Alter Däne! Euroland holt auf
07.05.2002, 20:45 UhrNach Anfangsverlusten entspannte sich die Situation an den europäischen Börsen ein wenig. Aus den USA werden Konjunkturdaten gemeldet und Microsoft hat angekündigt, den dänischen Software-Anbieter Navision für 300 Dänische Kronen pro Aktie zu übernehmen. Der EuroStoxx50 verlor 0,8 Prozent auf 3.453 Zähler, der Stoxx50 gab sogar 1,2 Prozent ab auf 3.413 Punkte. Die Diskrepanz erklärt sich aber recht einfach: Im Stoxx50 sind auch britische Werte enthalten, und die "mussten" wegen eines Feiertags in London die Montagsverluste noch nachholen.
Nach vorläufigen Berechnungen des Arbeitsministeriums in Washington ist die Produktivität in den USA außerhalb der Landwirtschaft im ersten Quartal 2002 gegenüber dem Vorquartal um 8,6 Prozent (hochgerechnet auf die Jahresrate) gestiegen. Dies wäre der stärkste Anstieg seit 1983. Analysten hatten im Vorfeld mit einem Anstieg um lediglich 6,9 Prozent gerechnet.
Bei den Lohnstückkosten außerhalb der Landwirtschaft wurde nach Angaben des Arbeitsministeriums im ersten Quartal ein Rückgang um 5,4 Prozent verzeichnet; rechnet man die Landwirtschaft mit ein, dann ergibt sich sogar ein Minus von 6,5 Prozent. Dies wäre der stärkste Rückgang seit 1961.
Die Freude über diese Rekordzahlen weicht allerdings rasch einer nüchternen Betrachtung. Denn die Produktivität hängt im wesentlichen von den Lohnstückkosten ab, die wiederum maßgeblich durch den Grad der Beschäftigung bestimmt werden. Dieser ist derzeit aber niedrig oder anders ausgedrückt: die Arbeitslosigkeit in den USA ist so hoch wie seit fast acht Jahren nicht mehr. Und wenn die Unternehmen wenig Menschen beschäftigen, sind ihre Lohnkosten niedrig, die Produktivität demzufolge hoch.
Weitere Konjunkturdaten vom US-Handelsministerium wurden von den Börsianern mit Enttäuschung aufgenommen. Die Lagerbestände im Großhandelsgewerbe sind im März unverändert geblieben; Volkswirte hatten dagegen einen Rückgang um 0,3 Prozent vorhergesagt. Die Umsätze der Branche gingen leicht um 0,1 Prozent zurück
Microsoft will mit Navision die Geschäftssparte mit betrieblicher Software stärken. Und die Ankündigung einer Übernahme durch Microsoft hilft dem Navision-Kurs auf die Sprünge - das Papier gewinnt 11,1 Prozent und verteuert sich damit auf 296,50 Dänische Kronen.
"Das geht klar gegen SAP", kommentierte ein Beobachter die Übernahme-Absichten bereits Ende vergangener Woche. SAP dagegen zeigt sich gelassen. Und Vorstandssprecher Hasso Plattner dämpfte Befürchtungen einer härteren Konkurrenz für SAP: "Wir nehmen das sehr ernst, ohne vor dem Riesen Microsoft Angst zu haben", sagte Plattner auf der SAP-Hauptversammlung am vergangenen Freitag in Mannheim.
Zahlen zur Umsatzentwicklung im ersten Quartal 2002 hat die niederländische Supermarktkette Ahold vorgelegt. Das Unternehmen berichtet von einem Zuwachs um 22 Prozent auf 22,2 Milliarden Euro im Vergleich zum Vergleichszeitraum des Vorjahres. Ahold ist gemessen am Umsatz die drittgrößte Einzelhandels- und Supermarktkette weltweit. Und zuversichtlich ist Ahold auch - wie bereits früher angekündigt, will der Einzelhandelskonzern beim Gewinn je Aktie um 15 Prozent wachsen. Den Anlegern drückt aber offenbar die insgesamt schlechte Marktstimmung auf den Magen - sie verkaufen ihre Ahold-Aktien und das Papier verliert dadurch 4,9 Prozent auf 25,15 Euro.
