Inside Wall Street Slumdogs und Dunkle Ritter
23.02.2009, 18:03 UhrFilmfans hatten allen Grund zu feiern, als die halbe Mannschaft von "Slumdog Millionaire" am Ende einer vierstündigen Oscar-Präsentation auf die Bühne stürmte, um die Statue für den besten Film abzuholen. Doch während die Kids aus dem Slum von Mumbai strahlten, rauften sich hinter den Kulissen die Buchhalter Hollywoods die Haare. Die diesjährige Oscar-Verleihung dürfte für die Branche eine der schlechtesten aller Zeiten gewesen sein, wie Insider schon Tage vorher prophezeihten und nun auch nach der Zeremonie lautstark beklagen. Das ist bitter, denn damit räumen sie ein, dass es bei den Oscars längst nicht um Kunst, sondern um Kommerz gehen soll. Und dieses Konzept ging in diesem Jahr nicht auf.
Die fünf Streifen, die für die Auszeichnung als bester Film angetreten waren, kommen gemeinsam auf das niedrigste Einspielergebnis aller Zeiten. Das Märchen aus den indischen Slums, die Fitzgerald-Verfilmung "Benjamin Button", die Schwulen-Historie "Milk, das Nazi-Drama "Der Vorleser und das Polit-Theater "Frost/Nixon haben bisher zusammen gerade einmal 250 Millionen Dollar eingespielt. Davon 77 Millionen Dollar seit Bekanntgabe der Nominierungen.
Historische Daten sehen anders aus: Als "Titanic 1997 den Titel davontrug und andere Publikumserfolge wie "Good Will Hunting und "L.A. Confidential ausstach, waren die Nominierten auf insgesamt 996 Millionen Dollar gekommen - vier Mal so viel wie die Riege von 2008, wobei die Inflation noch nicht einmal mit eingerechnet ist.
Kritiker sind entsetzt: "Slumdog nicht mitgerechnet, wäre das Ergebnis noch bitterer ausgefallen, meint Paul Degarabedian, der Kinokassen-Analyst des Onlinedienstes Hollywood.com. Aus künstlerischer Sicht enttäuscht, dass einige Film-Kritiker zustimmen. Zu ihnen gehört Bob Strauss, der Experte der Los Angeles Daily News. Ein Film wie "Der Vorleser gehört für ihn überhaupt nicht unter die Nominierten - dass die Schlink-Verfilmung so gut abgeschnitten hat, sei allein dem Produzenten zu verdanken; hinter dem Streifen steht Hollywood-Mogul Harvey Weinstein.
Strauss hätte statt des Nazi-Dramas lieber einen Action-Film im Rennen um den Oscar gesehen: "The Dark Knight, die jüngste Batman-Folge mit Heath Ledger als Joker hätte unbedingt nominiert werden müssen. Wahr ist: "The Dark Knight hat im vergangenen Jahr das Rennen an den Kinokassen gewonnen, während drei der Nominierten - "Milk, "Der Vorleser und "Frost/Nixon - bis zum Beginn der Oscar-Saison nicht einmal unter den Top 100 der bestverdienenden Filme lagen.
Wenn das aber zum wichtigsten Kriterium für die Wahl der Oscar-Filme werden sollte, muss sich die Branche und vor allem die Filmkritik wohl die Existenzfrage stellen. Fraglich wäre zudem, welche Auswirkungen die Wahl populärer Filme auf die Fernseh-Übertragung der Gala hätte. Die lief beim Disney-Sender ABC und gilt als weibliche Version des "Super Bowl - als eines der anzeigenträchtigsten Events im US-TV.
Zwar gab es auch an dieser Front Probleme: So musste ABC etwa auf die Spots der ansonsten großzügigen Sponsoren GM und L'Oreal verzichten. Doch konnte man mit Einblendungen von Mastercard und der Einzelhandelskette JC Penney noch immer punkten. Die Unternehmen verlassen sich auf hohe Quoten, und die könnten gefährdet sein, wenn die weltweit beachtete Gala im Kodak Theater nicht mehr großes Kino auszeichnet, sondern einfach die Action-Filme mit dem höchsten Einspielergebnis.
Quelle: ntv.de