Inside Wall Street Qualvolle Bush-Show
24.01.2007, 19:04 UhrDie Börsenkolumne aus New York von Lars Halter
Die Rede zur Lage der Nation ist eine Qual. Nicht, dass einen das Zeremoniell im Kongress nicht mitreißen würde. Die feierliche Präsentation, die Einmarschmusikdoch steht da letztlich eine gute Stunde lang ein Präsident ohne Mehrheit, der Tatsachen verdreht und dem Volk das Blaue vom Himmel verspricht. Das ist schwer zu ertragen.
So finden sich an der Wall Street auch nicht allzu viele, die die ganze Rede tatsächlich gesehen haben. Wer sich aber der Bush-Show ausgesetzt hat, dürfte spätestens nach drei Minuten die Fernbedienung wieder in der Hand gehabt haben. Da nämlich lobte Bush zunächst einmal das bisher Erreichte, vor allem in Bezug auf die Wirtschaft. „Die Arbeitslosigkeit ist niedrig“, mag ja statistisch noch stimmen, wenngleich die offiziellen Zahlen von Insidern immer mehr angezweifelt werden.
„Die Inflation ist niedrig“ ist hingegen eine völlig absurde Aussage, die so ziemlich allem widerspricht, was die Notenbank in den letzten Monaten von sich gegeben hat. Sicher, die Inflation ist nicht derart hoch, dass sich weitere Zinsanhebungen aufdrängen – doch hat der anhaltende Zinsdruck auf Erzeuger- und Verbraucher immerhin die Hoffnung auf eine baldige Zinssenkung zerstört.
Bush weiter: „Wir müssen das Haushaltsdefizit abbauen – und zwar ohne die Steuern zu erhöhen.“ Das an sich ist schwierig, hat doch gerade die Steuerpolitik der Bush-Regierung überhaupt dazu geführt, dass aus einem Rekord-Überschuss binnen kürzester Zeit ein Rekord-Defizit wurde. Bushs Konzept von Steuersenkungen während eines teuren Krieges ist in der Geschichte der USA einmalig, in der Vergangenheit wurden in Kriegszeiten stets die Steuern erhöht.
Doch scheint Bush die Lösung zum Haushalts-Problem zu kennen: Disziplin. Der Kongress müsse aufhören, kurz vor Verabschiedung eines Gesetzes – oft über Nacht – alle möglichen Sonderparagraphen einzuschieben, mit denen Einzelprojekte nach dem Gusto der Senatoren und Repräsentanten bezuschusst würden. Mehr als 13.000 solcher Projekte fanden sich 2005 im Haushalt, sie beliefen sich auf 183 Milliarden Dollar. Was Bushs guten Vorsatz nun unglaubwürdig macht: Die allermeisten kamen von Republikanern und begünstigten deren Lieblingsbranchen.
Schon nach diesen ersten wirtschaftlichen Ausführungen des Präsidenten dürften alle Zuschauer umgeschaltet haben, die sich nicht aus Leidenschaft mit politischem Zwist beschäftigen. Für die übrigen wurde der Fernsehabend nicht erträglicher.
Bushs Ausführungen zur Schul- und Bildungsreform sind seit Jahren dieselben. Was nichts daran ändert, dass das eigentlich gut durchdachte Projekt „No child left behind“ mit höheren Anforderungen für Schulen bis heute nicht finanziert worden ist.
Bushs Ausführungen zur Gesundheitsreform sind ebenfalls nur Schall und Rauch. Dass Amerikaner künftig Steuervergünstigungen bekommen, wenn sie sich privat krankenversichern, ist schön und gut. Allerdings müssen sie dafür die vom Arbeitgeber bezahlten Anteile als Einkommen versteuern, was den Anreiz einer solchen Maßnahme deutlich senken dürfte. Ein Branchenexperte schätzt, dass die „Reform“ höchstens fünf Millionen Amerikaner neu dazu bringen dürfte, sich zu versichern – weitere 40 Millionen blieben unversichert.
Ebenso wirkungslos scheint Bushs Energiekonzept zu sein. Den Benzinverbrauch in den nächsten zehn Jahren um 20 Prozent zu senken, halten die Berater vom Council on Foreign Relations für „weit hergeholt“. Ethanol ließe sich bei niedrigen Benzinpreisen nicht in großem Umfang einführen, und so dürfte „die Einfuhr von Öl aus dem Nahen Osten weiter steigen“, wie das CFR meint.
Quelle: ntv.de