Inside Wall Street Sommerzeit - Ferienzeit?
13.06.2007, 19:11 UhrDie Börsenkolumne aus New York, von Lars Halter
Die Ferienzeit hat begonnen - offiziell. Doch in den Büros an der Wall Street ändert sich das Bild nicht. Kaum Angestellte fehlen an ihren Schreibtischen, und im Laufe der Saison werden sich die Reihen wohl auch nicht dramatisch lichten. Amerikaner haben weniger Urlaub als ihre Kollegen in anderen Industrienationen.
Voller Neid schauen amerikanische Arbeiter nach Finnland. Dreißig Tage bezahlter Urlaub plus 14 bezahlte Feiertage, und das alles gesetzlich verankert. Davon kann man im Land der unbegrenzten Möglichkeiten nur träumen. Dabei braucht es ja gar nicht gleich wie beim Urlaubsweltmeister zuzugehen. Sämtliche EU-Mitgliedstaaten kommen auf mehr als 30 bezahlte Tage außerhalb der Arbeit.
In den USA werden Arbeiter und Angestellte gerade einmal für 25 Urlaubs- und Feiertage bezahlt - und auch das nur auf dem Papier. Denn während 15 Urlaubs- und 10 Feiertage zwar gängige Praxis in großen Unternehmen sind, von der zumindest langjährige Mitarbeiter profitieren, fällt eine Statistik des Center for Economic and Policy Research (CEPR) viel nüchterner aus. Danach kommt der durchschnittlicher Arbeiter auf 9 Urlaubs- und 6 Feiertage. 15 bezahlte freie Tage im Jahr - damit liegt Amerika im internationalen Vergleich ganz am Schluss der Tabelle, deutlich abgeschlagen selbst hinter Thailand und Vietnam.
Doch dem Ami scheint es nicht allzu viel auszumachen, wie das Urlaubsverhalten zeigt. Obwohl die freien Tage kostbar sind, werden sie immer seltener am Stück genommen. Und wenn, dann nicht unbedingt um weit weg zu fahren und Abstand zu gewinnen. Vielmehr bleiben auch Angestellte in mittleren Positionen in der Nähe des Wohnortes und stehen regelmäßig mit dem Büro oder mit Arbeitskollegen in Kontakt.
Dass die Amerikaner offensichtlich zunehmend "leben um zu arbeiten", macht Joe Robinson Sorgen. Er leitet die Kampagne "Arbeiten um zu leben", die in Washington für eine verbesserte gesetzliche Regelung von Urlaub und Freizeit eintritt. Dabei wehrt sich Robinson vor allem gegen die gängige Praxis, die Urlaubszeit abhängig von der Anstellungszeit im Unternehmen zu machen. Denn viele Arbeitnehmer wechseln ihre Jobs regelmäßig und blieben für immer im Mindestbereich.
Zustände wie in Europa lobt Robinson, doch scheinen die auch langfristig nicht erreichbar. Den Grund kennt Mark Sullivan, Berater beim Arbeitsmarktexperten Mercer. Europäische Arbeitgeber hätten die hohen Kosten im Zusammenhang mit Stress bedingten Krankheiten erkannt, meint er. Sie wissen, dass mehr bezahlter Urlaub für die Arbeitnehmer dem Unternehmen mehr Geld spart als kostet. In den USA habe sich diese Sicht noch nicht durchgesetzt.
Quelle: ntv.de