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Inside Wall Street Nach dem Brückensturz

Die Börsenkolumne aus New York, von Lars Halter

Mehr als drei Tage dauerte es, bis Präsident George W. Bush die Zwillingsstadt Minneapolis/St. Paul besuchte, um sich am Wochenende selbst ein Bild von der Katastrophe zu machen, die für Entsetzen in den ganzen USA gesorgt hatte. Der Einsturz einer Autobahnbrücke während der Hauptverkehrszeit hatte mindestens 13 Menschen getötet – jetzt galt es, das Unglück politisch auszunutzen.

Für einen Präsidenten mit derart schlechten Umfragewerten gibt es – zumindest PR-technisch – eigentlich nichts besseres als ein spektakuläres Unglück. Und keiner weiß solche Fälle besser auszunutzen als der amtierende:

Schon nach 9/11 kletterte Bush auf den schwelenden Trümmerhaufen am Südzipfel von New York, um dem Bösen den Kampf anzusagen und einen raschen Wiederaufbau zu fordern. Wie die Geschichte weiterging ist bekannt: Das Böse ist auch nach einem Krieg mit tausenden von Toten und Kosten in Billionenhöhe kein bisschen entschärft worden, und in Downtown Manhattan klafft noch immer ein riesiges Loch, in dem die Bauarbeiten für den pathetisch benannten „Freedom Tower“ gerade erst beginnen.

Nicht anders sah die Situation nach dem Hurrikan Katrina aus, der vor fast zwei Jahren die Südstaaten heimsuchte und New Orleans weitgehend zerstörte. Einige Tage nach dem Unglück zeigte sich Bush erneut zwischen Trümmern und rief die Nation auf, solidarisch zusammenzustehen und zu helfen. Washington wolle alles an einen schnellen Wiederaufbau setzen. Bis heute ist im Mississippi-Delta nicht allzuviel geschehen. Der Wiederaufbau hat nie richtig begonnen. Die Arbeiten an Dämmen und Deichen, so das Time-Magazin in der aktuellen Titelstory, erfolgen teils ohne Konzept, teils gegen den Einwand von Wissenschaftlern und Technikern.

Wie in New York nach 9/11 und in Louisianna nach Katrina waren nun auch in Minneapolis nach dem Unglück warme Worte nötig. Der republikanische Gouverneur Tim Pawlenty hat unmittelbar nach der Katastrophe den ersten Schritt gemacht und die Nation beschworen, tapfer beisammen zu stehen. Bush folgte ihm nun mit dem Versprechen, die Brücke so schnell wie möglich wieder aufzubauen, „damit aus dieser Tragödie eine bessere Zukunft“ wachse.

Kritischen Beobachtern ist allerdings klar: Sämtliche Versprechen von Bush und Pawlenty werden noch schneller einstürzen als der wackligste Brückenbau. Fest steht: Die „35W“ – so der Name der Autobahn – wird sehr lange nicht zu befahren sein, denn den Entscheidungsträgern in St. Paul und in Washington geht es in erster Linie nicht darum, den Bürgern der Stadt zu helfen, sondern ihre Posten zu sichern und – Kasse zu machen.

Damit haben sie allerhand zu tun, und sie machen beides recht gut. Zum einen ist bisher noch kein einziger Politiker für das Unglück zur Verantwortung gezogen worden, obwohl die Brücke in Testberichten längst als gefährlich und renovierbedürftig eingestuft worden war, ohne dass das staatliche Verkerhsamt entsprechende Maßnahmen geplant hätte.

Zum anderen hat der Kongress bereits zwei Tage nach dem Einsturz ein Gesetz verabschiedet, nachdem der Staat den Neubau der Brücke komplett finanziere – mit 250 Mio. Dollar. Experten schätzen, dass man die Brücke auch „für unter 100 Mio. Dollar“ bauen könne, schreibt die Bürgerrechtsgruppe Washington Watch. Es ist davon auszugehen, dass das übereilt beschlossene Gesetz wieder zahlreiche Sonderposten enthält, die nur entfernt oder gar nicht mit dem Wiederaufbau der I-35-Brücke zu tun haben. Die Bush-Regierung verfährt regelmäßig so, nicht zuletzt bei der Budgetierung des Irakkrieges und des Wiederaufbaus von New Orleans.

Quelle: ntv.de

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