Marktberichte

Inside Wall Street Im Ausland verramscht

In der Krise wird der Mensch kreativ - und der amerikanische Einzelhandel erst recht. Jahrelang hat man sich daran gewöhnt, im Ausland billig einzukaufen und die importierte Ware in den USA zu verhökern - jetzt wird der Spieß umgedreht. Unternehmen sehen sich gezwungen, Ladenhüter im Ausland zu verkloppen, weil sie im eigenen Land keine Käufer mehr finden.

Liegen gebliebene Ware ins Ausland zu verschiffen und dort zu verkaufen, schlägt den Einzelhändlern in Amerika schwer auf die Margen. Doch die haben die meisten ohnehin längst abgeschrieben. Schon lange vor Weihnachten ging die Branche in den Ausverkauf; seit am "Black Friday" ein erwartungsgemäß mageres Weihnachtsgeschäft begonnen hat, sind Klamotten, Spielzeug und Elektronikartikel vielerorts um 50 bis 70 Prozent reduziert.

Dass auch solche Rabatte die Kunden nicht in die Läden treiben, zeigt das wahre Ausmaß der Finanzkrise. Der Verbraucher kann sich in einem bedrohlich schwachen Arbeitsmarkt auch stark reduzierte Ware nicht mehr leisten; auf Kreditkarte lässt sich schon gar nichts mehr buchen, weil die Banken nicht mehr leihen. Zahlreiche Verbraucher haben ihr Weihnachtsfest schon verschoben; statt in den Wochen vor dem Fest mit Rabatten von 50 bis 70 Prozent einzukaufen, warten sie auf den 26. Dezember. Dann - einen Tag nach dem eigentlichen Fest - senken die Einzelhändler traditionell noch einmal die Preise; viele wollen die Bescherung dann erst halten.

Doch manch einer könnte sich da verkalkulieren, warnen Experten. Bisher hätten die Einzelhändler nach dem Fest weiter diskontiert, weil sie eben noch Spielraum hatten. In diesem Jahr gäbe es hingegen keine Luft mehr. Rabatte von 90 Prozent etwa werde man nicht sehen, weil die Verträge der Händler mit den Herstellern - vor allem bei Markenware - genau dies verbieten. Einzige Ausnahme: Ketten mit eigenen Labels können ihre Produkte uneingeschränkt billig verhökern. Doch viele werden das nicht wollen, weil allzu dicke Schnäppchen den Markenwert verwässern. Deshalb verschiebt die Branche immer mehr Ware ins Ausland. Möbel, Schmuck, Kleidung, Fernseher, alles mögliche wird zurzeit in Länder mit stabilerer Konjunktur geschickt. Den höchsten Warenverkehr misst man mit Israel, Österreich, Holland, Großbritannien und Kanada.

Mit letzterem Partner hat man es am einfachsten, schließlich lässt sich der Nachbar per Lkw ansteuern. Bei den anderen Exportzielen müssen hohe Fracht- und Portokosten gezahlt werden, doch in seiner Verzweiflung nimmt der US-Einzelhandel alles in Kauf. Schließlich ist ein magerer Gewinn (oder ein kleiner Verlust) besser als die Ware komplett abzuschreiben - und genau das droht bei saisonalen Artikeln ebenso wie im Elektronik-Sektor, wo aktuelle Modelle schon in sechs Monaten überholt sein könnten.

Und noch einen Vorteil bringt der Verkauf ins Ausland: Wenn sich schon kein großer Reibach machen lässt, wird doch wenigstens ein wenig Geld sofort verbucht. Und das brauchen die Händler, denn zum Jahresende - in drei Wochen! - müssen sie ihre Bilanzen dicht machen und ihre Forderungen bei den Zulieferern und Herstellern bezahlen. Ein Problem hat die Verschiebetaktik der Amerikaner allerdings doch: Seit die Finanzkrise globale Kreise zieht, halten sich auch die Käufer in Übersee beim Einkaufen zurück. Andere Märkte könnten ihre Türen also schon bald wieder schließen.

Quelle: ntv.de

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