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Inside Wall Street Kongress-Schlappe schadet McCain

Dass der Kongress in Washington ein 700 Milliarden Dollar schweres Hilfspaket für die Finanzbranche abgelehnt haben, hat die Wall Street ganz gut weggesteckt. Nach einem dramatischen Kurssturz zum Wochenbeginn geht es am Dienstag schon wieder steil nach oben - man setzt auf eine neue Abstimmung mit positiverem Ausgang.

Ob ein zweiter Anlauf gelingt, ist im Vorfeld natürlich offen. Wer sich am Montag gegen das Paket entschieden hat, dürfte sich nicht so einfach überzeugen lassen, seine Stimme zu ändern. Vor allem die zahlreichen Abgeordneten, denen im November Wahlen in ihren jeweiligen Staaten bevorstehen. Viele spüren Druck von Seiten der Bürger, die nicht einsehen, warum von ihren Steuergeldern schon wieder die Bonzen an der Wall Street ausgelöst werden sollen.

Doch nicht nur im Repräsentantenhaus muss man zwischen Rettungspaket und den möglichen Folgen für eine Wahl nachdenken. Auch die beiden Präsidentschaftskandidaten müssen sich ihr Vorgehen sehr genau überlegen. Bisher macht Barack Obama die bessere Figur.

Der Demokrat ist ohnehin der große Gewinner der letzten Wochen. Je länger die Finanzkrise andauert, die bekanntlich unter republikanischer Führung begonnen hat, desto besser für die Partei, die den Wandel nach Washington bringen will. Und: Je länger der Fokus der Wähler auf wirtschaftlichen Themen liegt, desto besser für Obama, denn John McCain hat längst zugegeben, von Wirtschaft nicht allzu viel zu verstehen.

Als wäre dieser Ruf nicht schon hinderlich genug, hat sich McCain letzte Woche auch noch in den Fuß geschossen. Dass er zeitweise seinen Wahlkampf "ausgesetzt" hat, um sofort nach Washington zu jetten und rettend in die Verhandlungen im Kongress einzugreifen, war von vorneherein lächerlich. Dass seine Verhandlungen offensichtlich zu nichts geführt haben, und dass der erfahrene Politiker in seiner Partei keine Mehrheit für das Rettungspaket schaffen konnte, macht ihn jetzt unglaubwürdig. "Er kann jetzt wohl nicht mehr sagen: ,Wählt mich, und ich räume auf'", gibt ein Meinungsforscher in Denver zu Protokoll. "Die Abstimmung hat ihm für den Moment jeden Schwung geraubt."

Besonders unangenehm für McCain: Er wird aus allen Lagern angegriffen. Die Gegner des Rettungspakets werfen ihn vor, dafür gekämpft zu haben; die Befürworter werfen ihm vor, nichts erreicht zu haben."

Barack Obama steht derweil recht unberührt da. Vorwürfe macht ihm nur einer John McCain. Der wettert, sein demokratischer Gegner habe Parteipolitik in die Verhandlungen gebracht und gemeinsam mit der ebenfalls demokratischen Sprecherin der Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, das Klima vor der Abstimmung vergiftet. Das ist natürlich Quatsch, und außer dem Wahlkampfteam von McCain unterstützt keiner diese These - nicht einmal die Medien, die normalerweise dem Republikaner zugerechnet werden.

Auch ein weiterer Angriffspunkt der Republikaner verhallt ohne ernst genommen zu werden. McCain und sein Stratege Ron Bonjean meinen, dass die Demokraten an dem schwachen Zuspruch für die 700-Milliarden-Dollar-Maßnahme schuld seien, schließlich hätten sie die Mehrheit in der Kammer. Doch auch dieses Argument ist kaum tragbar: Zwar gab es unter den Demokraten zahlreiche Gegenstimmen, doch war die Anzahl der Gegenstimmen - absolut und prozentual - im republikanischen Lager viel höher.

In den Umfragen schlagen sich die verfehlte Abstimmung um das Rettungspaket und die Enttäuschung über die Republikaner umgehend nieder: Aktuell liegt Barack Obama um 6 Prozentpunkte vor John McCain.

Quelle: ntv.de

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