Marktberichte

Inside Wall Street Trau deinen Konzernen nicht

Ganz unten auf der Liste der unbeliebtesten Unternehmen: Freddie Mac.

Ganz unten auf der Liste der unbeliebtesten Unternehmen: Freddie Mac.

(Foto: REUTERS)

Zuerst die gute Nachricht: Laut einer aktuellen Umfrage ist Corporate America – das Konzern-, Wirtschafts- und Finanzmonster hinter der Weltmacht USA – in den vergangenen zwölf Monaten wieder beliebter geworden. Zum ersten Mal seit vier Jahren. Die schlechte Nachricht: Gerade einmal 18 Prozent attestieren den Unternehmen einen "guten" Ruf. Und das im Mutterland des Kapitalismus.

Satte 81 Prozent der Amerikaner beschreiben das Ansehen und die Integrität von Corporate America irgendwo zwischen "nicht gut" und "sehr schlecht". Damit scheint klar, dass steigende Börsenkurse und viel Gerede um ein Ende der Rezession das Volk nicht versöhnt haben. Im Gegenteil: Ein Blick auf die Branchen und Unternehmen, die zur Zeit besonders unbeliebt sind, macht deutlich, dass die Verbraucher in den letzten Jahren sehr gut zugehört haben. Sie wissen, wem sie den wirtschaftlichen Kollaps zu verdanken haben.

So haben die neun unbeliebtesten Unternehmen in Amerika allesamt von staatlichen Finanzhilfen profitiert. Aus Freundschaft und Verbundenheit hat der Steuerzahler indes nicht gehandelt, und entsprechend groß ist der Ärger. Die Liste der unbeliebtesten Unternehmen liest sich wie ein Who-is-Who der Finanzbranche: Ganz unten steht Freddie Mac, gefolgt von AIF und Fannie Mae, es folgen Citigroup und Goldman Sachs, dann die Autobauer Chrysler und GM und zwei weitere Banken: JP Morgan Chase und Bank of America.

Letzterer Finanzriese hat gegenüber dem Vorjahr den steilsten individuellen Punktverlust eingefahren. Deutlich runter ging es ansonsten für die notorisch kundendienstschwachen Verizon Communications und Time Warner.

Den größten Punktgewinn hat hingegen Ford eingefahren. Der Autobauer ist im vergangenen Jahr nur knapp einer Pleite entgangen, hat staatliche Hilfen abgelehnt und arbeitet hart am Turnaround – die Amerikaner applaudieren und sehen die Marke wieder im unteren Mittelfeld der Beliebtheitsskala.

Ganz oben steht indes Berkshire Hathaway. Der von Warren Buffett geführte Gigant kassierte in den Umfragepunkten "Finanzielle Performance" und "Führung und Vision" die höchsten Werte, selbst auf emotionaler Ebene landete der sagemumwobene Konzern in der Top-Five – ob das am sypathischen Lächeln des greisen CEO oder dem frechen Maskottchen der Versicherungs-Tochter Geico liegt, ist nicht bekannt.

Die Erkenntnisse des Umfrageinstituts Harris Interactive sind keine einfache Statistik, über die Bosse eben mal schmunzeln. Vielmehr dürften die Ergebnisse in Chefetagen in den ganzen USA heiß diskutiert werden. Denn die Beliebtheit schlägt sich – auch das zeigt die aktuelle Studie – direkt auf den Erfolg eines Unternehmens nieder, und zwar im Kerngeschäft wie auch an der Börse. Die Wahrscheinlichkeit, Produkte und Dienstleistungen bestimmter Unternehmen zu kaufen, ist demnach nur in den beliebteren Verbraucherbranchen richtig hoch, etwa bei Kraft, Coca-Cola und Amazon.com.

Mit dem gesamten Finanzsektor will der Verbraucher nichts zu tun haben. Auch nicht an der Börse, denn selbst die Aktien dieser Konzerne sind laut der Umfrage alles andere als beliebt. Dass sie im Handel zuletzt deutlich zulegen konnten, darf darüber nicht hinwegtäuschen. Denn die Gewinne kommen mit hoher Wahrscheinlichkeit aus dem institutionellen Bereich; Otto Normalinvestor ist längst nicht mehr im Markt und wird auch auf geraume Zeit nicht zurück erwartet. Überhaupt gibt es nur noch einen Sektor, der zur Zeit unbeliebter ist als die Finanzwelt: die Tabakbranche. Die nimmt für ihre Geschäfte den Krebstod der Massen in Kauf. Die Nähe zum Finanzsektor in der Beliebtheitsskala dürfte manchem zu denken geben.

Quelle: ntv.de

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