Inside Wall Street Nur ein Teilerfolg
29.06.2009, 19:07 UhrDer Fall Madoff ist erledigt - offiziell. Ein Gericht in New York verurteilte den größten Betrüger in der amerikanischen Finanzgeschichte zur Höchststrafe von 150 Jahren Haft. Im Gerichtssaal, wo viele Opfer versammelt waren, brach daraufhin Applaus aus. Doch für Anleger, die unter Madoff ihr gesamtes Vermögen verloren haben, bleiben viele Fragen offen.
Denn wenngleich mit Bernie Madoff die Schlüsselfigur des Milliardenbetruges hinter Gitter kommt, ist der Fall noch lange nicht gelöst. Für die Opfer, die vor der Verkündigung des Strafmaßes zum Teil sehr emotional an das Gericht appelliert hatten, geht die Reise weiter. Einige von ihnen haben alles verloren. Eine Dame beschrieb eindrucksvoll, dass sie heute von Lebensmittelmarken lebe, Essen aus Mülltonnen klaube und ihre Wäsche in einem Waschbecken erledigen müsse. Ein Opfer berief sich auf Dantes Inferno und hoffte, dass Satan ein vierter Kopf wachse, in dessen Maul Bernie Madoff die Ewigkeit verbringen könne.
Andere sehen sich weniger als Opfer, sondern sehen ihren Verlust vielmehr als Beginn einer neuen Karriere. Sie haben Verbände gegründet und machen sich bei Regierung und Behörden für eine strengere Regulierung von Hedgefonds stark, um ähnliche Katastrophen in Zukunft zu verhindern. Vor allem letztere dürften in dem Urteil vom Montag noch lange nicht das Ende der Geschichte sehen. Man will vielmehr weiteren Fragen auf den Grund gehen.
So ist völlig klar, dass Madoff sein Schneeballsystem nicht alleine und ohne Mitwisser ausüben konnte. Unklar ist: Was wusste seine Frau? Was wussten seine Söhne? Wie viele Mitarbeiter waren direkt in den Milliardenbetrug verwickelt? Und wohin floss das Geld?
Die amerikanische Öffentlichkeit hofft auf weitere Anklagen und weitere Gefängnisstrafen. Und so ist die einzige Kritik an dem symbolischen 150-Jahre-Urteil gegen Madoff, dass er nun überhaupt keinen Anlass habe, mit den Ermittlungen zu kooperieren und unter Umständen doch noch Details und Hintergründe anzugeben. Das könnte ihm zwar mildernde Umstände bringen. Doch auf ein Zehntel wird sich die Strafe nicht drücken lassen, und das wäre Madoffs einzige Chance gewesen, noch einmal als freier Mann atmen zu können.
Doch selbst wenn die Behörden weitere Täter aus Madoffs Umfeld fassen und hinter Gitter bringen, ist den Opfern damit noch nicht geholfen. Sie wollen in erster Linie ihr Geld zurück - 13 Mrd. Dollar insgesamt, die allerdings größtenteils verloren sind. Die Justiz hat bereits Madoffs gesamtes Vermögen gepfändet, darunter das Penthouse-Apartment in Manhattan, einige andere Immobilien, Autos, Yachten, Gemälde, Schmuck - doch bleiben seiner Frau Ruth immerhin 2,2 Mio. Dollar. Das ist ein Schlag ins Gesicht für alle, auf deren Kosten sich die Familie bereichert hatte. Dass seine Frau und die beiden Söhne in irgendeiner Form von dem Schneeballsystem wussten, ist unter Experten in der New Yorker Fond-Industrie unumstritten.
Unklar ist auch, welche Folgen der Fall Madoff auf Seiten der Behörden haben wird, die in den letzten Jahren so gänzlich versagt haben. Die amerikanische Börsenaufsicht SEC hatte mehrfach Hinweise auf einen möglichen Betrug bei Bernie Madoff erhalten, hat auch einmal ermittelt, aber nichts finden können. Angesichts der Tatsache, dass Madoff in 13 Jahren keine einzige Transaktion getätigt hat und dass es in seinem Büro in Manhattans "Lipstick Building" nicht einmal Computer gab, mit denen sich ein moderner Hedgefonds hätte führen lassen, ist das schlicht unfassbar.
Dass die Ermittler der SEC und anderer Behörden sich für ihr Versagen verantworten müssen, ist unwahrscheinlich. Im Gegenteil: Der frühere SEC-Chef Harvey Pitt, dessen Amtszeit komplett in die Betrugsphase Madoffs fällt, durfte beim US-Börsensender CNBC das Gerichtsdrama kommentieren, ohne dass man ihn einziges Mal auf das Versagen seiner Mannschaft angesprochen hätte.
Für viele Madoff-Opfer wird es keine Ruhe geben, bis alle Betrüger und Mitwisser hinter dem gewaltigen Schneeballsystem gefasst und bestraft sind. Da dass vermutlich nie der Fall sein wird, feierte man jetzt zumindest einen Teilsieg: 150 Jahre Haft für Bernie Madoff, das ist nicht das Ende der Geschichte aber der Beginn der Wiedergutmachung.
Quelle: ntv.de