigen Währungen wird der Referenzkurse für einen Euro auf 0,85490 britische Pfund, 130,33 japanische Yen und 1,2323 Schweizer Franken festgestellt.
Der Dollar folge dem Rückgang der Zinsen für US-Staatsanleihen am Rentenmarkt, sagte ein Händler in London. Die Rendite der zehnjährigen Staatsanleihen, die am Vortag noch zeitweise ein Zwei-Jahres-Hoch erreicht hatte, rutschte auf 2,83 von 2,89 Prozent ab. Allerdings gaben auch die Renditen der entsprechenden Bundesanleihen wieder etwas nach. Der Bund-Future stieg um 50 Ticks auf 140,43 Punkte.
Bei der Bundesbank wächst die Zuversicht
Ein Grund für den in Ansätzen bereits am Vortag zu beobachtenden Anstieg der Einheitswährung ist nach Ansicht von Analysten auch auf den Monatsbericht der Bundesbank zurückzuführen. Die deutschen Währungshüter hatten sich nicht nur zuversichtlich zur konjunkturellen Lage geäußert, sondern auch das jüngste Niedrigzins-Versprechen der EZB im Rahmen des geldpolitischen Mandats interpretiert. Zugleich machten sie aber Vorbehalte geltend, unter denen das Billiggeld-Bekenntnis im Währungsraum steht. Sollte die Inflation aus dem Ruder laufen, könne der Kurs rasch angepasst werden, lautete die Klarstellung.
Die EZB hatte Anfang Juli erstmals angekündigt, dauerhaft beim rekordniedrigen Leitzins von 0,5 Prozent zu bleiben oder sogar weiter zu senken. Die Einschätzung der Bundesbank verdeutliche jedoch, dass Zinserhöhungen in absehbarer Zeit nicht gänzlich auszuschließen seien, hieß es aus dem Handel.
Bislang kauft die Fed zur Ankurbelung der US-Konjunktur monatlich Anleihen und Immobilienpapiere im Volumen von 85 Milliarden Dollar auf. "Die Anleger wollen nicht mehr auf dem Markt sein, je stärker wir uns dem Beginn des Ausstiegs nähern", sagte Händler Scott Graham von BMO Capital Markets.
In Norwegen schickt das enttäuschende Wachstum des Bruttoinlandsproduktes (BIP) die Norwegische Krone auf Talfahrt. So stieg das BIP im zweiten Quartal lediglich um 0,2 Prozent, während Analysten ein Wachstum von 0,6 Prozent prognostiziert hatten. Wurde der Euro vor Veröffentlichung der BIP-Daten noch um 7,90 Kronen gehandelt, stieg er danach erstmals seit dem 8. Juli auf knapp 8,00 Kronen. Aktuell kostet die Gemeinschaftswährung 7,9977 Kronen. Den nächsten technischen Widerstand sieht die Danske Bank bei 8,04 Kronen.
Schwellenländer leiden
Derweil geraten die Währungen der Emerging Markets immer stärker unter Druck. Die steigenden US-Renditen lassen Investoren Kapital aus diesen Ländern abziehen. Die Schwellenländer waren in den Jahren der Krise zwar die wichtigsten Triebkräfte der Weltwirtschaft, allerdings auch große Nutznießer der Liquiditätsflut der großen Notenbanken. Weil die etablierten Volkswirtschaften kriselten, suchten Anleger verzweifelt nach Wachstumsmärkten. Nun schwingt das Pendel zurück.
So kurzentschlossen, wie die Investoren ihr Geld in die aufstrebenden Volkswirtschaften brachten, ziehen sie es nun wieder ab. Um Kredite zu erhalten, müssen Staaten, Unternehmen und Haushalte nun mehr Zinsen bieten. Dabei könnte das Schlimmste erst noch bevorstehen: "Es gibt zunehmende Sorgen, dass die Kapitalflucht aus den Schwellenländern sich rapide beschleunigt", sagt Experte Ishaq Siddiqi von der Investmentfirma ETX Capital.
