Inside Wall Street Geldsorgen zum Neujahrsfest
03.09.2009, 22:32 Uhr
Tüchtiger Stoß ins Horn: Das traditionelle Musik-Instrument auf Widder-Basis kommt unter anderem zum jüdischen Neujahrsfest mit rituell festgelegten Tonfolgen zum Einsatz (Archivbild).
(Foto: REUTERS)
Für jüdische Gemeinden in aller Welt beginnt in den nächsten Tagen die Festsaison. Mitte des Monats wird das Neujahrsfest Rosh Hashana gefeiert, kurz darauf der höchste Feiertag Yom Kippur. Doch die Stimmung in den Synagogen ist trübe - jedenfalls bei einem Blick auf die Bilanzen. Vielen Gemeindegliedern fehlt das Geld für die teils teuren Sitze in den Gotteshäusern.
Ganz überraschend kommt die Krise für die jüdischen Gemeinden nicht. Immerhin ist von der jüngsten Finanzkrise keiner verschont geblieben, unabhängig von der Glaubensrichtung. In jüdischen Kreisen scheint man allerdings überdurchschnittlich große Probleme zu verzeichnen, nicht zuletzt weil zahlreiche Stiftungen - und Privatpersonen - ihr Geld bei Bernie Madoff angelegt hatten, dem Milliarden-Schwindler, der zur Zeit eine 150-jährige Haftstrafe wegen des größten Finanzbetrugs aller Zeiten absitzt.
Im Durchschnitt hätten die großen jüdischen Organisationen etwa 25 Prozent ihres Vermögens verloren, schätzt Steven Bayme, ein Experte für moderns jüdisches Leben im American Jewish Committee in New York.
Viele Leute, die in der Krise Geld verloren haben, rufen derzeit verzweifelt die jeweiligen Rabbiner an; der Inhalt der Gespräche sei oft gleich, berichten amerikanische Medien. "Rabbi, ich kann die Spende nicht leisten, die ich der Kongregation versprochen habe", hieße es oft. Im letzten Jahr habe er das öfter gehört als in den letzten 30 Jahren zusammen, stöhnt etwa Rabbi Charles Klein vom Merrick Jewish Center auf Long Island.
Dass die Spenden und Gebühren an die Synagogen in vielen Haushalten gestrichen werden, liegt auch daran, dass die sehr hoch sind. Temple Emanu-El, eine der wohlhabenden jüdischen Kongregationen an New Yorks nobler Upper East Side, verlangt 2540 Dollar pro Sitz in der höchsten Preiskategorie. Der ganzen Familie einen Platz in der Synagoge zu sichern, geht also ins Geld.
Die ersten Synagogen haben jetzt bereits Konsequenzen aus den finanziellen Querelen gezogen. Der Temple Israel in Bloomfield, einem Vorort der gebeutelten Auto-Metropole Detroit, hat etwa ein Job-Netzwerk eingeführt und die Jugendarbeit verstärkt, mit der vor allem in Not geratenen Familien geholfen werden soll. In der Gemeinde Beth-El in Baltimore, Maryland, ist aufgefallen, dass wohlhabendere Mitglieder Lebensmittel mitbringen, die nach dem Gottesdienst zum Sabbat verteilt werden.
Mit solch sozialer Arbeit und dem Glauben helfen sich die jüdischen Gemeinden durch die Krise. "Es gibt Tage, da bin ich unheimlich frustriert", gesteht David Tisdale von Temple Israel. "Aber wir sind optimistisch."
Quelle: ntv.de