Inside Wall Street Obama und der gute Banker
26.02.2009, 00:34 UhrBanker sind in Amerika zur Zeit nicht gerade ansehen. In der Publikumsgunst rangieren sie irgendwo zwischen Lobbyist und Totengräber - und doch stand einer von ihnen am Mittwoch im Mittelpunkt von Barack Obamas Rede vor dem Senat. Und zwar als persönlicher Gast des Präsidenten, der sogar in der Loge der First Lady sitzen durfte.
Allerdings ist Leonard Abess Jr. auch kein gewöhnlicher Banker. Jedenfalls widerlegt er das Klischee vom Gierschlund, dem eigene finanzielle Interessen über das Wohl von Bank und Kunden geht. Diese Sorte Banker trägt einen großen Teil der Schuld an der aktuellen Wirtschafts- und Finanzkrise. Doch, wie gesagt: Leonard Abess Jr. gehört nicht zu den Angeklagten.
Abess ist CEO der City National Bank in Florida, die sein Vater, Leonard Abess Sr. 1946 gegründet hatte. Das Unternehmen wuchs in seiner fünfzigjährigen Geschichte solide und hat heute rund 25 Filialen und Banking Center im ganzen Sonnenstaat. Seit 1983 sitzt der Junior am Steuer, der die Bilanzsumme Jahr für Jahr ausbauen konnte und seit 2002 Einlagen von mehr als 2 Milliarden Dollar vorweisen konnte.
Dann kam die Finanzkrise, für regionale Banken wurde es eng. Abess verkaufte sein Haus im August vergangenen Jahres an die Caja Madrid. Im Rahmen der 1,1 Milliarden Dollar schweren Übernahme durch die zweitgrößte Einlagenbank Spaniens schlug sich Abess gut: Er sollte weiterhin an der Spitze seiner Bank stehen - und tut das auch heute noch. Zudem sprang für ihn ein Bonus von 60 Millionen Dollar heraus.
Hier wird es spannend: Abess, als Banker durchaus ein Freund hoher Geldbeträge, fand es nicht gerecht, dass es vom Verkauf seines Unternehmens derart profitieren sollte. Vielmehr sollten die loyalen, hart arbeitenden Mitarbeiter der City National Bank bedacht werden. Also nahm Abess seine 60 Millionen Dollar und verteilte sie an 399 aktive und 72 frühere Mitarbeiter seines Hauses. Die Presse informierte er nicht; Abess wollte, dass seine Großzügigkeit privat bliebe.
Der Miami Herald bekam dennoch Wind von der Sache, berichtete ausführlich und interviewte Abess schließlich. "Einige meiner Mitarbeiter kenne ich, seit ich sieben Jahre als war", erklärte der CEO dem Journalisten die engen Beziehungen im Hause. "Viele Leute haben viele Jahre lang für mich gearbeitet, ohne dass sie einen eigenen Anteil an der Bank besessen hätten - die wollte ich überraschen."
Die Überraschung ist gelungen; seine Mitarbeiter feiern Abess. Und auch Washington wurde auf den Mann aufmerksam. Präsident Barack Obama nannte ihn nun persönlich in seiner Ansprache vor dem Kongress, als er versuchte, den Amerikanern in ihrer schwersten Finanzkrise Hoffnung zu machen und gute Beispiele zu zeigen. "Ich denke an Leonard Abess", so der Präsident über den Helden von Miami, der vielleicht den ein oder anderen Banker bis hinauf an die Wall Street inspiriert.
Quelle: ntv.de