S&P beschäftigt die Europäer New York verdaut den Wirbel
13.01.2012, 22:30 Uhr
Europa im Visier.
(Foto: picture-alliance/ dpa/dpaweb)
Die Herabstufung mehrerer Euro-Staaten bringt weltweit die Börsenkurse zum Zittern. Mit dem "Downgrade" für Länder wie Frankreich und Italien müssen sich auch wirtschaftliche Schwergewichte der Eurozone auf künftig steigende Kreditkosten einstellen. Die New Yorker Börsen gehen mit überschaubaren Abschlägen ins Wochenende.
Nach ihrem Fünfmonatshoch vom Vortag haben Dow Jones Industrial und S&P 500 am letzten Handelstag der Woche leicht nachgegeben. Belastend wirkten Beobachtern zufolge die Aufregung um einen erwarteten Rundumschlag der Ratingagentur Standard & Poor's (S&P) in der Eurozone sowie schwach aufgenommene Zahlen von JPMorgan.
Der US-Leitindex Dow Jones ging 0,39 Prozent auf 12 422,06 Punkte tiefer aus dem Handel. Auf Wochensicht blieb allerdings ein Zuwachs von 0,5 Prozent. Der breiter gefasste S&P-500 beendete den Handelstag mit minus 0,49 Prozent auf 1289,09 Punkte. Auch an der Technologiebörse Nasdaq ging es nach unten: Der Composite-Index büßte 0,51 Prozent auf 2710,67 Punkte ein. Der Auswahlindex Nasdaq-100 gab um 0,42 Prozent auf 2371,98 Punkte nach. Beide Indizes waren am Vortag auf das höchste Niveau seit November geklettert.
Alle Augen waren nach Europa gerichtet, wo sich die Spekulationen zumindest im Fall Frankreichs bereits bestätigten: Wie der französische Wirtschaftsminister François Baroin Abend sagte, verliert das Land seine Top-Bonität bei S&P. Damit wackelt auch das "Triple-A" des europäischen Rettungsschirms EFSF. Darüber hinaus wurden in Finanzkreisen die beiden Euro-Schwergerichte Italien und Spanien sowie Österreich, Belgien und Portugal als mögliche Abstufungskandidaten genannt.
Obendrein passte in die Mollstimmung, dass der internationale Bankenverband IIF die Gespräche mit Griechenland nach "nicht konstruktiven Antworten" vertagt hat. Eine unerwartet deutliche Aufhellung des von der Universität Michigan ermittelten Konsumklimas im Januar kam dagegen kaum an. Die drohende Abstufung von EU-Ländern durch die Ratingagentur S&P stimulierte die Investoren zu Verkäufen. Im Handelsverlauf hatten sich Meldungen über eine solche Aktion nach US-Börsenschluss verdichtet. Demzufolge sollen die bisherigen "AAA"-Länder Frankreich und Österreich um eine Stufe gesenkt werden, Italien, Spanien und Portugal um zwei Stufen. S&P bestätigte die Herabstufung nach Börsenschluss in den USA.
Insbesondere die Abstufung Frankreichs ist ein schwerer Schlag für den Rettungsfonds EFSF. Eine verminderte Bonität der zweitgrößten Wirtschaft des Euroraumes würde die Refinanzierung für das Finanzvehikel verteuern. Denn der Fonds beruht maßgeblich auf der erstklassigen Reputation der Schuldner Frankreich und Deutschland.
Die US-Indizes holten allerdings im späten Handel einen Teil der Verluste wieder auf. Händler verwiesen darauf, dass die Abstufungen keine allzu große Überraschung waren. Zudem war immer wieder auch eine Senkung der Bonität von Deutschland befürchtet worden. S&P hatte am 6. Dezember den Ausblick für das Rating von 15 Euro-Ländern auf "credit watch negative" gesetzt und damit eine Herabstufung binnen drei Monaten vorbereitet.
Vor dem Wochenende vermiesten vor allem die großen US-Banken der Wall Street das Geschäft. JPMorgan gab vor Handelsbeginn einen deutlichen Gewinnrückgang bekannt und schickte damit seine Aktien ins Minus. Die europäische Staatsschuldenkrise hat ihre Bremsspuren bei der Bank hinterlassen. Das Institut hat im Schlussquartal des vergangenen Jahres 23 Prozent weniger als im entsprechenden Zeitraum 2010 verdient, wobei das Investmentbanking unter den Verwerfungen in Europa gelitten hat. Mit 0,90 US-Dollar Gewinn je Aktie wurden die von Analysten erwarteten 0,91 US-Dollar leicht verfehlt, wobei die Prognosen schon niedrig angesiedelt waren. JPMorgan-Titel verloren 2,5 Prozent.
Andere Branchentitel wurden mit in die Tiefe gezogen. Aktien der Bank of America gingen am unteren Rand des Dow 2,6 Prozent tiefer aus dem Handel. Das "Wall Street Journal" hatte zuvor berichtet, das Institut könnte sich bei einer Verschärfung seiner Probleme aus Teilen des Landes zurückziehen. Goldman-Sachs-Papiere gaben 2,2 Prozent nach. Zwar lag der JP-Morgan-Gewinnrückgang im Rahmen der Analystenschätzungen. Die Ergebnisse zeigten jedoch, dass die Banken mit starkem Gegenwind zu kämpfen hätten, sagte Rick Meckler von Libertyview Capital Management.
Allgemeine Vorsicht herrschte an der Wall Street auch wegen des bevorstehenden langen Wochenendes. Am Montag bleiben die US-Börsen wegen des "Martin Luther King Day" geschlossen. "Wer will da noch ein Risiko eingehen?", fragte Kent Engelke, Konjunkturstratege bei Capitol Securities Management bereits im Vorfeld. Die Konjunkturdaten des Tages lieferten kein einheitliches Bild. Die Importpreise sind im Dezember leicht gesunken. Das Handelsbilanzdefizit hat sich im November unerwartet stark ausgeweitet. Und schließlich fiel der Index der Uni Michigan besser aus als erwartet.
Reaktionen am Bond-Markt
Die sich verdichtenden Hinweise auf eine Abstufung von Ländern der Eurozone durch S&P lösten Käufe bei den US-Anleihen aus. Gegen 21.30 Uhr MEZ stiegen zehnjährige Anleihen mit einem Kupon von 2,000 Prozent um 16/32 auf 101-6/32 und rentierten mit 1,87 Prozent. Der mit 3,125 Prozent verzinste Longbond gewann 1-6/32 auf 104-6/32. Seine Rendite fiel damit auf 2,91 Prozent.
Die mit den Downgrades für Wirtschaftsschwergewichte wie Frankreich erneut verschärfte Unsicherheit auf den globalen Finanzmärkten habe die Investoren in den sicheren Hafen der Anleihen getrieben, sagten Teilnehmer. Zudem habe der anstehende Feiertag die Risikobereitschaft der Investoren noch weiter vermindert. Eine Stütze für die Treasurys waren darüber hinaus auch neue Daten zur US-Handelsbilanz im November. Das Defizit fiel um einiges höher aus als Volkswirte im Schnitt prognostiziert hatten.
Quelle: ntv.de, DJ/dpa/rts