Inside Wall Street Rezession macht erfinderisch
07.10.2009, 11:07 UhrOb die jüngste Rezession in Amerika vorüber ist oder nicht, ist an der Börse umstritten. Interessant ist hingegen, dass eine Rezession traditionell nicht nur schlecht ist.

In der Krise erfunden: Scotch Tape, in Deutschland bekannt als Tesa Film.
(Foto: picture-alliance / dpa/dpaweb)
Im Gegenteil: Not macht erfinderisch, und Amerika verdankt eine Reihe seiner besten Innovationen und größten Unternehmen Jahren mit wirtschaftlichem Abschwung.
So sind in der aktuellen Fortune-Liste der 500 größten US-Konzerne mehr als die Hälfte während einer Rezession gegründet worden. Bestes Erfolgsbeispiel: das Magazin selbst. "Fortune" legte seine erste Ausgabe 1930 vor - ein Jahr nach dem großen Börsencrash. Noch schlimmer: Das Heft brachte Geschichten rund um Geld und Wohlstand, und es kostete mit ein Dollar mehr als sämtliche anderen Titel im damaligen Zeitschriftenhandel. Dennoch hatte man 1937 eine Auflage von einer halben Million Exemplaren.
Auch Charles B. Darrow spielte erfolgreich mit der Sehnsucht des kleinen Mannes nach dem Reichtum der anderen. Anfang der 1930er-Jahre erfand er das Spiel "Monopoly", das von sämtlichen Spieleherstellern seiner Zeit zunächst abgelehnt wurde. Er fertigte eigene Kopien an, vertrieb sie mit Erfolg bis Parker Brothers auf ihn aufmerksam wurde. "Monopoly" ist bis heute das meist verkaufte Brettspiel der Welt, Parker Brothers ist heute Teil des Branchenriesen Hasbro.
Zu den großen Unternehmen, die während Krisenzeiten entstanden, gehört die Brauerei Coor's. Der deutschstämmige Adolph Coor's eröffnete das Unternehmen 1873 während der großen Panik, die von einem der ersten großen Börsencrashs ausgegangen war. Er hatte zuvor geschickt investiert und genug Liquidität, in der schwierigen Zeit zu bestehen und sich gegen die Konkurrenz durchzusetzen.
Der Dow-Riese General Electric verdankt eines seiner meist verkauften Produkte der Rezession in den 1970er-Jahren: die Neonröhre. Zunächst war man an der Erfindung nicht interessiert, da sie gegenüber herkömmlichen Glühbirnen nur ein wenig Strom sparen sollte und man nach Ende der Ölkrise keine Nachfrage mehr erwartete. Doch kaum hatte die Konkurrenz ähnliche Ideen, baute GE sein erstes Spezialwerk für die neuen Lichtspender, die kurz darauf ihren Siegeszug um die Welt antraten.
Ein weiteres Produkt der Krise ist der Fotokopierer, den Xerox - damals noch Haloid Corp. - 1937 entwickelte; ein paar Jahre früher, ebenfalls mitten in der Weltwirtschaftskrise, erfand Richard Drew einen weiteren Büroartikel, der heute ganz selbstverständlich auf jedem Schreibtisch steht: Scotch Tape, auf Deutsch: Tesa Film.
Zahlreiche Erfindungen der Krisenjahr spielten sich in heimischen Küchen ab und wurden große Erfolge: Henry Heinz entwickelte etwa 1870 sein Ketchup, das auf einem chinesischen Rezept beruhte und billig hergestellt werden konnte. Der Lebensmittelkonzern Kraft ließ sich 1930 "Miracle Whip" einfallen, um die schwächelnden Umsätze mit klassischer Mayonnaise auszugleichen. Und Ruth Graves Wakefield musste beim Backen für Freunde auf Backschokolade verzichten, die in ihrem Laden 1930 gerade nicht verfügbar war. Sie verwendete Tafelschokolade, die allerdings nicht schmolz, sondern in Stückchen zusammenhielt: der Chocolate-Chip Cookie war erfunden, der heute nach Originalrezept von Nestle vertrieben wird.
Ob ähnliche Erfolgsgeschichten auch die aktuelle Krise im Nachhinein zu einer segensreichen Zeit werden lassen, ist offen. Rein statistisch sieht es nicht gut aus. Die Patentanmeldungen in den USA sind zuletzt um zwei Prozent gefallen - von Erfindungsreichtum also keine Spur.
Quelle: ntv.de