Marktberichte

Inside Wall Street Neue Regeln, neue Chancen

Die Musik spielt in dieser Woche in Washington. Dort gibt es das Tauziehen um die Regulierung des US-Finanzmarktes. Zudem steht Goldman Sachs im Mittelpunkt einer Kongressanhörung.

Fabrice Tourre bei der Anhörung zu Goldman Sachs.

Fabrice Tourre bei der Anhörung zu Goldman Sachs.

(Foto: dpa)

An der Wall Street sind in dieser Woche wieder einmal alle Augen auf Washington gerichtet. Genauer gesagt: auf zwei Ereignisse, die über die Zukunft der Branche entscheiden dürften. Goldman Sachs muss sich vom Kongress zum jüngsten Skandal mit einem miesen Hypotheken-Fond befragen lassen, und im Senat pokern die Parteien um eine Regulierung für die Finanz- und Investmentbranche.

Dabei ist Vieles "business as usual". Zunächst zu Goldman Sachs und dem Skandal, der die Wall Street in den letzten Tagen thematisch beherrscht und den Kurs einer der wichtigsten Aktien um zweistellige Prozentsätze gedrückt hat. Goldman Sachs hat Investoren bekanntlich ein Portfolio aus Subprime-Hypotheken angepriesen ohne zu erklären, dass dieses von einem Hedgefonds zusammengestellt worden war, der auf einen Absturz genau dieser Anlagen gewettet hatte.

"Das sieht schlecht aus", räumte Goldman Sachs CEO Lloyd Blankfein vor dem Untersuchungsausschuss in der Hauptstadt ein. Damit hatte es sich aber auch schon. Denn irgendeinen Fehler im Unternehmen wollte er nicht zugeben. "Wir wehren uns gegen die Vorwürfe der SEC", sagt Blankfein weiterhin, die Betrugsvorwürfe der Börsenaufsicht seien unhaltbar. Fabrice Tourre, der mitangeklagte Jung-Trader, der für das umstrittene "Abacus"-Portfolio zuständig war und hoffte, als "fabulous Fab" der einzig Überlebende in einem desaströsen Untergang des US-Immobilienmarktes zu sein, sieht das ähnlich: Seine Arbeit - und die von Goldman Sachs - hält er für legitim.

Komplizierte Fonds und Derivate

Viele Trader auf dem Parkett und noch mehr Fondsmanager in den Türmen in direkter Nachbarschaft zur New York Stock Exchange sehen das ähnlich. Unter ihnen ist die vorherrschende Meinung: Die Kunden, die in hochriskante Portfolios, hätten sich eben schlau machen müssen.

Das ist natürlich Unsinn. Die Investmentbanken haben ihre Fonds und Derivate in den letzten Jahren derart kompliziert verbastelt, dass dem Laien Einsicht kaum möglich war. Ganz offensichtlich wussten nicht einmal die hoch bezahlten Rating-Agenturen an der Wall Street, wie "Abacus" zu bewerten war - der trug nämlich das Gütesiegel "AAA" und stand damit auf dem gleichen Niveau wie eine US-Staatsanleihe, die als recht konservative Anlage gilt.

Dem Kunden eine Mitschuld am eigenen Untergang zu geben ist unverschämt, da das Spiel abgekartet war. Man denke nur an ein schummriges Pokerzimmer mit gezinkten Karten. Und man sollte nicht vergessen, dass in unserer beruflich spezialisierten Gesellschaft einer dem anderen trauen können muss. Wer zum Autohändler geht, verlässt sich schließlich darauf, dass die Mechaniker nicht aus Schrottteilen eine glänzende Kiste zusammengebaut haben. Der Kunde muss den Motor nicht inspizieren, er muss nicht prüfen welche Werte der Katalysator bringt. Er verlässt sich auf den Experten - und bezahlt ihn für seine Dienste.

Regulierung wird kommen

An der Wall Street muss das genauso sein. Und da die Banker in ihrer unendlichen Gier in den letzten Jahren jeden Anstand verloren und entschieden haben, dass Abzocke rentabler ist als ein faires Geschäft, muss nun eben der Staat neue Spielregeln einführen und die Branche regulieren.

Die Mehrheit der Amerikaner sieht das so, und insofern darf man sich schon fragen, was die Republikaner mit ihrer Hinhaltetaktik im Senat bezwecken. Selbst im eigenen Lager können sie zurzeit nur gewinnen, wenn die Missinformations-Politik des Propaganda-Senders Fox News weiterhin funktioniert. Doch selbst dieser inoffizielle Medienarm der Partei dürfte es schwer haben, den Amerikanern zu erklären, warum die Debatte über neue Regulierungen nicht stattfinden soll.

Sie wird letztlich stattfinden, das ist sicher. Sie wird auch schon in den nächsten Tagen beginnen, und sie wird mit einem dicken neuen Regelwerk enden, dass der Wall Street nicht nur Grenzen aufzeigt - sondern der US-Investmentbranche letzten Endes auch eine neue Chance gibt. Die Chance nämlich, verlorenes Vertrauen wieder einzuholen und in den nächsten Jahrzehnten weitere gute, wenn auch nicht ganz so riskante und verlogene, Geschäfte zu machen.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen