Inside Wall Street Thain fliegt aus Luxus-Büro
22.01.2009, 22:36 UhrIn Krisenzeiten dreht sich das Personalkarussell immer schnell - zu schnell für John Thain, der am Donnerstagmittag herausgeschleudert wurde. Der frühere NYSE-Chef, der zu Merrill Lynch wechselte und die Übernahme durch die Bank of America verhandelte, ist seinen Posten los. Die Wall Street debattiert: War er nicht mehr zu tragen, oder brauchte Ken Lewis einen Sündenbock?
Fakt ist, dass sich der CEO der Bank of America am Donnerstagmorgen persönlich von der Konzernzentrale in Charlotte (North Carolina) nach New York bemühte, um mit John Thain über dessen Zukunft zu reden. Thain war zu diesem Zeitpunkt Chef der Einheit für globales Banking und Vermögensverwaltung; den Posten hatte er am 1. Januar angetreten, als Merrill Lynch offiziell in der Bank of America aufging.
Jetzt ist Thain arbeitslos, dabei hatte er vor wenigen Wochen noch als potenzieller Nachfolger für Ken Lewis gegolten. Der ist 61 Jahre alt und hätte Thain seinen Posten vererben können - wenn da nicht in den Verhandlungen um Merrill Lynch einiges schief gelaufen wäre.
An der Wall Street ist unumstritten, dass Thain sein gescheitertes Investmenthaus viel zu teuer verkauft hat. Trotz der Milliardenverluste während der Finanzkrise hatte er der Bank of America satte 29 Dollar pro Aktie berechnet - das war bei Bekanntwerden des Deals im September zwar ein Discount von 60 Prozent gegenüber dem Vorjahreskurs, aber eine Prämie von satten 70 Prozent auf den aktuellen Kurs und fast 40 Prozent über dem Bilanzwert des Unternehmens.
Im Dezember, wenige Wochen bevor die Übernahme offiziell umgesetzt werden sollte, gab Merrill Lynch weitere Milliardeneinbußen bekannt. Bei der Bank of America reagierte man - zunächst - nicht. Anstatt den Übernahmepreis neu zu verhandeln bat man die Regierung um Hilfe und kassierte weitere Milliarden aus dem TARP-Fond und zusätzliche Kreditgarantien für wertlose Merrill-Anlagen. Bei Anlegern sorgte das für nackte Verzweiflung und massive Verkäufe.
Thain zu feuern wäre Ken Lewis dennoch nicht einfach gefallen - immerhin war es ja der Chef der Bank of America, der schlecht verhandelt hatte. Entsprechend mussten andere Punkte her, die gegen Thain im Unternehmen sprachen, und die gab es zuhauf. Da war zum einen das peinliche Gezerre um einen 10 Millionen Dollar schweren Bonus, den der ehemalige Merrill-Chef im Dezember durchsetzen wollte. Angesichts der Milliarden-Verluste seines Unternehmens biss er damit auf Granit und zog seinen Antrag zurück.
Und dann war da noch die umstrittene Renovierung seines Büros in New York, die in der Berichterstattung über den Rausschmiss des einst mächtigen Wall Streetlers dominiert. Seinen damals neuen Posten bei Merrill Lynch wollte Thain nämlich nicht aus dem abgewetzten Mobiliar seines Vorgängers Stan ONeill versehen. Er beauftragte einen namhaften Innenarchitekten, der für seine Dienste rund 800.000 Dollar in Rechnung stellte und unter anderem folgendes anschaffte: Einen Teppich für 87.000 Dollar, einen Mahagony-Schreibtisch für 25.000 Dollar, eine Kommode für 35.000 Dollar, einen Schreibtischstuhl für 18.000 Dollar und einen aus Papyrus gefalteten Papierkorb für 1400 Dollar.
Und dass, nachdem er inmitten von Entlassungen und Milliardenverlusten einen radikalen Sparkurs angekündigt hatte.
Im Endeffekt war John Thain nun bei der Bank of America nicht zu halten. Wie die meisten seiner ehemaligen Kollegen von Merrill Lynch ist er seinen Job los. Anleger macht das nicht wirklich froh, denn sie müssen sich weiter mit Ken Lewis abgeben, der sich selbst gewiss nicht ruhmreich geschlagen hat. Die Reaktion der Aktie gibt die Stimmung bei den Bank-Aktionären deutlich wider: Am Donnerstag notiert das Papier mit fast 20 Prozent im Minus.
Quelle: ntv.de