"Moorhuhn" abgeschossen Nemax flattert abwärts
15.04.2002, 20:30 UhrDer Neue Markt hat den Wochenstart ein wenig verschlafen. Bei lustlosem Handel kam das deutsche Wachstumssegment nicht in Schwung. Angesichts der jüngsten Insolvenzen und Skandale um offenbar manipulierte Bilanzen hielten sich die Anleger weitgehend zurück. So beendete der Nemax All Share den Tag mit einem Abschlag von 0,3 Prozent bei 942 Punkten. Etwas besser war die Bilanz beim Nemax 50 - förmlich im Schlussspurt gelang hier der Sprung in die Pluszone - auf 911 Punkte, was einem Gewinn von 0,3 Prozent entspricht.
Der Neue Markt ist nach Ansicht von Händlern zufolge auf Grund des zunehmenden Vertrauensverlustes und auch aus technischer Sicht anfällig für weitere Kursverluste. Eine Abwärtsbewegung könnte zusätzliche Verkäufe von Privatanlegern auslösen, die damit ihre Verluste zu begrenzen versuchten, hieß es. Am Freitag hatten Händlern zufolge vor allem ausländische Investoren massiv ihre Neue Markt-Aktien verkauft.
Der größte Verlierer im Nemax50 waren mit einem Minus von 7 Prozent auf 36,60 Euro die Aktien von Rhein Biotech. Das Unternehmen gab als mögliche Begründung die am vergangenen Freitag abgelaufene Haltefrist für den 17-prozentigen Anteil der koreanischen Green Cross an. Offenbar herrsche Unsicherheit am Markt, ob Green Cross verkaufen werde. Rhein Biotech gehe allerdings nicht davon aus, dass die Koreaner sich von ihren Anteilen trennen werden, hieß es weiter.
Größter Verlierer im Gesamtmarkt war allerdings die Aktie von Phenomedia. Der Software-Entwickler und "Moorhuhn"-Erfinder wurde kräftig gerupft. Ein Minus von knapp 40 Prozent - auf 2,35 Euro - mußte das Papier verkraften. Seit Tagen hält die Talfahrt der Aktie bereits an. Ende März hatte das Unternehmen Geschäftszahlen zum ersten Quartal veröffentlicht. Das Gewinnziel war dabei deutlich verfehlt worden. Jetzt machen sich die Anleger anscheinend Sorgen, dass das Unternehmen in größere Turbulenzen kommen könnte, so ein Händler. In Internetforen wird sogar schon über eine Insolvenz spekuliert. Ob sich das "Moorhuhn" zum "Pleitegeier" mausert, ist bisher allerdings reine Spekulation. Vom Unternehmen selbst, gab es keine Erklärung für den Kurssturz.
Auf der Gewinnerseite stand unterdessen die Aktie von AT&S. Am Morgen hatte der Leiterplattenhersteller mitgeteilt, das ursprünglich bis Ende des Monats befristete Aktienrückkaufprogramm werde bis Anfang 2003 verlängert. Die Hauptversammlung hatte 2001 den Erwerb eigener Aktien von bis zu zehn Prozent des Grundkapitals genehmigt. Bislang seien rund 2,9 Prozent des Grundkapitals zurückgekauft worden, hieß es. Für die Papiere ging es 3,4 Prozent auf 11,68 Euro nach oben.
Im Blickpunkt der Anleger steht auch in der neuen Woche wieder die Comroad-Aktie. Einem Zeitungsbericht zufolge wollen die Wirtschaftsprüfer von Rödl & Partner nun auch die Abschlüsse der Jahre 1998 bis 2000 erneut überprüfen. Die Abschlüsse aus diesen Jahren waren bereits von den Wirtschaftsprüfern von KPMG testiert worden. In der vergangenen Woche hatte Comroad nach einer Sonderprüfung von Rödl & Partnern bestätigt, dass rund 98 Prozent der Umsätze aus dem Jahr 2001 nicht nachweisbar waren. Die Comroad-Aktie schloss unverändert bei 0,30 Euro.
Gegen das insolvente Software-Unternehmen Biodata sind zwei Klagen über insgesamt 100 Millionen US-Dollar eingereicht worden. Kläger sei der ehemalige Vertriebsvorstand Altura Ewers, teilte das Unternehmen am Montag mit. Biodata wolle ihrerseits rechtliche Schritte gegen Ewers einleiten. Ewers war nach Unternehmens-Angaben zuletzt Konzernchef der US-Tochter Biodata North America Inc. Am 22. März sei er wegen des Verdachts auf "erhebliche geschäftliche Unregelmäßigkeiten" fristlos von seinem Amt entbunden worden, hieß es weiter. Die Aktie legte 15,4 Prozent auf 0,15 Euro zu.
Weiter nach unten ging es dagegen für die Aktie von Ceyoniq. Der Software-Hersteller hatte am Freitag kurz vor Börsenschluss einen Insolvenzantrag gestellt, die Aktie war daraufhin über 50 Prozent eingebrochen. Ceyoniq war 2001 deutlich in die Verlustzone gerutscht, hatte aber Marktgerüchte zurückgewiesen, wonach die Firma vor einer Pleite stehen könnte. Am Montag verloren die Papiere nochmals 4,8 Prozent auf 0,20 Euro.
Ebenfalls am Freitag hatte der Monitor- und Computerhersteller Maxdata einen Gewinneinbruch für das erste Quartal veröffentlicht. In den vergangenen drei Monaten sank der operative Gewinn des Unternehmens auf 500.000 Euro nach 7,9 Millionen Euro im vergleichbaren Vorjahresquartal. Die Umsätze gingen auf 152 von 213 Millionen Euro zurück. Die Aktie verlor knapp 1 Prozent auf 5,24 Euro.
Der Finanzvorstand des IT-Beratungshauses SAP SI, Jörg Vandreier, wird das Unternehmen im gegenseitigen Einverständnis verlassen. Dies teilte die SAP-Tochter am Morgen mit. Die Aktie gab knapp 5,3 Prozent auf 16,06 Euro nach.
Quelle: ntv.de