"Europa bleibt verwundbar" New York schließt im Minus
05.07.2012, 23:00 Uhr
(Foto: REUTERS)
Die historische Zinssenkung in Europa löst auch an der Wall Street keine Begeisterung aus: Nach den Feierlichkeiten zum Unabhängigkeitstag bleibt der Handel von anhaltender Unsicherheit geprägt. Vor allem die Aktien der Banken müssen büßen. Jetzt hängt alles am offiziellen Bericht zur Lage am US-Arbeitsmarkt.
Einen Tag vor Bekanntgabe des offiziellen Monatsberichts zur Lage im US-Arbeitsmarkt hat die Wall Street Verluste verbucht. An der New Yorker Börse hielten sich die Sorgen, die anstehenden Zahlen könnten eine anhaltende Stagnation bestätigen. Positive Jobdaten der privaten Arbeitsagentur ADP gaben dem Handel einen leichten Schub, dämpften aber gleichzeitig Hoffnungen auf eine weitere geldpolitische Lockerung durch die Notenbank Federal Reserve (Fed). Die historische Zinssenkung der Europäischen Zentralbank (EZB) konnte die Anleger in New York kaum beeindrucken - der Schritt war auf dem Parket erwartet worden. Energie- und Finanzwerte gehörten zu den Verlierern.
Der Dow-Jones-Index der Standardwerte notierte zum Handelsende mit einem Minus von 0,4 Prozent bei 12.896 Punkten. Im Verlauf pendelte das Leitbarometer zwischen 12.852 und 12.961 Punkten. Der breiter gefasste S&P-500-Index schloss bei 1367 Punkten, ein Abschlag von 0,5 Prozent. Der Composite-Index der Technologiebörse Nasdaq ging unverändert bei 2976 Punkten aus dem Handel. In Frankfurt hatte der zuvor den Handelstag mit einem Abschlag von 0,5 Prozent auf 6535 Punkte beendet.
Konjunkturdaten und der Zinsentscheid im Euroraum bestimmten die Großwetterlage an der Wall Street: Die privaten Unternehmen in den USA schufen im Juni deutlich mehr Jobs als erwartet: Die Zahl stieg nach Angaben der privaten Arbeitsagentur ADP um 176.000. Analysten hatten nur mit einem Plus von 105.000 gerechnet. Im Mai entstanden 136.000 Stellen und damit mehr als zunächst mit 133.000 gemeldet.
Zudem sank die Zahl der Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe in der vergangenen Woche und zwar so stark wie seit zwei Monaten nicht mehr. Die Daten gelten als mögliches Vorzeichen für den großen Juni-Bericht zur Lage am US-Arbeitsmarkt. Das Washingtoner Arbeitsministerium wird die offiziellen US-Daten am morgigen Freitag veröffentlichen. Experten gehen davon aus, dass die Arbeitslosenquote im Juni bei 8,2 Prozent verharrte. Weitere Konjunkturdaten belasteten den Handel: Das Wachstum der US-Dienstleister verlangsamte sich laut ISM-Index im Juni unerwartet deutlich. Die Zahl der Neuaufträge nahm stark ab.
Europa dominiert das Börsengeschehen
Im Fokus der Börse bleibe unverändert die Euro-Schuldenkrise, sagte Stephen Massocca von Wedbush Morgan in San Francisco: "Das ist die wichtigste Nachrichtengeschichte mit dem größten Einfluss auf den Handel." Im Kampf gegen die Krise kappte die EZB den Leitzins für die Währungsunion erstmals in ihrer Geschichte auf 0,75 Prozent und unterschritt damit die bis dato als Tabu geltende Grenze von einem Prozent. Der Schritt kam aber nicht überraschend. Auch in China und Großbritannien lockerten die Notenbanker die geldpolitischen Zügel.
Trotz der gebündelten Zinssenkungen nahmen es die Märkte enttäuscht auf, dass es keine zusätzliche Schützenhilfe für Krisenländer wie Spanien und Italien seitens der Europäischen Zentralbank gab. Nach Angaben von EZB-Chef Mario Draghi sind derzeit keine neuen außergewöhnlichen Maßnahmen geplant. Draghi sprach zudem von einer weiterhin schwachen konjunkturellen Entwicklung. "Durch das zögerliche Handeln der EZB bleibt Europa verwundbar", kommentierte Chefökonom Holger Schmieding von der Berenberg Bank die Haltung der europäischen Währungshüter. Risikoaufschläge für Anleihen der großen Krisenländer Italien und Spanien zogen kräftig an.
