Inside Wall Street Rum und Holzpfeile
02.10.2008, 21:14 UhrDer amerikanische Senat hat das 700 Mrd. Dollar schwere Rettungspaket für die Wall Street mehrheitlich beschlossen - und das ganze Land ist sauer. Zumal es längst nicht mehr um 700 Mrd. Dollar geht, seit Republikaner und Demokraten alle möglichen Positionen addiert haben, um an die nötigen Ja-Stimmen zu kommen.
Aus der Schlappe vom Montag hat man nämlich gelernt. Das Repräsentantenhaus hatte das Rettungspaket abgelehnt, da es bei den Wählern mehrheitlich nicht ankommt. Ein Wunder war das nicht. Immerhin muss der Steuerzahler für die Fehler der Wall Street bluten; polemisch gesprochen zahlt der kleine Mann die Zeche für die Milliardäre in New Yorks Bankenviertel, die sich in den Boom-Jahren gegenseitig haarsträubende Boni zugespielt haben.
Für zahlreiche Abgeordneten im Repräsentantenhaus war das Paket also nicht durchzubringen. Einerseits weil sie demnächst wiedergewählt werden wollen; andererseits - zumindest in Einzelfällen - weil sie allgemein dagegen sind, dass der Staat wieder einmal einspringt und hinter den gierigen CEOs aufräumt.
Weil Washington - anders als der Rest der USA - das Rettungspaket für die Wall Street aber beschließen wollte, hat man sich nun einen alten Trick einfallen lassen: In Tag und Nacht andauernden Verhandlungen wurden zahlreiche Provisionen angehängt, die kritischen Abgeordneten auf die Sprünge helfen sollten. Das sind die sogenannten "Earmarks"; zweckgebundene Mittel, die in Amerika traditionell jedem umstrittenen Gesetz beigefügt werden, die die Gesetzgebung jedes Jahr um zig Milliarden Dollar verteuern.
Wahlgemerkt sind nicht alle "Earmarks" schlecht - auch nicht all diejenigen, die man in Eile dem jüngsten Rettungspaket für die Wall Street angehängt hat. Für die südöstlichen Bundesstaaten etwa sind 8,8 Mrd. Dollar an zusätzlicher Katastrophenhilfe geplant, um mit den Folgen der jüngsten Hurrikans fertig zu werden. Für die gesamte Energie-Industrie gibt es erweiterte Steuersenkungen für alles, was mit der Entwicklung alternativer Energien zu tun hat, vor allem im Solar- und Wind-Bereich.
Doch haben diese Dinge mit dem "Bailout" für die Wall Street nichts zu tun. Und: Es gibt einige völlig absurde Provisionen, die sich in dem Gesetz überhaupt nicht begründen lassen. So hat man Steuervergünstigungen für die Rum-Industrie auf Puerto Rico beschlossen, ebenso für einen Branchenverband "Wolle" und für die Hersteller von Holzpfeilen für Kinderspielzeug. Weniger Steuern zahlen künftig auch die Betreiber von Stock-Cart-Rennbahnen und die Indianerstämme, die in ihren Reservaten Kasinos betreiben.
Dank dieser Anhängsel stehen jetzt statt 700 satte 850 Mrd. Dollar zur Debatte, die bisher nicht gegenfinanziert sind und komplett auf Kosten der Staatsverschuldung gehen. Was sagen die Präsidentschaftskandidaten dazu? - Beide haben sich im Zusammenhang mit dem Rettungspaket nicht mit Ruhm bekleckert. Beide haben für das Paket gestimmt. Barack Obama mit der Begründung, dass es zwar eine teure und unfaire Lösung eines Problems sei, doch aber die einzige, die sich nach acht Jahren verkehrter Politik darstelle.
Damit ist er wenigstens einigermaßen aus dem Schneider, während sich John McCain erneut zum Gespött der Nation gemacht hat. Im Wahlkampf tritt es seit Monaten als Finanzkonservativer auf, der dem Volk geschworen hat, im Falle seiner Wahl niemals für ein Gesetz mit "Earmarks" zu stimmen. Vier Wochen vor der Wahl ist das Versprechen dahin.
Quelle: ntv.de