Marktberichte

Hedgefonds wetten gegen China Saudis nennen neuen Ölpreis

Mit 100 Dollar lässt sich kalkulieren: Öl-Minister Ali al-Naimi, hier bei einem Opec-Treffen in Wien.

Mit 100 Dollar lässt sich kalkulieren: Öl-Minister Ali al-Naimi, hier bei einem Opec-Treffen in Wien.

(Foto: REUTERS)

Die Daten zum chinesischen Wirtschaftswachstum lassen den Rohstoffmärkten viel Raum für Spekulationen: Während die Mehrheit der Analysten erleichtert reagiert, sprechen einzelne Marktteilnehmer von der "derzeit größten Blase" der Welt.

Ermuntert von besser als erwartet ausgefallenen chinesischen Konjunkturdaten haben Anleger bei Metallen zugegriffen. Kupfer notierte am Abend 1,6 Prozent höher bei 8189 Dollar je Tonne und blieb damit knapp unter dem Zweieinhalb-Monats-Hoch von 8230 Dollar. Gold notierte 0,9 Prozent fester bei 1658,45 Dollar je Feinunze.

Der Wandel bestimmt China - und die Weltwirtschaft.

Der Wandel bestimmt China - und die Weltwirtschaft.

(Foto: REUTERS)

"Die sind eine gute Nachricht, da die Abkühlung nicht so stark ausgefallen ist wie von manchen befürchtet", urteilte Yiping Huang, Chef-Volkswirt für asiatische Schwellenländer bei Barclays Capital. "Aber wir müssen weiter auf Risiken achten. Dazu gehören eine Rezession in Europa und die Korrektur des chinesischen Immobilienmarktes."

Einzelne Marktteilnehmer rechnen weiterhin mit mehr als nur einer leichten Abkühlung in China: "China ist ein aufgeblähtes Luftschloss", beschreibt zum Beispiel Pedro de Noronha vom Londoner Hedgefonds Noster Capital den Zustand des asiatischen Wirtschaftsriesen. Wie er rechnen viele Geldmanager in Europa damit, dass die Wachstumsrakete der Weltwirtschaft dieses Jahr unsanft aus ihren schwindelerregenden Höhen abstürzen könnte - und die Märkte dann mit sich reißt.

Dass China für das vierte Quartal die niedrigste Wachstumsrate seit zweieinhalb Jahren vermelden musste, werten Marktteilnehmer wie de Noronha als Notsignal. "Wir sind ziemlich skeptisch und besorgt", beteuerte der Hedgefonds-Manager. Die demonstrative Sorge gilt dabei nicht unbedingt der chinesischen Bevölkerung, die den Auswirkungen einer harten Korrektur unmittelbar ausgesetzt wären. Längst wetten Hedgefonds wie Noster Capital auf eine Bruchlandung der chinesischen Wirtschaft.

Auswirkungen auf den Preis

Die Großinvestoren setzen darauf, dass eine dramatische Abkühlung der chinesischen Konjunktur in diesem Jahr brutal einschlagen wird - auf den Aktien- und Rohstoffmärkten, bei den Unternehmen und der Wirtschaft insgesamt. Um von einem solchen Absturz Chinas profitieren zu können, bedienen sich die Hedgefonds einer Reihe von Möglichkeiten. So leihen sie sich am Aktien- oder Devisenmarkt Wertpapiere und verkaufen diese in der Hoffnung, sich später wieder billiger eindecken zu können. Auch schlagen sie bei Kreditversicherungen für Unternehmen zu, die nach China exportieren. Oder aber sie gehen die Rohstoffaktien in anderen Ländern an, die von der Nachfrage Chinas abhängig sind.

"Dies wird ein schwieriges Jahr für die Rohstoffe in den BRICs", sagt Victor Pina vom ebenfalls in London ansässigen Hedgefonds Javelin Capital mit Blick auf die aufstrebenden Schwellenländer Brasilien, Russland, Indien und China. Er glaubt, dass sich die Konjunktur in China empfindlich abkühlt: Höchstens 8 Prozent Wachstum seien jetzt noch drin. Auch eine dramatischere Entwicklung hinab auf 7 Prozent sei denkbar.

Einen Zuwachs von nur noch 8,9 Prozent hatte China im vierten Quartal 2011 erzielt. Damit verlangsamte sich das Wachstum bereits zum vierten Mal in Folge, und ein kleineres Plus hatte es zuletzt auf dem Höhepunkt der Finanzkrise gegeben. Von 2003 bis 2007 war die Wirtschaft des riesigen Landes dagegen regelrecht abgehoben: Jedes Jahr wurden zweistellige Wachstumsraten vermeldet.

