Japan-Sorgen an der Wall Street New York schließt im Minus
14.03.2011, 21:25 Uhr
Eng verzahnte Weltwirtschaft: Das Beben in Japan verunsichert die Börsianer.
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An der Wall Street herrscht am ersten Handelstag nach dem Erdbeben in Japan große Verunsicherung: Noch sind die Auswirkungen auf die Weltwirtschaft nicht abzusehen, und auch die Konsequenzen für US-Unternehmen bleiben unklar. An den US-Börsen endet der Handel am Montag mit moderaten Verlusten - und für Europäer eine Stunde früher als üblich.

"Die Opferzahlen jagen einem Angst und Schrecken ein, zudem stellt sich die Frage, was es für die Wirtschaft bedeutet."
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Das verheerende Erdbeben und die drohende Atom-Katastrophe in Japan haben am Montag die Anleger an der Wall Street verunsichert. Der Dow-Jones-Index schloss 0,4 Prozent tiefer auf 11.993 Zählern. Im Tagesverlauf war der US-Leitindex allerdings zeitweise schon knapp unter die Marke von 11.900 Punkten abgerutscht und hatte damit den tiefsten Stand seit sechs Wochen erreicht. Am Freitag hatte er sich trotz des verheerenden Erdbebens in Japan noch im Plus behaupten können. Der breiter gefasste S&P-500-Index sank um 0,6 Prozent auf 1296 Zähler. Die Technologiebörse Nasdaq gab 0,5 Prozent auf 2700 Punkte nach.
"Der Fokus liegt klar auf Japan", sagte Peter Kenny von Knight Equity Markets. "Die Opferzahlen jagen einem Angst und Schrecken ein, zudem stellt sich die Frage, was es für die Wirtschaft bedeutet." Angesichts der Erdbebenkatastrophe würden Anleger verstärkt auf festverzinsliche Wertpapiere setzen, sagten Händler mit Blick auf weltweit fallende Aktienkurse. In Japan war der Leitindex Nikkei-225-Index am Morgen um mehr als 6 Prozent abgerutscht und auch in Europa erlitten die Aktienmärkte deutliche Verluste.
"Das Erdbeben und seine Folgen könnten sich negativ auf das gesamte weltwirtschaftliche Wachstum auswirken", ergänzte ein Marktexperte. Aufgrund der Zeitumstellung zu Beginn der amerikanischen Sommerzeit endete der Handel an den New Yorker Börsen bereits um 21.00 Uhr MEZ und damit - aus europäischer Sicht - eine Stunde früher als üblich.
Zu den Einzelwerten, die wegen der Ereignisse in Japan im Fokus standen, zählten unter anderem General Electric (GE). Der Mischkonzern kooperiert im Atombereich mit dem japanischen Unternehmen Hitachi. GE-Aktien verbilligten sich um gut 2 Prozent. Auch die in den USA gehandelten Papiere japanischer Unternehmen gaben nach: So verloren die Aktien des weltgrößten Autoherstellers Toyota 4,6 Prozent. Wegen der Ereignisse steht die Produktion für mehrere Tage still.
Unter Verkaufsdruck standen die Anteilsscheine von Versicherern wie Aflac, die um rund 3 Prozent einbrachen. Die versicherten Schäden des Erdbebens in Japan könnten sich nach Schätzungen der Risikoexperten von AIR Worldwide auf bis zu 35 Mrd. Dollar belaufen und damit zu einer der teuersten Katastrophen in der Geschichte der Versicherungsbranche werden.
Störfälle stoßen Energiedebatte an
Gefragt waren angesichts der Atomkatastrophe in Japan die Aktien von Solar-Konzernen. So rückten die Titel von First Solar um mehr als 5 Prozent und die Papiere von MEMC Electronic sogar um gut 11 Prozent vor.
Zu den Gewinnern zählten auch die Titel des US-Chemiespezialisten Lubrizol. Grund: US-Starinvestor Warren Buffett übernimmt das Unternehmen für 9 Mrd. Dollar. Der Zukauf ist einer der größten in der Geschichte seiner Investmentfirma Berkshire Hathaway. Lubrizol-Aktien schnellten um knapp 28 Prozent nach oben.
