Anleger gehen in sicheren Hafen Flucht in Rentenpapiere
15.09.2008, 16:47 UhrNach der neuerlichen Verschärfung der Finanzkrise sind Investoren am Montag in die als verhältnismäßig sicher geltenden Staatsanleihen geflohen. Händlern zufolge sank die Risikoneigung von Investoren, nachdem sich die Investmentbank Lehman Brothers für zahlungsunfähig erklärt und ihr Konkurrent Merrill Lynch von der Bank of America geschluckt wurde.
Für weitere Verunsicherung sorgen Medienberichte, wonach der Versicherer American International Group (AIG) die US-Notenbank Fed um kurzfristige Finanzhilfe gebeten hatte. "Das ist ein Fingerzeig für ein erhöhtes Risiko und ganz klar negativ für die US-Volkswirtschaft", sagte Devisen- und Rentenstratege Eugen Keller vom Bankhaus Metzler.
In den USA stiegen die zehnjährigen Staatsanleihen zeitweilig um volle zwei Punkte und verzeichneten damit ihren stärksten Sprung an einem Tag seit mehr als 20 Jahren. Der für die europäischen Rentenmärkte richtungweisende Bund-Future sprang um 140 Ticks auf 115,31 Zähler. Die zehnjährige Bundesanleihe rentierte mit 4,025 Prozent. Die Umlaufrendite börsennotierter öffentlicher Anleihen fiel auf 4,05 (4,18) Prozent. Der Rex-Rentenindex stieg um 0,4 Prozent auf 117,2585 Punkte.
Dollar gefragt, Euro gibt Gewinne ab
Die Suche der Anleger nach sicheren Häfen für ihre Gelder stützte im Handelsverlauf den Dollar, der zuvor noch wegen Verkäufen aus Asien unter Druck geraten war. "Viele US-Investoren halten risikoreiche Anlagen im Ausland, die sie jetzt in sicherere US-Staatsanleihen umtauschen und damit Dollar nachfragen", sagte ein Devisenhändler. Deshalb sei der Dollar gefragt, auch wenn das Zentrum der Krise in den USA liege, erläuterte Währungsstratege Michael Woolfolk von der Bank of New York Mellon.
Der Euro notierte mit zuletzt 1,4198 Dollar in etwa auf seinem Freitagsschlussstand. Am Morgen war der Euro auf bis zu 1,4479 Dollar gestiegen. Händler bezeichneten dies als Übertreibung, nachdem der Euro vergangene Woche noch unter 1,39 Dollar notiert hatte. Die Europäische Zentralbank (EZB) legte den Referenzkurs mit 1,4151 (Freitag: 1,4066 Dollar) fest. Im Referenzkursverfahren der Banken (EuroFX) stieg der Euro auf 1,4154 (1,4094) Dollar.
Gestützt wurde die US-Währung nach Angaben von Händlern zudem vom Preisrutsch bei Öl. Das Fass US-Leichtöl der Sorte WTI verbilligte sich um bis zu sieben Dollar auf unter 95 Dollar. Öl und Dollar entwickeln sich wegen der Umschichtung spekulativer Gelder zwischen den beiden Anlageklassen häufig gegenläufig.
Analysten erwarten, dass der Euro schon bald wieder im Aufwind sein wird. "Es bleibt die Stimmung, dass die Finanzkrise ein US-Problem ist. Die Kreditvergabe dürfte noch restriktiver werden", sagte Devisenanalyst Lutz Karpowitz von der Commerzbank.
Quelle: ntv.de