Roche + Novartis = Rochartis? Europäische Blue Chips schwächeln
13.03.2002, 20:20 UhrDie europäischen Blue-Chips sind am Mittwoch nach behaupteten Start leicht ins Minus gedreht. Die schwächer als erwartet gestiegenen Umsätze des US-Einzelhandels belasten die Märkte. Der EuroStoxx50 fiel 0,6 Prozent auf 3.703 Punkte, der Stoxx50 ging unverändert mit 3652 Zählern aus dem Handel.
Der Umsatz des US-Einzelhandels ist im Februar deutlich geringer angestiegen, als von Experten erwartet worden war. Die Branche habe mit 296,41 Milliarden Dollar 0,3 Prozent mehr umgesetzt als im Vormonat, so das US-Handelsministerium. Analysten hatten mit einem Umsatzanstieg um 0,9 Prozent gerechnet.
Der Markt habe die Daten schlecht aufgenommen, nachdem er in den letzten Wochen immer wieder mit guten US-Konjunkturzahlen überrascht wurde, so Klaus Baader von Lehman Brothers in London. Es sehe aber nicht aus, als würde sich nun ein deutlicher Rückgang bei den Konsumentenausgaben in den USA ankündigen. Die Zahlen würden eigentlich nur bestätigen, was alle schon gewusst hätten, nämlich dass es bestimmte Faktoren gebe, die für einen nur moderaten Wirtschaftsaufschwung in den USA sorgen würden.
Im Fokus der Anleger standen Roche und Novartis. Spekulationen über eine mögliche Fusion der Schweizer Pharma-Riesen verliehen den Aktien der beiden Unternehmen am Mittwoch deutlichen Auftrieb. Die Spekulationen und damit auch die spekulativen Käufe der beiden Papiere hätten sich deutlich vermehrt, so ein Händler. Die Gerüchte seien im Markt, seitdem Novartis sich mit 20 Prozent an Roche beteiligt und eine weitere Annäherung nicht ausgeschlossen hatte. Das neueste Gerücht sei nun, dass Novartis den Anteil an Roche bereits auf 30 Prozent erhöht habe. Der Roche-Genussschein legte 2,8 Prozent auf 128,50 Franken zu, für Novartis ging es 1,8 Prozent auf 63,95 Franken nach oben.
Im Blickpunkt der Anleger stand auch die Fortis-Aktie, die 1,1 Prozent auf 25,65 Euro nachgab. Der niederländisch-belgische Finanzkonzern hat nach eigenen Angaben im Jahr 2001 einen Rückgang des operativen Nettogewinns um 4 Prozent auf 2,267 Milliarden Euro hinnehmen müssen. Damit lag der Konzern allerdings leicht über den im Februar nach unten korrigierten Prognosen. Der operative Gewinn je Aktie sank um 10 Prozent auf 1,75 Euro, was im Rahmen der Analystenerwartungen lag. Für eine Prognose für das laufende Jahr sei es noch zu früh, so das Unternehmen weiter.
Zu den Gewinnern im Europa gehörten dagegen die Titel der spanischen Banken SCH, die 1,9 Prozent auf 9,56 Euro zulegte, und BBVA, die sich 1,5 Prozent auf 13,80 Euro verbesserte. Die Analysten von UBS Warburg haben ihre Empfehlung für beide Titel auf „kaufen“ von „halten“ erhöht. Auch die Aktie der französischen BNP Paribas konnte nach einer Analystenhochstufung zunächst zulegen, gab aber im späten Handel 0,7 Prozent auf 54,10 Euro ab. Credit Suisse First Boston hatte das Kursziel für die Papiere auf 62,00 von zuvor 58,50 Euro erhöht.
Zu den großen Gewinnern in Europa gehörte auch die Aktie der British Telecom, die 1,6 Prozent auf 262,16 Pence zulegte. Fundamentale Neuigkeiten gebe es nicht aus dem Unternehmen, so ein Händler. Allerdings sei BT nach dem Restrukturierungsprogramm und den geplanten Kostensenkungen besser positioniert als viele europäische Konkurrenten.