China-Effekte beim Kupfer

Hedgefonds-Manager Pina jongliert nun mit Rohstoffpapieren in Hongkong, Brasilien und Russland, um sich in der Abkühlungsphase ins Warme zu retten. Zur Begründung verweist er auf den Kupfermarkt: "Zum ersten Mal seit Ewigkeiten gibt es ein Überangebot", sagt Pina. Sowohl die Lagerbestände als auch der Preis seien hoch - noch, wie der Experte betont. "Entweder wird die Weltwirtschaft wachsen oder der Preis fallen." Europäische Geldmanager wie Pinas Kollege Noronha von Noster Capital verfolgen auch den Häusermarkt mit Argusaugen. "Der Immobilienmarkt ist wohl derzeit die größte Blase, die es auf der Welt gibt."

Doch nicht alle rechnen hier mit einem baldigen Kollaps. China versuche, den Boom am Laufen zu halten, sagt Patrick Armstrong von Armstrong Investment Managers. "Die haben so viele Reserven, dass sie die Infrastrukturausgaben erhöhen können." Er geht ohnehin auf Distanz zur generellen Abwärtsprognose seiner Kollegen für das Boom-Land China. "Die allgemeine Meinung ist ziemlich barsch geworden", sagt Armstrong. "Wir glauben, dass das Wachstum weitergehen könnte."

Wie wird der Ölpreis reagieren?

Eine harte Landung in China dürfte weltweit erhebliche Wellen schlagen: Neben den Industriemetallen und den Aktienmärkten - China ist nicht nur für die deutschen Autobauer ein wichtiger Absatzmarkt - dürfte sich eine unerwartet schnelle Abkühlung der chinesischen Wirtschaft auch auf die Preise für Energierohstoffe auswirken. Am Rohölmarkt reagierten die Notierungen für Öl aus den USA und Europa allerdings zunächst kaum auf die Daten zum chinesischen BIP.

Nordseeöl der Sorte Brent kostete am Dienstag mit 111 Dollar je Barrel (159 Liter) 0,4 Prozent weniger als am Vorabend. US-Öl der Referenzsorte West Texas Intermediate (WTI) lag wenig verändert bei 99,81 Dollar. Neben den Daten aus China beherrschten die Spannungen am Persischen Golf weiter die Lage.

Saudis rechnen mit 100 Dollar je Fass

Der saudische Ölminister Ali Al-Naimi will den Preis für ein Barrel Rohöl bei 100 US-Dollar stabil halten. Damit wendet sich der weltweit größte Exporteur von früheren Festlegungen zwischen 70 bis 80 Dollar je Fass ab. "Unser Wunsch und unsere Hoffnung ist, dass wir den Preis bei 100 Dollar für das Fass stabilisieren können", sagte Al-Naimi. Obwohl die Äußerungen Naimis darauf hindeuten, dass Saudi-Arabien einen starken Preisanstieg verhindern möchte, zeigen sie auch den Willen des Landes, ein höheres Preisniveau als früher anzustreben.

Das Königreich könne seinen täglichen Ausstoß sofort um nahezu 2 Mio. Barrel pro Tag steigern, sagte er zu Sorgen um eine Angebotsverknappung wegen der Spannungen in der Straße von Hormus. Derzeit kommen täglich zwischen 9 und 10 Mio. Barrel aus Saudi-Arabien. "Wir können binnen weniger Tage leicht auf 11,4 oder 11,8 Mio. Barrel gelangen." Sein Land wolle im Falle von Sanktionen gegen den Iran dessen Produktionsausfall nicht vollständig kompensieren. Al-Naimi widersprach damit früheren Zusagen, die iranischen Förderausfälle komplett zu ersetzen. Er erwartet allerdings nicht, dass die Straße von Hormus bei einer Blockade länger geschlossen bleibt. "Die Welt kann das nicht zulassen."

Geld, um das Volk ruhigzustellen

Bis Anfang vergangenen Jahres hatte das Königreich einen Preis zwischen 70 und 80 Dollar pro Fass als Zielmarkt ausgegeben. Beobachtern zufolge braucht das Land jedoch im Zusammenhang mit dem "arabischen Frühling" und den stark gestiegenen Sozialleistungen mehr Einnahmen. "Die offizielle Benchmark von 80 Dollar wurde jetzt dramatisch nach oben genommen, um die Folgen der Revolutionen im arabischen Raum einzufangen", kommentierte der in London ansässige Rohstoffanalyst John Hall.

Die Saudis als größter Exporteur seien sich aber bewusst, welche Auswirkungen ein höherer Preis für die Volkswirtschaften in Europa und den USA habe, die immer noch von der Rezession bedroht seien. Saudi-Arabien benötigt für einen ausgeglichenen Staatshaushalt nach Berechnungen der Investmentgesellschaft Jadwa einen Preis zwischen 70 und 74 Dollar je Barrel. Naimi gab nun an, der Preis von 100 Dollar sei ein Durchschnittswert für die Sorten WTI und Brent sowie verschiedener Opec-Produkte. Derzeit liegt dieser Durchschnittspreis bei 107 Dollar pro Fass.

Quelle: ntv.de, mmo/DJ/rts

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