In New York kamen die Finanzwerte erneut unter die Räder. Der S&P-Finanzindex fiel um 1,5 Prozent. Besonders hart traf die Unsicherheit auf dem Parkett JPMorgan Chase mit einem Minus von 4,2 Prozent. Die Titel der Bank of America folgten dem mit Einbußen von gut drei Prozent.
Der S&P-Energieindex verlor 1,4 Prozent. Ein Anstieg des Ölpreises hatte Branchentitel in den vergangenen Tagen angetrieben. Am Donnerstag nahmen Investoren nach allgemeiner Einschätzung kurzfristig realisierte Gewinne mit.
Signale aus dem US-Konsum
Mehrere Einzelhändler legten enttäuschende Verkaufszahlen für Juni vor - das drückte Branchenwerte. Costco verlor 0,4 Prozent, Target rutschte 1,1 Prozent ab. Besser erging es einigen weniger gewichtigeren Aktien aus dem Einzelhandelssektor. Die Absatzzahlen der Branche für Juni trafen zwar insgesamt die Erwartungen, einige Ketten hatten diese aber übertroffen. Dazu gehörte etwa der Luxus-Kaufhausbetreiber Saks, dessen Papiere um 2,47 Prozent anzogen. Aber auch der Discounter TJX Companies überraschte - die Titel legten um 3,74 Prozent zu. Aktien der Baumarktkette Home Depot gehörten mit plus 0,9 Prozent zu den stärkeren Titeln im Dow Jones. Wal-Mart legten um 0,5 Prozent zu.
Bergauf ging es mit einem Plus von 5,8 Prozent für Anteilsscheine des Internetportals Yelp. Medienberichten zufolge plant Apple, das Verbraucherportal in seinen neuen Kartendienst zu integrieren. Die Aktien von Apple erwiesen sich als Stütze für die komplette Technologiebranche. Sie stiegen um 1,76 Prozent auf 609,94 Dollar und damit auf den höchsten Stand seit Ende April. Laut Medienberichten vom Vortag will der iPhone-Hersteller noch in diesem Jahr eine kleinere Version seines Tablet-Computers iPad auf den Markt bringen. Kreisen zufolge will Apple damit auf die zunehmende Konkurrenz in diesem Segment reagieren.
Netflix nahmen im Nasdaq100 mit einem Satz um mehr als 13 Prozent die Spitze ein. Einem Analysten zufolge übertrifft die Nutzung der Online-Videothek bei ihren Kunden mittlerweile die Angebote von TV-Sendern und Kabelnetzen. Papiere des Sauerstoffgeräte-Herstellers Lincare stiegen im Verlauf erstmals über die von Linde gebotenen 41,50 Dollar je Aktie. Am Ende standen sie mit plus 0,29 Prozent auf 41,43 Dollar aber wieder knapp unterhalb der Offerte des Gasekonzerns.
Eurokurs gibt weiter nach
An der New York Stock Exchange wechselten rund 680 Mio. Aktien den Besitzer. 1317 Werte legten zu, 1672 gaben nach und 118 blieben unverändert. An der Nasdaq schlossen bei Umsätzen von 1,4 Mrd. Aktien 1150 im Plus, 1336 im Minus und 107 unverändert.
Der Kurs des Euro rutschte im Zuge der neuen Sorgen auf den tiefsten Stand seit Anfang Juni ab. Zuletzt wurde die Gemeinschaftswährung in New York bei 1,2389 Dollar gehandelt.
Die Zinssenkungen durch die EZB und die chinesische Notenbank ließen US-Staatsanleihen attraktiver erscheinen. Unter Investoren sorgte das Vorgehen für die Befürchtung, das Handeln der Notenbanker könnte durch die Einschätzung einer stärkeren Gefahr für das Wirtschaftswachstum als bislang bekannt ausgelöst worden sein. In der Folgen griffen Händler bei den als sicher geltenden Bonds zu.
Richtungweisende zehnjährige Anleihen dagegen legten um 7/32 Punkte auf 101 13/32 Punkte zu. Sie rentierten mit 1,598 Prozent. Die dreißigjährige Anleihe legte um 15/32 zu auf 105-24/32 und rentierte mit 2,7175 Prozent.
Quelle: ntv.de, dpa/rts