Apple-Aktien zogen um 0,5 Prozent an. Zuvor hatten Analysten die Verkäufe des neuen Tablet-Computers iPad2 am ersten Verkaufswochenende auf rund eine Million Stück geschätzt.
An der New York Stock Exchange wechselten rund 960 Mio. Aktien den Besitzer. 952 Werte legten zu, 2021 gaben nach und 113 blieben unverändert. An der Nasdaq schlossen bei Umsätzen von 1,78 Mrd. Aktien 782 im Plus, 1837 im Minus und 93 unverändert.
Rohöl zittert unter den Japan-Folgen
Der Ölpreis hat am Montag kaum verändert geschlossen. Dabei hatte er bis zum Vormittag zunächst nachgegeben und sich anschließend wieder erholt. An der New Yorker Rohstoffbörse Nymex stieg der nächstfällige April-Kontrakt auf ein Barrel Leichtöl der Sorte WTI um 0,03 Dollar auf 101,19 Dollar. Die Handelsspanne lag dabei zwischen 98,47 und 101,29 Dollar je Barrel.
Der April-Kontrakt auf Rohöl der Sorte Brent fiel in New York um 0,17 Dollar auf 113,67 Dollar. Zwei Kräfte hätten sich am Berichtstag ausgeglichen, sagten Händler. Die Erwartung einer nach dem Erdbeben geschwächten japanischen Konjunktur, der drittgrößten Volkswirtschaft der Welt, belastete den Ölpreis. Auf der anderen Seite stützte die Annahme zusätzlich nötiger Ölprodukte zur Stromproduktion in Japan die Kurse.
Gerade im Tagesverlauf argumentierten immer mehr Analysten, dass der Ausfall vieler Raffinerien und Kernkraftwerk zu höheren Importen von Diesel und anderen Kraftstoffen führen werde, um damit Strom zu produzieren. Dies beflügelte die Heizöl-Futures, die wiederum die Rohöl-Futures mitzogen.
Bewegung bei den Staatsanleihen
Am Rentenmarkt zeigten sich die US-Anleihen im späten New Yorker Geschäft mit freundlichen Tendenzen. Zehnjährige Staatsanleihen mit einem Kupon von 3,625 Prozent gewannen 11/32 auf 102-6/32 und rentierten mit 3,36 Prozent. Der mit 4,750 Prozent verzinste Longbond stieg um 4/32 auf 103-13/32. Seine Rendite betrug 4,54 Prozent.
Investoren wechselten aus risikoreicheren Anlagen in als sicherer geltende Wertpapiere wie die US-Treasurys, sagte ein Händler. Angesichts der verheerenden und volkswirtschaftlich noch unabsehbaren Folgen des schweren Erdbebens und des Tsunami in Japan setzten die Anleger auf Sicherheit. Japanische Aktien gaben bereits kräftig nach und auch der Ölpreis hatte trotz der Erholung im Tagesverlauf noch nicht das Niveau vor dem Erdbeben erreicht.
"Die Nachwirkungen des Erdbebens werden wohl auch außerhalb Japans zu spüren sein, weil die Produktionszyklen in ganz Asien davon betroffen sind. Und Asien war zuletzt eine Wachstumsmaschine für die ganze Welt", kommentierte John Briggs, Analyst bei RBS Securities, seine Sicht auf die Stimmung am Rentenmarkt.
Lediglich die Longbonds, also die lang laufenden US-Staatsanleihen, hingen der Entwicklung etwas hinterher, belastet von der Sorge, dass japanische Versicherer diesen verkaufen könnten, um Kapital für die Begleichung von Versicherungsschäden zu erhalten. Bereits am Freitag hatte dies die Langläufer unter Druck gesetzt. Japan ist nach China der zweitgrößte ausländische Inhaber von US-Treasurys. Zudem endet im März das Haushaltsjahr, also ein Zeitpunkt, zu dem japanische Unternehmen ohnehin dazu neigen, im Ausland angelegtes Kapital zu repatriieren, also heimzuholen.
Quelle: ntv.de, DJ/dpa/rts