Inside Wall Street NYX feiert Geburtstag
08.03.2007, 18:25 UhrDie Börsenkolumne aus New York von Lars Halter
Keine Hütchen, keine Luftballons – an der New York Stock Exchange ist von einer großen Feier nichts zu sehen. Dabei hätte man durchaus Grund, die Sektgläser zu erheben: Die eigene Aktie wird am Donnerstag ein Jahr alt, ihre Performance kann sich sehen lassen und die Zukunft des Traditionshauses ist vielversprechend.
Genau ein Jahr ist es her, dass die ehrwürdige New Yorker Börse ihre Struktur von Grund auf änderte. Aus dem Altherrenclub, für dessen Mitgliedschaft ein erlesener Zirkel von Finanziers einst Millionen auf den Tisch legen musste, wurde zum öffentlich gelisteten Konzern mit Aktionären und Quartalsbericht. Mehr als 200 Jahre nachdem 24 Banker mit der Unterzeichnung des „Buttonwood Agreement“ den Handel an der Wall Street organisiert hatten, war die NYSE im globalen Markt angekommen.
Der Run auf die Aktie war groß: Am ersten Handelstag schoss der unter dem Tickerkürzel NYX gelistete Titel von 68 auf 80 Dollar – ein Plus von 17 Prozent. Zum Jahresende hatte das Papier die 100-Dollar-Marke überschritten, seither geht es leicht abwärts. Doch den tagesaktuellen Kurs behält man in der Zentrale an der Wall Street weniger im Auge als das langfristige Potenzial, das der Börsengang dem Unternehmen beschert hat.
Die Kapitalaufnahme blieb nämlich nicht ohne Folgen. Unter der Führung von CEO John Thain hat die NYSE im vergangenen Jahr massiv in neue Technologien investiert. Die Zusammenarbeit mit der elektronischen Handelsplattform Archipelago, die erst kurz vor dem Börsengang stattgefunden hatte, hat dazu geführt, dass mittlerweile sämtliche Aktien sowohl über Broker auf dem Parkett als auch elektronisch gehandelt werden können. In der ersten März-Woche gingen 90,0 Prozent der gehandelten Aktien über Computer – und damit an den Händlern vorbei.
Die Vorteile für den Kunden liegen auf der Hand: Investoren haben schnelleren Zugang zum Markt. Die Vorteile für die NYSE Group sind ebenfalls schnell zu sehen: Kostensenkungen stehen im Vordergrund, und auch die Konkurrenzfähigkeit zu anderen elektronischen Plattformen spielt eine Rolle.
Die Leidtragenden unterdessen sind die Händler. Denn trotz aller Beteuerungen aus dem Management, am Parketthandel festhalten zu wollen, sind dessen Tage natürlich gezählt. Seit der schnell ausgebauten Kooperation mit Archipelago haben sich die Reihen auf dem Parkett gelichtet. Wo früher großes Gedränge war, bleiben Händler heute auf ein Schwätzchen stehen – sie haben jetzt weniger Aufträge persönlich auszuführen.
Damit aber hat sich die NYSE Group als Partner für internationale Kooperationen attraktiver gemacht. Der Merger mit der Euronext wird der größten amerikanischen Börse den europäischen Markt öffnen.
Diese globale Ausrichtung bringt jetzt schon Vorteile. Zahlreiche Unternehmen, deren Aktien an der Nasdaq gelistet waren, laufen zur NYSE über, um von dem einfacheren Zugang nach Europa zu profitieren. Jüngstes Beispiel: der Teenie-Ausstatter American Eagle Outfitters. Der feierte sein NYSE-Listing ausgerechnet am ersten Geburtstag der NYX-Aktie und machte der Börse damit vielleicht das schönste Geschenk: die Bestätigung, dass der Weg des Traditionshauses in die Zukunft der richtige ist.
Quelle: ntv.de