Türkei erhöht Zinsen
In der Folge hat die türkische Zentralbank einen ihrer Leitzinsen erhöht, um dem Ausverkauf der Türkischen Lira entgegenzuwirken. Ziel ist eine Stabilisierung der Landeswährung, die jedoch nicht die Wachstumsziele der Regierung gefährden soll. Nach Mitteilung der Zentralbank steigt der Satz für Übernachtausleihungen bei der Zentralbank um 50 Basispunkte auf 7,75 Prozent. Dagegen wurde der Satz für entsprechende Einlagen bei der Zentralbank bei 3,50 Prozent belassen. Auch der geldpolitische Schlüsselzins, der Satz für einwöchige Repo-Geschäfte, bleibt bei 4,50 Prozent.
Volkswirte hatten vor den monatlichen geldpolitischen Beratungen überwiegend unveränderte Leitzinsen prognostiziert. Die Zentralbank begründete ihre Entscheidung damit, dass sie die Wirksamkeit ihrer rigideren Geldpolitik erhöhen wolle. Zentralbankgouverneur Erdem Basci hatte den Einlagensatz bereits im Juli um 75 Basispunkte angehoben, nachdem die Zentralbank zuvor rund zehn Prozent ihrer Devisenreserven bei der Verteidigung des Lira-Wechselkurses verbraucht hatte.
Nach der aktuellen Zinsentscheidung beendete die Lira ihre Abwärtsbewegung und stieg gegenüber dem US-Dollar um 0,1 Prozent auf 1,951 TRL. In Reaktion zum Euro blieb sie aber in der Nähe ihres Rekordtiefs von 2,6109 TRL. An der Aktienbörse Istanbul verstärkten sich die Verluste ebenso wie am Anleihemarkt.
Brasilien warnt vor Wetten gegen Real
Der Brasilianische Real beispielsweise ist zum US-Dollar auf den niedrigsten Stand seit mehr als vier Jahren gefallen. "Angesichts der konjunkturellen Verbesserung in den Industriestaaten und der Aussicht auf sinkende Liquidität an den globalen Finanzmärkten ziehen sich Anleger aus Schwellenländern zurück", sagt Ishaq Siddiqi von ETX Capital.
In Brasilien warnt Finanzminister Guido Mantega Investoren vor Wetten gegen die Landeswährung Real. Wer auf einen weiteren Kursverfall setze, dem drohten Verluste, sagte Mantega am Montag. Die Regierung verfüge über mehrere Instrumente, um am Devisenmarkt zu intervenieren, darunter auch die Devisenreserven im Volumen von 370 Milliarden Dollar. Finanzministerium und Notenbank arbeiteten zusammen, um die Märkte zu stabilisieren. Notenbankchef Alexandre Tombini sagte, die Wetten auf eine weitere Straffung der Geldpolitik seien übertrieben.
Analysten halten sogar weitere weitere Kursverluste für möglich. Das macht zwar Exporte billiger, verteuert jedoch Einfuhren nach Brasilien und belastet damit die Kaufkraft. Brasilien leidet derzeit unter einer Konjunkturflaute. Mehrere Konjunkturpakete verpufften ohne die erhoffte Wirkung. Experten rechnen damit, dass die Wirtschaftsleistung in diesem Jahr nur um 2,2 Prozent zulegt, nachdem es 2010 noch mehr als sieben Prozent waren.
Daneben hat der Yen zum US-Dollar und Euro im frühen europäischen Devisengeschäft aufgewertet. Händler interpretieren die Stärke der japanischen Währung als Ausdruck einer abnehmenden Risikofreude unter den Investoren. Der Yen gilt als Fluchtwährung in Zeiten zunehmender Risiken.
Die indische Rupie ist zu Wochenbeginn auf den tiefsten Stand aller Zeiten gefallen. Thailand rutscht in die Rezession, und ein rekordtiefes Loch in Indonesiens Leistungsbilanz macht Anleger nervös. Über allem schwebt die Sorge um China: Der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt droht nach Jahren des kreditgetriebenen Turbo-Wachstums eine harte Landung.
Quelle: ntv.de, jwu/rts/DJ/dpa