Inside Wall Street Starken Marken droht das Aus
10.03.2008, 17:55 UhrOb Marken-Muffel oder Label-Fetischist, an Logos und Schriftzügen und Firmennamen kommt der Verbraucher heute nicht mehr vorbei. Sie leuchten von Werbetafeln, verstopfen das Vorabendprogramm, schreien aus Magazinen solange es ihnen gut geht. Dann verschwinden sie plötzlich, und mit ihnen ein Stück Wirtschaftskultur.
Manche Marke trifft das Schicksal recht überraschend. Ein Unternehmen mag jahrzehntelang zu den ganz Großen gehört haben und ist vor dem Untergang doch nicht geschützt. Neue Trends, neue Launen des Verbrauchers können in kürzester Zeit die Bilanzen zerschmettern; was bleibt, ist oft eine Übernahme oder gar der Konkurs.
Marktbeobachter in Amerika haben jetzt eine Liste von "Brands" zusammengestellt, die es in Kürze nicht mehr geben dürfte:
Zu ihnen gehört der größte Schlagzeilen-Lieferant der letzten Monate: Der Hypotheken-Finanzierer Countrywide Financials hatte einst an jeder Ecke eine Filiale und stand in den USA hinter mehr Immobilienkrediten als irgendein anderes Unternehmen. Dann platzte die Blase, Countrywide musste Milliarden abschreiben und wird gerade von der Bank of America übernommen. Die dürfte den Namen Coutrywide mit Sicherheit nicht weiterführen; zu sehr ist die Marke belastet, zumal seit dieser Woche auch noch das FBI wegen Betrugs gegen das Management ermittelt.
Ein Merger dürfte auch die Marke Yahoo in die ewigen Jagdgründe schicken, fürchten Experten. Zwar wehrt sich der Online-Riese mit Händen und Füßen gegen eine Übernahme durch Microsoft. Doch ist das Angebot für Aktionäre attraktiv und ein weißer Ritter nicht in Sicht. Es dürfte also schwer werden, den Softwarekonzern hinzuhalten. Und der ist nicht für seine Marken-Toleranz bekannt. Binnen kurzer Zeit dürfte Yahoo samt Email und Kontent in MSN integriert werden.
Per Merger geht es auch anderen ehemaligen Hightech-Riesen an den Kragen: Die Handys von Motorola dürften bald unter dem Namen und Logo von LG hergestellt werden, heißt es in der Gerüchteküche. Und nach der Übernahme von Gateway durch die taiwanesische Acer dürfte auch dieser amerikanische Markenname bald Geschichte sein.
Ein ähnliches Schicksal droht dem Online-Broker E-Trade und dem Satelliten-Radio XM Satellite, der an den einzigen Konkurrenten Sirius fallen dürfte.
Andere Marken dürften internen Aufräumarbeiten zum Opfer fallen. Die Supermarkt- und Kaufhauskette Kmart etwa, die zum strauchelnden Branchenriesen Sears gehört. Schon die Mutter mag angeschlagen sein, der Tochter geht es aber noch schlechter. Eine Kombination der beiden Marken dürfte dem Konzern gut tun, zumal sich nicht zuletzt in der Werbung Millionen sparen lassen.
Vor diesem Hintergrund droht auch Old Navy das Aus. Der ehemals hippe Teenie-Ausstatter ist mittlerweile zur schwächsten Firma in der Gap-Gruppe verkommen. Das quadratische Gap-Logo dürfte folglich bald über den etwa 1000 Filialen stehen, während die andere Gap-Tochter Banana Republic durch ihren eigenen Kultstatus wohl etwas sicherer steht.
Aufräumarbeiten stehen auch im Automobilsektor an, wo sie vielleich am nötigsten sind. Vor allem beim Chrysler-Konzern, der seit kurzem bekanntlich zur Investorengruppe Cerberus gehört. Dort nahm man von Anfang an kein Blatt vor den Mund und erklärte, das Unternehmen habe zu viele Marken. Als erste dürfte Dodge gehen; die Autos sollen wohl schon bald unter dem Chrysler-Logo auf die Straße gehen.
So betreibt Corporate America Frühjahrputz. Einige Marken gehen; doch letzten Endes machen sie wohl nur Platz für neue Experimente. Die Werbe-Industrie mit ihren riesigen Billboards und TV-Spots muss sich keine Sorgen machen.
Quelle: ntv.de