Einen regelrechten Ausverkauf erlebt die Aktie von Vivendi Universal. Das Papier sackt um weitere 3,2 Prozent ab und kostet damit nur noch 30,00 Euro. Grund für diesen Kurssturz des Multimedia-Riesen ist eine Herabstufung durch Standard & Poor's vom Montag. Die Ratingagentur sieht die Bonität von Vivendi für kurzfristige Verbindlichkeiten nur knapp oberhalb von Junk-Bonds. Bereits am Freitag hatte die Ratingagentur Moody's die langfristige Bonität von Vivendi ähnlich dramatisch zurückgenommen.
Die neuesten Nachrichten von BNP Paribas klingen gar nicht gut. Die französische Großbank hat im ersten Quartal 2002 einen um 18,6 Prozent niedrigeren Nettogewinn ausgewiesen als erwartet. Schwach sei vor allem die Investmentbanking-Sparte gewesen, teilten die Franzosen mit. Und diese Schwäche habe nur teilweise durch das starke Filial- bzw. Privatkundengeschäft ausgeglichen werden können. Das Papier schaffte zum Schluss noch den Sprung in die Gewinnzone und schloss mit 0,2 Prozent bei 57,80 Euro im Plus.
Bouygues konnte seine Umsätze auf Quartalsbasis um 16 Prozent auf 4,86 Milliarden Euro steigern und damit die Erwartungen von Analysten übertreffen. Als Grund für diese positive Entwicklung nannte der französische Bau- und Telekomkonzern ein "festes Wachstum" in seinen Kerngeschäftsfeldern. Die Anleger konnte das aber nicht überzeugen - die Bouygues-Aktie verlor 1,5 Prozent und schloss damit bei 31,42 Euro.
Havas hat dagegen keine guten Nachrichten für die Anleger. Der französische Werbekonzern gab einen Rückgang seiner Brutto-Marge um 5,5 Prozent im ersten Quartal bekannt. Was den weiteren Ausblick betrifft, zeigte sich Havas skeptisch - die Aussichten für das Kerngeschäft Werbung seien ungewiss und eine Besserung der Situation noch nicht in Sicht. Die Aktie von Havas verliert daraufhin zunächst rund zwei Prozent, dreht aber später mit 1,5 Prozent auf 8,05 Euro ins Plus.
Eine gute und eine schlechte Nachricht hatte die SEB Bank für ihre Anteilseigner parat. Das schwedische Geldhaus hat im ersten Quartal 2002 zwar weniger verdient als vor Jahresfrist, aber mehr als von Analysten erwartet. Wie die SEB mitteilte, fiel der Betriebsgewinn nach Ausfällen im Kreditgeschäft um 28 Prozent auf gut zwei Milliarden Kronen oder 215 Millionen Euro. Analysten hatten mit einem Rückgang um 43 Prozent gerechnet. Diese gute Nachricht kann den Kurs der SEB-Aktie beflügeln - das Papier legte 6,7 Prozent zu auf 103 Schwedische Kronen.
Auch am spanischen Reisevertriebssystem Amadeus ging die Branchenschwäche nicht spurlos vorbei. Der Gewinn ist im ersten Quartal im elf Prozent gesunken, das war aber nicht so schlimm wie erwartet. Zudem sieht das Unternehmen eine Verbesserung im Buchungsaufkommen bei Flugreisen und hat deshalb seine Prognosen für das Gesamtjahr angehoben. Das gefiel den Anlegern: die Aktie legte 4,2 Prozent auf 7,50 Euro zu. Größte Anteilseigner von Amadeus sind die Fluggesellschaften Lufthansa, Air France und Iberia.
Gute Nachrichten kamen auch vom Fototechnikspezialisten Agfa aus Belgien. Der Umsatz ist im ersten Quartal zwar zurück gegangen, gleichzeitig wurde aber der operative Gewinn gesteigert. Für das Gesamtjahr peilt Agfa trotz Umstrukturierungskosten wieder ein positives Gesamtergebnis an. Die Aktie gewann 4,9 Prozent und schloss bei 18,07 Euro.
Quelle: ntv.de