Die zweitgrößte Brauereigruppe der Welt, Interbrew, hat ihren Gewinn im Kerngeschäft im Jahr 2001 um mehr als 30 Prozent steigern können. Grund für das Wachstum seien vor allem Zukäufe wie von Bass UK, so das Unternehmen. Der Gewinn vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen stieg auf 1,53 Milliarden Euro gegenüber 1,16 Milliarden im Vorjahr. Die Aktie schwankte legte nach wechselvollem Verlauf 0,9 Prozent auf 31,40 Euro zu.
Der weltgrößte Baukonzern Vinci hat mit einem Gewinnwachstum von sieben Prozent in 2001 die Prognosen der Analysten übertroffen. Der Gewinn stieg im abgelaufenen Geschäftsjahr auf 454 Milliarden Euro gegenüber 423 Milliarden im Vorjahr, so die Franzosen am Dienstag nach Börsenschluss. In 2002 will Vinci trotz einer geplanten Restrukturierung schwacher Geschäftsbereiche mindestens einen unveränderten Gewinn erzielen. Die Aktie gab dennoch nach und fiel 3,4 Prozent auf 70,30 Euro.
Der französische Mineralölkonzern TotalFinaElf erwartet höhere Synergieeffekte aus seiner Fusion mit Elf als bisher angenommen. Ab 2003 rechne man mit einer Steigerung des operativen Ergebnisses um jährlich 4,8 Milliarden Euro in Folge der Fusion, so die Franzosen. Bislang war das Unternehmen von Synergieeffekten in Höhe von 4,4 Milliarden Euro jährlich ausgegangen. Die Aktie verlor 1,0 Prozent auf 172,20 Euro zu.
Der europäische Luft- und Raumfahrtkonzern EADS hat einen Magazinbericht dementiert, wonach das Unternehmen seine Gewinnprognose für das laufende Geschäftsjahr senken müsse. Die am 6. Februar veröffentlichte Prognose habe weiter Bestand, so das Unternehmen. Auf der anstehenden Bilanzpressekonferenz am kommenden Montag werde EADS diese Prognose präzisieren, aber nicht relativieren. Die Papiere drehten nach schwachem Start zwischenzeitlich ins Plus. Zum Schluss blieb jedoch ein Verlust von 0,3 Prozent auf 15,89 Euro.
Der weltgrößte Hersteller von Windkraftanlagen, die dänische Vestas, blickt optimistisch in die Zukunft. Das Unternehmen hat seine Prognosen für 2002 und 2003 deutlich erhöht. Grund sei die Verlängerung von steuerlichen Förderungen für alternative Energien in den USA, einem der Hauptabsatzmärkte für Vestas. Für das abgelaufene Jahr hatte Vestas einen Gewinnanstieg um 42 Prozent auf 985 Millionen dänische Kronen gemeldet, mehr als von Analysten erwartet. Ein kräftiges Kursplus war der Lohn: 9,4 Prozent auf 255,50 dänische Kronen.
Schlechter lief es dagegen für den dänischen Technologiekonzern GN Store Nord. Der Verlust betrug 2001 9,6 Milliarden dänische Kronen (rund 1,3 Milliarden Euro). Der Löwenanteil entfiel dabei auf erhöhte Goodwill-Abschreibungen, vor allem auf die französische Akquisition French Photonetics. Die Analystenerwartungen wurden mit den Zahlen bei weitem verfehlt. Fast folgerichtig brach der Kurs kräftig ein: minus 9,0 Prozent auf 38,30 dänische Kronen.
Kräftig zulegen konnte der österreichische Dessouskonzern Wolford. Im dritten Quartal des laufenden Geschäftsjahres ist dem Unternehmen die Rückkehr in die operative Profitabilität gelungen. Zwar seien die Zahlen noch weit entfernt von den satten Gewinnen des Jahres 2000, dennoch zeigten sie, dass sich Wolford wieder auf dem Wege der Besserung befindet, hieß es dazu von Analystenseite. Profitiert habe das Unternehmen vor allem von einer Konjunkturbelebung in seinem Schlüsselmarkt USA. Das tat der Aktie gut, sie legte 3,7 Prozent auf 14,00 Euro zu.
Quelle: ntv.de